Institut für die Kulturen des Alten Orients

Qarâna

Qarara liegt in Mittelägypten, ca. 10 km nördlich von el-Kom el-Ahmar/ Šaruna.

Der Ort ist zusammen mit Antinoopolis und Achmim als einer der ersten spätantiken Friedhöfen, die das Objekt großangelegter Ausgrabungen waren, in die Forschungsgeschichte eingegangen. In den Jahren 1913 und 1914 wurden unter der Leitung von Hermann Ranke Untersuchungen in den ausgedehnten Friedhöfen von Qarara durchgeführt, die dazugehörige Siedlung wurde nur kurz sondiert. Die Fundausbeute, vor allem das Textilmaterial, fiel nicht so reich aus wie in Antinoopolis und Achmim, wurde aber, im Gegensatz zu diesen zwei Orten, nicht verstreut und gelangte zu einem großen Teil nach Freiburg und Heidelberg.

Danach fand der Platz bis zum Ende des letzten Jahrhunderts keinerlei Interesse mehr in der Forschung. Infolge von Baumaßnahmen auf dem Dorfplatz führte die ägyptische Altertümerverwaltung einige Sondierungen durch: Teile eines anepigraphen Tempels, der wahrscheinlich zwischen der Dritten Zwischenzeit und der ptolemäischen Zeit gebaut wurde, ein Tierfriedhof und schließlich römische und koptische Gräber wurden freigelegt.

Die Wiederaufnahme der archäologischen Untersuchungen in Qarara erfolgt im Rahmen eines Projekts, dessen Ziel es ist, den Siedlungsraum zwischen el-Kom el-Ahmar/ Šaruna und Qarara/Qasr el-Banat bzw. Aulad es-Sheikh in seiner Kontinuität unter chronologischen, wirtschaftlichen sowie topographischen Aspekten zu dokumentieren. Ausgangspunkt ist der Siedlungskomplex von el-Kom el-Ahmar/Šaruna, der archäologisch und historisch genauer erforscht ist. Die bisher identifizierten Fundstellen datieren vom Alten Reich bis zur spätrömisch-byzantinischen Zeit. Die Denkmäler all dieser Fundstellen sind durch Plünderung sowie die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzflächen stark gefährdet, so dass die Untersuchungen dringend notwendig sind. In einem ersten Schritt wurde 2003 und 2008 ein Survey bis nach Qasr el-Banat im Norden und Maghayir el-Hib im Süden unternommen.

Zielsetzung der Forschung in Qarara ist die Klärung der Befundverhältnisse und chronologischen Beziehungen zwischen Friedhof und Siedlungsstrukturen. In den Jahren 2008 und 2009 wurden im Siedlungsareal und im Friedhof an Stellen, die für die obige Fragestellung relevant erschienen, Sondierungen durchgeführt. Ein geologisches Unternehmen mit dem Ziel, die ursprüngliche Topographie des Geländes bis zum Nil zu klären, wird parallel durchgeführt. In der Siedlung wurde eine 20 x 25 m² große Fläche freigelegt, um deren Strukturen und Umfang chronologisch und funktionell zu erfassen (Abb. 2).

Die Bauten sind zum großen Teil unmittelbar über der Friedhofsschicht errichtet und weisen mehrere Phasen auf. Befunde und Funde erlauben bis jetzt keine definitive Aussage über die Nutzung der Gebäude. Einzig verschiedene Vorratsvorrichtungen und dicke Mistschichten deuten auf bäuerliche Kleinwirtschaft und Viehhaltung. Zahlreiche Grabräubergruben sind im ganzen Siedlungsbereich abgetieft worden; sie reichen bis zum gewachsenen Boden und zerstören die Schichtabfolge von Bebauung und Friedhof. Deswegen sind Gräber bisher nur selten in situ vorgefunden worden (Abb. 3), und das verworfene Fundmaterial ist stratigraphisch nicht mehr einzuordnen. Das bislang im Grabungsareal untersuchte archäologische und numismatische Material erlaubt aber eine chronologische Einordnung in das 4. bis 9. Jahrhundert, noch vor 850 n. Chr. wurde der Ort wahrscheinlich verlassen.

Der antike Friedhof erstreckt sich heute über eine Fläche von ca. 450 x 350 m², ursprünglich war er doppelt so groß (Abb. 4, Abb. 5). Schon Ranke fand ihn von Grund auf geplündert vor. Die meisten Gräber gehören der spätrömisch-byzantinischen Zeit an, einige wenige auch der Spätzeit, der ptolemäischen und römischen Zeit. Die allgemeine Chronologie und Topographie des sehr weitläufigen Friedhofs können beim jetzigen Forschungsstand nicht genau geklärt werden; dies wird die Aufgabe der nächsten Grabungskampagnen sein.

 

Projektleitung:

Béatrice Huber (beatrice.huberspam prevention@uni-tuebingen.de)

Institut für die Kulturen des alten Orients (IANES)
Abteilung für Ägyptologie Universität Tübingen
Schloss Hohentübingen
72070 Tübingen