Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft

LUI/TVV-Newsletter 95 - November 2024

 

Herzlich willkommen zum neuen LUI-Newsletter im Herbst 2024. Wir wünschen Ihnen viel Freude mit all den spannenden Nachrichten aus dem Institut und laden Sie herzlich ein zu allen angekündigten Veranstaltungen, seien sie im LUI, in der Stadt oder in der Region.

I. INSTITUTSNEWS

Im Rahmen eines Festakts in der Neuen Aula wurde kürzlich Prof. Dr. Hubert Klausmann, der langjährige Leiter der Tübinger Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland“ des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft verabschiedet. Im Beisein von Ministerpräsident Winfried Kretschmann wurde zudem die Wiedereröffnung der Arbeitsstelle gefeiert. Anlässlich der Feierlichkeiten im Großen Senat sagte der Ministerpräsident: „Unsere Sprache ist so vielfältig wie das Leben, und genau so soll es bleiben. Prof. Dr. Hubert Klausmann hat sich unermüdlich dafür eingesetzt, das Bewusstsein für diese sprachliche Vielfalt zu schärfen. Seine jahrzehntelange Arbeit hat die Erforschung und Dokumentation der Dialekte im Südwesten entscheidend geprägt. Mit seinem Ausscheiden verliert die Dialektforschung einen herausragenden Wissenschaftler. Ich bin mir aber sicher: Die Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland“ und das Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft werden seinen Weg fortsetzen.“ Die Zukunft der Arbeitsstelle konnte durch zwei feste Stelle gesichert werden – fortan werden Valeska Flor und Julia Braun die Geschicke der Einrichtung mit kulturwissenschaftlicher und linguistischer Expertise lenken. Die wissenschaftliche Leitung hat ab jetzt Thomas Thiemeyer inne. Zudem ist in 2024 ein wissenschaftlicher Beirat eingesetzt worden. Folgende Personen sind Teil des Board: Prof. Dr. Helen Christen (Fribourg/CH), langjährige Präsidentin der Internationalen Dialektologie des Deutschen, Prof. Dr. Rüdiger Harnisch (Passau), ehemals Lehrstuhl-Inhaber für deutsche Sprachwissenschaft, Prof. Dr. Hubert Klausmann (Tübingen/Breisach), Prof Dr. Reinhard Johler (Tübingen).

Im September erschienen ist die Dissertation von Helen Franziska Veit, die von Monique Scheer und Thomas Thiemeyer am LUI betreut wurde. Die Arbeit erkundete die in den letzten Jahren vielfach hörbaren Forderungen nach verbesserten, ‚positiven Fehlerkulturen‘ und der Enttabuisierung von Misserfolgen. Dabei steht das relativ neue Phänomen sogenannter „Fuckup Nights“ - Vortragsreihen, bei denen Gescheiterte auf der Bühne über ihre Niederlagen sprechen - im Fokus, die inzwischen sogar vereinzelt mit kirchlichen und politischen Vertreter:innen stattfinden. Die ethnographische Untersuchung der Veranstaltungen legt dar, wie Scheitern unter den Bedingungen des Events als normatives Deutungsmuster und kulturelle Praktik reproduziert und transformiert wird. Über die Nomos E-library ist die Publikation über viele universitäre Bibliotheksserver (VPN) vollständig frei zugänglich. Franziska Veit ist aktuell Postdoktorandin am LUI. Scheitern zwischen Stigma und Show. Performative und emotionale Praktiken des Umgangs mit Misserfolg im Event-Formathttps://www.nomos-shop.de/de/p/scheitern-zwischen-stigma-und-show-gr-978-3-7560-1537-5

