Prof. Dr. Sarah Dessì Schmid

Forschung

Forschungsschwerpunkte

Synchrone und diachrone Sprachwissenschaft des Französischen, des Italienischen, des Spanischen und des Katalanischen:

  • Systemlinguistik: Verbalmorphologie, -semantik und -syntax (insbesondere Aspekt und Aktionsart, Schnittstellen zwischen Modus, Tempus und Aspekt und ‚modale Verwendungen’ des Imperfekts, Verbalperiphrasen), sprachliche Inhaltskategorien aus onomasiologischer Perspektive (Aspektualität, Modalität, Mirativität)
  • Interne Sprachgeschichte und Sprachwandel (insbesondere Grammatikalisierung)
  • Externe Sprachgeschichte (insbesondere Standardisierungsmodelle, Theorien und Praktiken des Purismus)
  • Varietäten- und Kontaktlinguistik (insbesondere Algueresisch, Kreolsprachen und Kreolisierung sowie Situationen des Sprachkontakts im romanischen Mittelalter)
  • Sprachphilosophie, Sprachtheorie und Semiotik (insbesondere erkenntnistheoretische und idealistische Sprachphilosophie und Ästhetik)

Laufende Forschungsprojekte

Reine Sprache, guter Ton – Purismus und Ästhetik des Umgangs in der frühneuzeitlichen Konversationsliteratur

(Projekt A3 innerhalb des SFB 1391: Andere Ästhetik)

Das linguistisch-literaturwissenschaftliche Teilprojekt A3 setzt in der 2. Förderphase die Suche nach interkulturellen Verflechtungen von Sprachnormierung und -purismus in Italien, Frankreich und Deutschland fort. Standen bisher institutionelle Prozesse der Sprachnormierung (Sprachakademien und -gesellschaften) sowie Programme und Praktiken der Sprachreinigung im Zentrum, so soll nun das kommunikative Handeln in Theorie und Praxis der frühneuzeitlichen Konversation untersucht werden. Die Ideale von ‚reiner Sprache‘ und ‚gutem Ton‘ verbinden sich im 16. und 17. Jahrhundert zu einer ausdifferenzierten ‚Ästhetik des Umgangs‘. Ausgangspunkt des Projekts ist ein transkulturelles und mehrsprachiges Korpus, das als Anstands- oder Konversationsliteratur anzusprechen ist. Das Projekt wird die drei wichtigsten Traditionslinien für den Zeitraum aufeinander beziehen: 1. die Hofmann-Literatur im Stile von Castigliones Libro del Cortegiano;  2. die Konversationstraktate von Giovanni della Casa (Galateo, 1558) und Stefano Guazzo (La civil conversazione, 1574), die sich an stadtbürgerliche Rezipienten wenden und in Frankreich (Faret, L’honnête homme ou l’art de plaire à la Cour, 1630) wie in Deutschland in lateinischen und deutschen Übersetzungen rezipiert werden; 3. die humanistisch geprägte Dialogliteratur, die – in der Tradition von Erasmus’ Colloquia familiaria – Formung der Sprache und Formung des Benehmens theoretisch und praktisch-performativ verbindet.

Fülle, Redundanz, Überfluss: Verfahren der Steigerung in der Epideiktik der Frühen Neuzeit

(Projekt A5 innerhalb des SFB 1391: Andere Ästhetik)

In seiner zweiten Phase erweitert sich der Gegenstand des der Epideiktik gewidmeten Teilprojekts A5 hin zur Untersuchung sprachlicher Verfahren hyperbolischer Steigerung und Intensivierung in italienischen und deutschen epideiktischen Texten der Frühen Neu-zeit mit dem Ziel, die Ähnlichkeit, Spezifizität, Tradiertheit sowie innovative Schöpfung amplifikatorischer Verfahren vor dem Hintergrund ihres Kontextes herauszuarbeiten. Die Sprach- und Kulturräume Deutschland und Italien werden einerseits in komparatistischer, andererseits in transdisziplinärer Kombination von Rhetorik und Linguistik untersucht.  Schlüsselbegriffe wie die amplificatio (Steigerung/Intensivierung) oder die argutia (Scharfsinn), die aus der klassischen Rhetorik stammen und als ästhetische Reflexionsfiguren aufgefasst werden, sollen mit Hilfe linguistischer und rhetorisch-literaturwissenschaftlicher Zugänge erstmals systematisiert und für die Analyse verschiedener Textsorten aus der Zeit fruchtbar gemacht werden.

Abgeschlossene Forschungsprojekte

Purismus – Diskurse und Praktiken der Sprachreinheit (2019-2023)

(Projekt A3 innerhalb des SFB 1391: Andere Ästhetik)

Mit dem Sprachpurismus bringt A3 einen Gegenstand in den Sonderforschungsbereich ein, der für die europäische Sprach- und Kulturgeschichte bis heute virulent ist – weit über die Kritik am Fremdwortgebrauch hinaus. Das interdisziplinäre Teilprojekt, das Literatur- und Sprachwissenschaft, Romanistik und Germanistik verbindet, untersucht den frühneuzeitlichen Purismus erstmals systematisch und vergleichend für die drei eng verbundenen Sprach- und Kulturräume Italien, Frankreich und Deutschland. Im Blickpunkt stehen Wechselwirkungen zwischen Sprachpolitik und Literarästhetik, die sich v.a. an den Aktivitäten der Sprachakademien (z.B. Accademia della Crusca, Académie française, Fruchtbringende Gesellschaft) beobachten lassen. Bereits in der antiken Rhetorik ist Sprachreinheit (puritas linguae) ein wichtiges Ideal innerhalb der Lehre vom Stil (elocutio); doch erst seit dem 16. Jahrhundert entwickelt sich ‚Reinheit der Sprache’ auch zu einer ästhetischen Reflexionsfigur europäischer Spracharbeit und identitätsstiftender Sprachpolitik. Mit Hilfe des praxeologischen Modells zeigt A3, wie sich in der frühneuzeitlichen Debatte um die ‚Reinheit der Sprache’ Normierungsbestrebungen, literarische Produktion und soziale Praxis miteinander verflechten und wechselseitig begründen. Entsprechend seiner Position im Projektbereich A konzentriert sich das Teilprojekt vor allem auf diese Praktiken, d.h. auf Strategien der Durchsetzung einer ‚reinen Sprache’, etwa in Zeremoniell und höfischer Kommunikation, im akademischen Diskurs, in Literatur, Kanzlei und Schule.

