Suburbanisierung am Beispiel Leipzig


Großkugel – Beispiel einer gescheiterten Wohnsuburbanisierung im Großraum Leipzig

Großkugel ist ein Ortsteil der Gemeinde Kabelsketal zwischen Leipzig und Halle in Sachsen-Anhalt, unmittelbar an der Landesgrenze zu Sachsen. Nordöstlich liegt das Schkeuditzer Kreuz der Autobahnen A9 und A14, das älteste Autobahnkreuz Europas. Durch die gute PKW-Anbindung an die beiden Städte Leipzig und Halle ist Großkugel ein beliebter Standort der Logistikbranche. Großkugel hat 2380 Einwohner und ist sorbischen Ursprungs. Dieses Thema wird in Bautzen wieder aufgegriffen. Der Name „Großkugel“ leitet sich von der Dorfstruktur ab, die einem nach Osten geöffneten Rundling gleicht.

Die Stadt ist ein Beispiel des typischen Wandels einer Gemeinde in den neunziger Jahren – der Wohnsuburbanisierung. Im Gegensatz zu den alten Bundesländern blieben Suburbanisierungsprozesse bis 1989 aus und der Großteil der Wohnortwechsel war vor der Wende durch den Bau von Großwohnanlagen in der Nachkriegszeit auf die Städte ausgerichtet. Nach der Wiedervereinigung kam es zu einer nachholenden Suburbanisierung mit einer zeitweisen sehr hohen Dynamik. Dies lag an den politischen Förderungen, die zu einem Überangebot an neuem Wohnraum im suburbanen Raum führten. Dies wird auch als „künstlich induzierte Sonderform der Suburbanisierung“ (Aring; Herfert 2001, S. 48). Ab 1997/1998 verlangsamt sich diese Abwanderungswelle wieder (Siedhoff 2020, S. 283, 288).

Großkugel ist geprägt von alten Dorfkernen sowie umfangreichen Neubaugebieten. Letztere wurden nach der Wende eher ungeplant entwickelt. Allerdings hat die tatsächliche Bevölkerungsentwicklung die Erwartungen weit untertroffen. Problematisch ist, wie wir auf der Exkursion sehen konnten, dass die Neubaugebiete vorwiegend in mehrgeschossigen Wohnungen realisiert wurden. Für viele Menschen war ein Motiv aufs Land zu ziehen, sich den Traum eines Einfamilienhauses zu verwirklichen. So konnte man in Großkugel beobachten, wie der Suburbanisierungsprozess mehr und mehr „scheitert“. Außerdem ist erkennbar, dass „eingeschränkte Möglichkeitsstrukturen, fehlende Teilhabe am sozialen, kulturellen und politischen Leben und Entgrenzung im engen Wechselverhältnis zu einander stehen können“ (Montanari et al. 2013, S. 115). Durch die Verteilung der Arbeitsorte und Versorgungszielorte der Einwohner dispers in der Region ist das Pendeln in Großkugel von großer Bedeutung. Daraus entsteht eine schwache Infrastruktur in Großkugel, deren ÖPNV-Verbindung und Einkaufsmöglichkeiten hinter den Möglichkeiten zurückbleibt. Auf der Exkursion konnten wir auch beobachten, dass der Fluglärm durch die Nähe zum Flughafen Leipzig/Halle sehr einschränkend ist. So haben sich die Hoffnungen für Großkugel, sich zu einer neue Suburbanisierungsmöglichkeit und Wohnort eine jüngere Bevölkerung zu entwickeln, nicht verwirklicht.

 

Nova Eventis – Einzelhandelssuburbanisierung im Großraum Leipzig am Standort Güthersdorf

Einzelhandelsstandorte haben für die Versorgung eine prägende Bedeutung. Unmittelbar nach der Wiedervereinigung kommt es zur Einzelhandelssuburbanisierung. In der DDR befanden sich alle Non-Food-Ladengeschäfte in den Stadtzentren, so dass sich keine Einkaufsstandorte am Stadtrand befanden (Kulke 2020, S. 164). Nach der Wiedervereinigung kam es zu einer Transformation: vor allem westdeutsche Einzelhandelsketten und Filialisten übernahmen zahlreiche Einheiten in der ehemaligen DDR. So wurden große Waren- und Kaufhäuser modernisiert oder Fach- und Verbrauchermärkte teilweise in Traglufthallen oder leeren Gewerbegebäuden neu errichtet (ebd.). Am Stadtrand wurde aufgrund von unklaren Eigentumslagen oder baurechtlichen Lücken überwiegend neu angesiedelt. Dadurch entstehen neue Einzelhandelsmärkte, wie beispielsweise der Saalepark zwischen Leipzig und Halle in der Gemeinde Günthersdorf, der auf einer vorher landwirtschaftlich genutzten Fläche von 500 Hektar komplett neu gebaut wird. Ankermieter wie C&A oder die Möbelhäuser IKEA und Höffner sorgen für Grundfrequenzen. Nach dem Umbau in den Jahren 2003 und 2004 wurde der Saalepark in Nova Eventis umbenannt – der Name suggeriert bereits die Intention, die mit solchen Shopping-Centern versucht wird zu erreichen: Erlebniswelten mit Eventcharakter. So gibt es hier beispielsweise eine Wasserlandschaft, die im Winter als Eisbahn genutzt wird, einen Skater-Parcours, eine Kletterwand, ein Kino, einen Foodcourt und „das verrückte Haus“. Letzteres ist ein Haus, das auf den Kopf gestellt wurde. Im Impressionsfilm zur Exkursion können Sie das Haus sehen.