Ebenfalls erschienen ist Raphael Reichels Dissertation mit dem Titel „Männerparadies. Deutsche Rentner in Thailand zwischen Nostalgie und Stigma“. Aus dem Klappentext: Sie hoffen auf ein Paradies unter Palmen: Tausende deutsche Männer verbringen ihren Ruhestand dauerhaft in Thailand. Doch ihr Ruf ist alles andere als schmeichelhaft – oft gelten sie als rücksichtslose Sextouristen oder unkultivierte Machos. Auf der Grundlage intensiver Feldforschung beleuchtet Raphael Reichel den Alltag dieser Rentner und fragt, was sie in Thailand suchen und finden. Im Spannungsfeld von Nähe und Distanz macht er die tieferen Beweggründe hinter ihrer Auswanderung sichtbar: Er analysiert, wie sie ihre Beziehungen zu thailändischen Frauen rechtfertigen, und zeichnet ein facettenreiches Bild von Nostalgie, Stigma und beschädigter Männlichkeit. Als erste umfassende Ethnographie im deutschsprachigen Raum erkundet Männerparadies ein heikles Feld und hinterfragt gängige Erklärungen für die Ruhesitzmigration westlicher Rentner nach Thailand. Raphael Reichel promovierte am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen und war Mitarbeiter von Reinhard Johler. Hier der Link zur Verlagsseite: www.transcript-verlag.de/author/reichel-raphael-320034702/.

Das Institutskolloquium hat dieses Semester „Sex – Macht – Arbeit: Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf sexuelle Körperpraktiken, Ökonomien und Diskursverschiebungen“ im Programm: Geschlechterstudien sind seit den 1980er-Jahren fest im Fach verankert. Die Entwicklungen der dgekw-Kommission zeigen dabei eine klare Verschiebung der Forschungsthemen: Ausgehend von der „Frauenforschung“ in den 80ern über die „Frauen- und Geschlechterforschung“ um die Jahrtausendwende bis hin zur „Geschlechterforschung und Queeren Anthropologie“ im letzten Jahr. Heute umfasst das Themenfeld weit mehr als Frauen*- oder reine Gender-Themen und bezieht Sexualitäten, Körper, sexuelle Praktiken und Szenen mit ein – Aspekte, die besonders in den letzten Jahren verstärkt in empirischen Kulturwissenschaften erforscht wurden. Aktuelle Studien zu sexuellen Körperpraktiken, Sexarbeit oder Pornografie durchbrechen dabei gesellschaftliche Tabus und öffnen neue Forschungsfelder. Diese Bereiche sind eng mit Kategorien wie Macht, Arbeit, Care, Gender, Sexualität, Gewalt, Moral, Performanz und Emotionen verwoben und unterliegen vielfältigen soziokulturellen Bedeutungen. Das Institutskolloquium wird diese Themen in verschiedenen Gastvorträgen beleuchten und zur Diskussion einladen.

Auch in diesem Wintersemester findet immer mittwochs von 18 bis 20 Uhr das mittlerweile 4. Online-Kolloquium „Kultur als Beruf. Berufsfeldkolloquium Empirische Kulturwissenschaft“ des Ständigen Ausschusses für Studium und Lehre der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft (DGEKW) statt. In welchen Berufsfeldern arbeiten Absolvent:innen der Empirischen Kulturwissenschaft, Europäischen Ethnologie, Volkskunde, Kulturanthropologie? Wie bereitet das Studium auf die verschiedensten Arbeitsgebiete vor und welche Kompetenzen bringen Studierende mit? Was sind die Erwartungen unserer Studierenden an ein berufsfeldorientiertes Studium? Wie sehen Arbeitsalltage von Kulturwissenschaftler:innen in den Medien, in der Kulturvermittlung oder in politischen Feldern aus? Unter anderem diesen Fragen widmet sich dieses standortübergreifende Online-Kolloquium, das u.a. von Gesa Ingendahl gemeinsam mit Kolleg:innen aus von diversen anderen Instituten des Fachs ausrichtet wird. Zu weiteren Informationen und dem Zoom-Link kommen Sie über die Seite: https://dgekw.de/studium/veranstaltungsreihen/.