Verbale und nominale Aspektualität zwischen Lexikon und Grammatik (2017-2021)

(Projekt C7 innerhalb des SFB 883: Bedeutungskonstitution - Dynamik und Adaptivität sprachlicher Strukturen)

Das romanistische Projektvorhaben C7 untersucht die diatopische und diachrone Variation romanischer Sprachen und romanisch basierter Kreolsprachen im Bereich der verbalen und nominalen Aspektualität. Dabei wird insbesondere die Interaktion zwischen Grammatik und Lexik in den Blick genommen und ein besonderes Augenmerk auf deren Aufgabenverteilung in der Emergenz und Konstitution aspektualer Bedeutung gerichtet. Das Projekt widmet sich zwei eng miteinander verbundenen thematischen Schwerpunkten, die für die Frage der Bedeutungskonstitution von Aspektualität besonders relevant sind: Im verbalen Bereich liegt der Fokus auf Imperfektivität und Progressivität, besonders auf den progressiven Verbalperiphrasen, der nominale Bereich beschäftigt sich mit der Interaktion von Nominalaspekt und den an der Schnittstelle zwischen count und mass angesiedelten superordinate object mass nouns.

Ambiguitätsphänomene in der Diachronie und im typologischen Vergleich: Existenz und Lokalisierung (2013-2017)

(Projekt C4 innerhalb des SFB 883: Bedeutungskonstitution - Dynamik und Adaptivität sprachlicher Strukturen)

Das Projekt untersucht dynamische Aspekte der Bedeutungskonstitution bei Existenz- und Lokativkonstruktionen im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen universalen Prinzipien und einzelsprachlichen Parametrisierungen. Aus der Verbindung von Studien zur Makrovariation / Typologie und Mikrovariation (Korpusanalysen, psycholinguistische Experimente) sowie der Verbindung von synchronen und diachronen Analysen sollen Rückschlüsse auf kognitive Prinzipien der Verarbeitung der semantischen Kategorie der EXISTENZ sowie der kompositionalen Natur von Informationsstruktur, Definitheit und Individuenprädikation gezogen werdenRomanische Verbalperiphrasen: synchrone und diachrone Bedeutungskonstitution (2015-2017)

(Anschubprojekt  SFB 883: Bedeutungskonstitution - Dynamik und Adaptivität sprachlicher Strukturen)

Das Projekt untersucht die semantischen Schnittstellen zwischen aspektualen, diathetischen und modalen Bedeutungskomponenten in den romanischen Verbalperiphrasen. Im Zentrum der Untersuchung steht die Konstruktion VENIRE + Partizip Perfekt, im Vergleich einerseits mit der häufigeren romanischen passivischen Konstruktion ESSE + Partizip Perfekt, andererseits mit einigen resultativen Verbalperiphrasen.
Dabei wird nicht nur den Grammatikalisierungsprozessen der jeweiligen Hilfsverben und der Entwicklung ihrer Kombinationsmöglichkeiten mit Verben, die das zweite Glied der Periphrasen darstellen, nachgegangen, sondern auch die Rolle des im Partizip ausgedrückten Verballexems analysiert, die nicht zuletzt mit seinen verschiedenen möglichen (z.B. nominalen und adjektivischen) Funktionen zusammenhängt.

Die aus älteren Sprachstufen gewonnenen Daten liefern bessere Voraussetzungen für eine Modellierung der Bedeu­tungs­konstitution der Verbalperiphrasen im Hinblick auf die Frage ihrer Kompositionalität, was ein weiteres wichtiges Ziel des Projektes darstellt.

Existenz und Lokalisierung (2013-2016)

(BMBF-Verbundprojekt Computational Historical Semantics)

Existenz und Lokalisierung (Teilprojekt I innerhalb des BMBF-Verbundprojekts ComHisSem) untersucht langfristige Veränderungen, die bei der Entstehung und Verbreitung neuer lexikalischer Bedeutungen – und damit verbundener Konstruktionen, v.a. im Bereich der Verbvalenz – zu beobachten sind. Dabei geht es insbesondere um die varietätenbezogene und diskurstraditionelle Verortung von Innovationsprozessen sowie um die Identifikation von Diffusionsprozessen über diskurstraditionelle und varietätenspezifische kommunikative Praxisbereiche hinweg. Im Zentrum der Betrachtung stehen Veränderungen in den kognitiv-semantischen Bereichen EXISTENZ und LOKALISIERUNG und in den diesen kognitiven Konzepten zugeordneten sprachlichen Ausdrücken und Konstruktionen.
Weitere durchführende Forschungseinrichtungen im Verbundprojekt sind: Goethe-Universität Frankfurt, Historisches Seminar und Fachbereich für Mathematik und Informatik, vertreten durch Prof. Dr. Bernhard Jussen und Prof. Dr. Alexander Mehler; Universität Bielefeld
, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Abteilung Romanistik, vertreten durch Prof. Dr. Barbara Job; Universität Regensburg, Institut für Romanistik, vertreten durch Prof. Dr. Maria Selig.