Familienpolitische Informationen, Geschlechterideologien und normative Urteile zur geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung
Das Projekt untersucht, wie Informationen zu Elternzeit- und Kinderbetreuungspolitik und Konsequenzen der Inanspruchnahme soziale Normen bezüglich elterlicher Erwerbstätigkeit, Elternzeit und Kinderbetreuungsnutzung verschiedener sozialer Gruppen beeinflussen. Seit Mitte der 2000er wurden in Deutschland mehrere familienpolitische Reformen in Bezug auf Elterngeld und Kindertagesbetreuung implementiert. Diese zielten unter anderem darauf ab, Müttern den Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit zu erleichtern, die Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung zu fördern sowie soziale Ungleichheiten in der Inanspruchnahme formaler Kindertagesbetreuung zu reduzieren. In der Folge stiegen sowohl die Müttererwerbstätigkeit, die Nutzung von Kindertagesbetreuung als auch der Anteil an Vätern, die Elternzeit nahmen; jedoch blieben deutliche soziale Unterschiede bestehen bzw. nahmen weiter zu. Dieses Projekt ergänzt bestehende Befunde, die gezeigt haben, dass Familienpolitik individuelles Handeln und Überzeugungen nicht nur durch finanzielle Anreize, sondern auch durch ihren Einfluss auf Arbeits- und Fürsorgekulturen prägt. Diese Wirkung scheint auch relativ kurzfristig möglich zu sein und für Bevölkerungsgruppen, die nicht direkt von den familienpolitischen Maßnahmen betroffen sind. Ein möglicher Kanal eines solchen normativen Wandels ist neue Information, die von Medienberichten, politischen Kampagnen oder sozialen Netzwerken übertragen wird. Dieses Projekt untersucht die Wirkung zunehmender Sichtbarkeit politischer Maßnahmen durch kurze evidenzbasierte Informationen zu bestehenden politischen Ansprüchen und zu Konsequenzen der Inanspruchnahme. Insbesondere wird geprüft, ob die Effekte auf Geschlechterideologien und Arbeitsteilungsnormen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen variieren.
Aus theoretischer Perspektive integriert das Projekt Konzepte des Genderbewusstseins und normativer Rückkopplungseffekte politischer Maßnahmen mit dem sozial-psychologischen Elaborationswahrscheinlichkeitsmodell und sozialer Normentheorie. Für die empirische Prüfung wurden zwei Umfrageexperimente entwickelt, die bereits von zwei großen deutschen Längschnittsstudien, dem GESIS Panel und dem Familienpanel Pairfam, akzeptiert wurden und planmäßig zwischen August 2019 und April 2020 durchgeführt werden. Als zentralen Beitrag verspricht das Projekt neue Erkenntnisse zu einem Mechanismus wie politische Maßnahmen soziale Normen und Überzeugungen beeinflussen. Darüber hinaus wird ein besseres Verständnis in Bezug auf Verbreitung solcher Informationen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen generiert. Außerdem ermöglicht die innovative methodische Kombination von Informationsexperimenten und Vignettendesigns eine Identifikation von Paar- bzw. Kontexteigenschaften, für die soziale Normen flexibler und eher empfänglich für Informationen sind im Gegensatz zu Situationen mit relativ starren Normen.