INSTITUTSKOLLOQUIUM: AKTUELLE FORSCHUNGEN – (NEUE) THEMEN DER KULTURWISSENSCHAFT
Wiederkehr der Klasse?
(Neue) kulturwissenschaftliche Perspektiven auf soziale Ungleichheit
Es wird wieder mehr über soziale Klassen geredet. Sowohl international – in den USA, in Großbritannien oder in Frankreich –, als auch in Deutschland. Die Sozialwissenschaften konstatieren verschärfte Strukturen sozialer Ungleichheit. Die Erfolge rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen in Europa provozieren die Frage, inwiefern sie als Effekt einer grundlegenden gesellschaftlichen Spaltung und einer wachsenden Ignoranz der "liberalen Eliten" gegenüber den "popularen Klassen" begriffen werden müssen. Autobiographien von Bildungsaufsteiger*innen aus der Arbeiterklasse erfahren eine erstaunliche Popularität und werden in den Feuilletons und Kulturzeitschriften intensiv besprochen: Annie Ernaux, Didier Eribon und Edouard Louis in Frankreich, J.D.Vance, Sarah Smarsh und Tara Westover in den USA sowie die deutschen Ableger des Genres wie Christian Baron ("Ein Mann seiner Klasse") oder Daniela Dröscher ("Zeige deine Klasse").
Das Institutskolloquium des LUI im Sommersemester 2021 beschäftigt sich mit alten und neuen Analyseperspektiven auf soziale Klasse und soziale Ungleichheit. Es blickt zurück in die Fachgeschichte der EKW, um die Konjunkturen der Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex zu beleuchten – und es vermittelt einen Überblick über kulturwissenschaftliche Forschungsprojekte und Forschungstendenzen in der Gegenwart. Dabei geht es um Aufsteiger*innenbiographien, um den Nutzen des Klassismusbegriffs, um mediale Diskurse über soziale Klasse und sozialen Protest am Beispiel der "gilets jaunes" in Frankreich, um Klassen- und Identitätspolitiken in den USA, um die "common people" als Adressaten populistischer Politik, um Prekarisierungs- und Armutsphänomene. Und es geht grundsätzlich immer wieder um die Frage, welche Rolle soziale Klasse als Analysekategorie heute spielt.