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​Neue Messe – Gewerbesuburbanisierung im Großraum Leipzig

Leipzig gehört mit einer fast 1000-jährigen Tradition zu den ältesten Messestandorten der Welt. Früher fanden die Warenmessen in der Leipziger Innenstadt statt, da Leipzig an den Handelswegen Via Regia und Via Imperii lag, die den Fernhandel begünstigen. Nach 1895 öffnet aus Platzmangel die Alte Messe. Das alte Messegelände unweit des Völkerschlachtdenkmals haben wir auf der Exkursion auch besucht. Seit 1996 öffnet die Leipziger Messe im Norden. Die neue Messe in Leipzig war eines der größten Anbauprojekte im Osten Deutschlands. Sie besteht aus einer großen Glashalle sowie fünf Messehallen und einem Kongresszentrum.

Es handelt sich hier um ein typisches Beispiel einer Gewerbesuburbanisierung. Darunter versteht man die Wanderung von Unternehmen und damit Arbeitsplätzen aus der Kernstadt in das Umland. Diese Prozesse können auch bei der Ansiedlung der Automobilunternehmen BMW und Porsche sowie bei der Lage des Güterverkehrszentrums sowie des Flughafens Leipzig/Halle beobachtet werden. Ein wichtiger Standortfaktor ist das Erreichbarkeitskriterium, das bei den letzten fünf genannten Standorten durch die Nähe zur Autobahn und des Leipziger Flughafens realisiert wird. Weitere pull-Faktoren sind zum Beispiel die wenigen Flächenbegrenzungen. Push-Faktoren, die Unternehmen aus den Kernstädten herausdrängen können unklare Eigentumsverhältnisse, steigende Mietpreise oder unzureichende Verkehrsbindungen sein. Im Falle der Leipziger Messe kann man die Verlagerung der Ausstellungsmöglichkeiten auch noch heute nachvollziehen. Zunächst wurden die Messen in der Leipziger Innenstadt in aufwendig gestalteten Gebäuden und Höfen abgehalten. Doch mit der Einführung der Mustermessen waren diese Standorte nicht mehr den Anforderungen und Besucherzahlen gewachsen. Aus diesem Grund wurde das Messegebiet vor die Stadt in großen Hallen verlegt und nach einem erneuten Umzug mit der Neuen Messe modernisiert.

 

Güterverkehrszentrum Leipzig

In einem Güterverkehrszentrum werden Güter aus unterschiedlichen Verkehrsträgern umgeladen sowie für Transportfahrten vorbereitet und zusammengestellt. Sie bilden somit Schnittstellen der verschiedenen Verkehrsträger und liegen idealerweise in der Nähe von Ballungsräumen. Die Logistik ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor, da unternehmerische Flexibilität und Arbeitsteiligkeit moderne und innovative Logistikstrukturen erfordern. In Leipzig liegt das Güterverkehrszentrum nordwestlich von Leipzig nahe dem Schkeuditzer Kreuz zwischen der A9 (München – Berlin) sowie der A14 (Dresden – Magdeburg). Hier gibt es eine Intermodalität zwischen Straße, Schiene und Luftverkehr. Ein eigener Gleisanschluss inklusive Containerdepot sind sehr vorteilhaft für die schnelle Abwicklung. Durch die Nähe zu vielen angesiedelten Unternehmen finden Synergieeffekte statt. In Leipzig gibt es eine überdurchschnittlich hohe Logistikintensität.

 

Literaturverzeichnis:

  • Aring, J.; Herfert, G. (2001): Neue Muster der Wohnsuburbanisierung. In: Brake, K.; Dangschat, J.; Herfert, G. (Hrsg.): Suburbanisierung in Deutschland: Aktuelle Tendenzen. Opladen: Leske + Budrich, S. 43-57.
  • Kulke, E. (2020): Zentralisierung, Suburbanisierung und Filialisierung. Zur Entwicklung des Einzelhandels in Ostdeutschland. In: Becker, S.; Naumann, M. (Hrsg.): Regionalentwicklung in Ostdeutschland. Dynamiken, Perspektiven und der Beitrag der Humangeographie.
  • Montanari, G.; Wiest, K.; Wörmer, S. (2013): Die Entgrenzung von Arbeit und die Transformation raumbezogener Orientierungen – Eine Annäherung in der Region Halle/Leipzig. In: Geographica Helvetica 68(2).
  • Siedhoff, M. (2020): Vorzeichenwechsel der Stadtentwicklung in Ostdeutschland nach 1989. In: Becker, S.; Naumann, M. (Hrsg.): Regionalentwicklung in Ostdeutschland. Dynamiken, Perspektiven und der Beitrag der Humangeographie.