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11.09.2019

Friedrich List 1819 – Zur Abschaffung der Binnenzölle

Ein Plädoyer für den Freihandel! Ein „Erinnerungsort“ deutscher Geschichte ist die Bittschrift von Friedrich List vom 20.4.1819 an die Bundesversammlung in Frankfurt a. M. zur Abschaffung der Binnenzölle zwischen den deutschen Ter-ritorialstaaten. Der damalige Professor Friedrich List (1789-1846) von der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen, forderte seinerzeit die Abschaffung der Binnenzölle und die Bildung einer Wirtschaftsunion.

Es waren Kaufleute, die sich beklagten, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den deutschen Territorialstaaten unter den vielen Zollschranken und Billigimporten aus England stark zu leiden habe. Im Auftrag dieser Kaufleute verfasste List seine Petition an die Bundesversammlung – die lose Interessenvertretung des Deutschen Bundes in Frankfurt. Nachdem die Petition mit großem Beifall aufgenommen wurde, gründete List den „Allgemeinen Deutschen Handels- und Gewerbsverein“ – die erste Interessenvertretung deutscher Kaufleute. Dies war der Grundstein für den politischen Einigungsprozess zur Gründung des Zollvereins von 1834, der wiederum die Vorstufe zur Gründung des Deutschen Reiches von 1871 bildete. Die Bittschrift an die Bundesversammlung markiert den Anfang einer Periode, die als „Vormärz“ in die deutsche Geschichte Eingang gefunden hat. Sowohl der Anfang als auch das Ende dieser Epoche sind mit Frankfurt a. M. verbunden, weil der „Vormärz“ in der Revolution von 1848 und der Frankfurter Paulskirche seinen Höhepunkt und zugleich Abschluss gefunden hat.

Die historische Bedeutung von Lists Bittschrift sollte den Ökonomen nicht fremd sein! Wegen der wegweisenden Bedeutung dieser Petition werden einige Passagen in Erinnerung gerufen:

„Vernünftige Freiheit ist die Bedingung aller physischen und geistigen Entwicklung des Menschen. Wie der menschliche Geist niedergehalten wird durch die Bande des Gedankenverkehrs, so wird der Wohlstand der Völker gebeugt durch Fesseln, welche der Produktion und dem Verkehr materieller Güter angelegt werden. Nur alsdann werden die Völker der Erde den höchsten Grad des physischen Wohlstands erreichen, wenn sie allgemeinen, freien und unbeschränkten Handelsverkehr unter sich festsetzen. Wollen sie sich aber gegenseitig schwächen, so müssen sie nicht nur die Ein- und Ausfuhr und den Durchgang fremder Güter durch Verbote, Auflagen, Sperrung der Schifffahrt usw. erschweren, sondern die gegenseitige Kommunikation ganz aufheben. (…) Achtunddreißig Zoll- und Mautlinien in Deutschland lähmen den Verkehr im Innern und bringen ungefähr dieselbe Wirkung hervor, wie wenn jedes Glied des menschlichen Körpers unterbunden wird, damit das Blut ja nicht in ein anderes überfließe. (...) Zoll und Maut können, wie der Krieg, nur zur Verteidigung gerechtfertigt werden. Je kleiner aber der Staat ist, welcher eine Maut errichtet, desto größer das Übel, desto mehr würgt sie die Regsamkeit des Volkes ab.“

Man würde sich wünschen, dass es in allen Mitgliedsstaaten der EU möglichst viele solcher visionären und leidenschaftlichen Politiker und Ökonomen wie Friedrich List gäbe, die für die Weiterentwicklung des europäischen Einigungswerkes kämpfen und nicht den nationalegoistischen und populistischen Zentrifugalkräften das Feld überlassen. Außerdem wäre zu wünschen, dass sich die jüngeren deutschen Ökonomen an diesen genialen und vielverkannten Pionier der deutschen Wirtschaftswissenschaft erinnern und die Studierenden mit dessen visionären und hoch aktuellen Ideen vertraut machen. Immerhin ist Friedrich List neben Karl Marx der bedeutendste deutsche Nationalökonom des 19. Jahrhunderts mit einer hoher internationaler Reputation.

Text: Eugen Wendler, Bild: Lithographische Gesellschaft Berlin

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