Institut für Soziologie

Männer und Kinderkriegen

Mein Promotionsprojekt nimmt unterschiedliche Wege des Kinderkriegens von Männern in den Blick und will so einen Beitrag zur Frage nach der Ver- und Entkoppelung von Geschlecht und Elternschaft leisten. In Anschluss an eine Reihe von Arbeiten der letzten Jahre, die Schwangerschaft, Fortpflanzung und Kinderkriegen als genuin soziale Phänomene in den Blick genommen haben (Schadler 2013; Hirschauer et al. 2014; Heitzmann 2017), betrachte ich Kinderkriegen aus praxistheoretischer Perspektive. Es wird so als etwas erkennbar, dass nicht allein von Frauen(-körpern) geleistet wird, sondern von unterschiedlichen Teilnehmern einer „generative Praxis“ (Heitzmann 2017). Generative Praxis meint dabei „ein sozial bedeutsames menschliches Tun [...], dessen Interessenzentrum die Konstitution von Familie bildet“ (ebd., S. 207f) und umfasst somit Phänomene, wie Schwangerschaften in heterogeschlechtlichen Paarbeziehungen, in Co-Elternschaften, bei denen die Eltern keine Paarbeziehung führen, über eine Samenspende oder über Adoption oder Pflegschaften. In diesem Geschehen werden nicht nur Kinder geboren, sondern Familien und damit auch Elternpositionen konstituiert.
Aus geschlechtersoziologischer Perspektive fällt ins Auge, dass Männer in heterogeschlechtlichen Paarbeziehungen häufig in eine eher randständige Position geraten. Während sich für die Frauen die Zeit der Schwangerschaft durch identitätstransformierende Praktiken und geschlechterdifferenzierende Vergemeinschaftungsformen wie Geburtsvorbereitungskurse und intensivierte (Mütter-)Freundinnenschaften als prägende Phase der ‚Vermutterung‘ (Müller & Zillien, 2016; Hirschauer, 2019),gestaltet, bieten sich den Männern weniger eigenständige Gelegenheiten zur identitären Aneignung geboten werden, so dass sie häufig in einer Unterstützer- oder Beschützerposition der Mutter-Kind-Dyade entworfen werden (vgl. Rose 2017; Seehaus & Rose 2015 für solche Zuschreibungen in Institutionen der Natalität). Schon in der Phase des Elternwerdens gibt es also zahlreiche Einladungen zur geschlechterdifferenzierenden Unterscheidung von Vater- und Mutterrolle, die sich bei verschiedengeschlechtlichen Paaren häufig in einer traditionellen familiären Arbeitsteilung fortsetzt.
Mit der gegenwärtigen Pluralisierung von Familienformen wird diese Art der Verkoppelung von Elternschaft und Geschlecht auf unterschiedliche Weise fragwürdig(er): Homogeschlechtliche Elternpaare und Co-Eltern-Familien mit mehr als zwei Elternteilen können nicht ohne weiteres auf tradierte Deutungsschemata heterosexueller Paarförmigkeit zurückgreifen. Bei erweiterten Fortpflanzungsgemeinschaften können genetische, rechtliche und soziale Elternschaft auf unterschiedlichste Weise ge- und entkoppelt werden und so neue Elternpositionen entstehen. Schwangere Trans*Männer stellen die Rahmung des Austragens eines Kindes als urweibliche Angelegenheit in Frage. Und auch heterogeschlechtliche Paare berichten zunehmend von einer Orientierung an egalitären Elternschaftsvorstellungen und können ihre Elternpartnerschaft geschlechtsindifferent handhaben oder traditionelle Geschlechterrollen auf den Kopf stellen.
Angesichts dieses pluralisierten Feldes der Generativität frage ich in meinem Promotionsprojekt wie Männer in unterschiedlichen Praxisformen der Fortpflanzung positioniert werden, wie Elternschaft dabei hergestellt wird, welche Konstitutionen von Vaterschaft und Elternschaft dabei entstehen und wie Elternschaft und Geschlecht dabei (neu) ver- und entkoppelt werden. Dazu führe ich offene, (teil-)narrative Interviews mit werdenden und frisch gebackenen Vätern und Familien unterschiedlicher Konstellationen sowie mit Samenspendern und besuche darüber hinaus Vorbereitungskurse und Regenbogenfamilienzentren.
 

 

Literatur

Heitzmann, D., 2017: Fortpflanzung und Geschlecht: zur Konstruktion und Kategorisierung der generativen Praxis. Bielefeld: Transcript.
Hirschauer, S., 2019: Mein Bauch gehört uns. Gynisierung und Symmetrisierung der Elternschaft bei schwangeren Paaren. Zeitschrift für Soziologie 48: 6 – 22.
Hirschauer, S., B. Heimerl, A. Hoffman & P. Hofmann, 2014: Soziologie der Schwangerschaft: Explorationen pränataler Sozialität. Stuttgart: Lucius & Lucius.
Müller, M. & N. Zillien, 2016: Das Rätsel der Retraditionalisierung – Zur Verweiblichung von Elternschaft in Geburtsvorbereitungskursen / The feminization of parenthood: about the traditionalizing effects of prenatal classes. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 68: 409–433.
Rose, L., 2017: Väter bei der Geburt – ein Witz? S. 115–128 in: S. Heimgartner & S. Sauer-Kretschmer (Hrsg.), Erfüllte Körper. Inszenierungen von Schwangerschaft. Paderborn: Fink.
Schadler, C., 2013: Vater, Mutter, Kind werden: Eine posthumanistische Ethnographie der Schwangerschaft. Bielefeld: Transcript.
Seehaus, R. & L. Rose, 2015: Formierung von Vaterschaft-ethnografische Befunde aus Institutionen der Natalität. Gender: Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft 7: 93–108.

Weitere Infos und Kontakt

Laura Völkle, M.A. Soziologie

Eberhard Karls Universität Tübingen
Zentrum für Gender- und Diversitätsforschung
Brunnenstr. 30
72074 Tübingen

E-Mail: laura.voelklespam prevention@uni-tuebingen.de

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