Ein Zeichen gegen Populismus – Release der CHAPTER App 
Im Oktober wurde die CHAPTER-App aus dem Forschungsprojekt „Challenging Populist Truth-Making in Europe“ fertiggestellt und veröffentlicht. Die App, die bereits in App-Stores heruntergeladen werden kann, bietet alternative, digitale Touren durch die „Berlin Global“ Ausstellung im Humboldt-Forum Berlin, für das Museum „Oskar Schindler Emaillefabrik“ in Krakau, und für das Museum of London. Mit interaktiven Aufgaben und geleitet von einer Social Media-Ästhetik führt die App zu unterschiedlichen Objekten im Museum und zeigt jungen User:innen, wie populistische Strategien im eigenen Alltag erkannt und hinterfragt werden können. Die von der VolkswagenStiftung geförderte App war mehrere Jahre in Arbeit und ist deshalb ein großer Meilenstein für das Projekt, an dem Pia Schramm und Christoph Bareither vom LUI sowie ein internationales Team beteiligt waren. Auch Studierende des LUI nahmen am ethnografischen Co-Design und der Verbesserung der App teil und haben ausgewählte Inhalte maßgeblich mitgestaltet.
Für mehr Informationen:
Christoph Bareither bei Deutschlandfunk Kultur: https://lnkd.in/eFjE2-5g 
Einführungsvideo zur App (auf Englisch): https://www.youtube.com/watch?v=P-58-i0XhxU 
Download Link: https://chapter.fluxguide.com/fluxguide/appstore

II. PERSONALIA

Tina Czada arbeitet seit Mai 2024 im Projekt „Dialekt und Du“ der Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland“ und entwickelt dort Unterrichtsmaterialien zur Förderung dialektaler und sprachlicher Vielfalt. An der Universität Augsburg promoviert sie zum Thema „Spracherleben von Dialektsprecher:innen aus Altbayern vor dem Hintergrund sprachlicher Ideologien, Praktiken und Strukturen“. Seit mehreren Jahren ist sie als Bildungsreferentin im Bereich Mehrsprachigkeit & Migration tätig.

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin bei Thomas Thiemeyer tritt Hanna Scheffold seit September 2024 die Nachfolge von Tim Schaffarczik an. Nach einem Bachelorstudium an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg absolvierte sie ihr Masterstudium bei uns am LUI mit der Profillinie Diversität und war Teil des Studienprojekts rund um die Ausstellung ‚Cyber and the City – Künstliche Intelligenz bewegt Tübingen‘. Ihre bisherigen Schwerpunkte umfassen Migration, Rassismus, Gender und Künstliche Intelligenz. Hanna hat die Fachkoordination des ‚Studium International‘ von Libuše Vepřek übernommen und wird künftig ab und zu den Instituts-Alltag für die Homepage fotografisch festhalten.

III. Termine der TVEKW

Bookshop for Christmas am Donnerstag, den 19. Dezember 2024, ab 18.15 Uhr
Wie jedes Jahr lädt die TVEKW zur unterhaltsam informativen Buchvorstellung neuer Publikationen aus dem vergangenen Jahr mit anschließendem Sonderverkauf zu Schnäppchenpreisen. Die Fachschaft der EKW lädt im Anschluss zur Weihnachtsfeier.

Sonderführung für TVEKW-Mitglieder durch die Ausstellung „Wellen der Zeit. 100 Jahre Radio im Südwesten“ am Freitag, den 10. Januar 2025 um 15 Uhr.
Treffpunkt ist am FilderStadtMuseum, Klingenstr. 19 in Bonlanden, 70794 Filderstadt. Die Mitglieder der TVEKW freuen sich auf eine Führung mit dem Stadtarchivar Nikolaus Back (LUI-Absolvent). Nähere Informationen zur Ausstellung finden Sie hier.

 

IV. PUBLIKATIONEN DES EKW-VERLAGS

Coming Soon: Studien- und Materialien Bd. 52 // Open Access

Ortrun Vödisch und Rebekka Schlee: Briefe aus der Vergangenheit – Einblicke in Lebenswelten und Identitätskonstruktionen um 1900
Historische Briefe erscheinen wie „Fetzen“ vergangener Gespräche, wie Fenster in frühere Lebenswelten. Dieser Band widmet sich in zwei Studien Briefbeständen aus dem Nachlass einer württembergischen Familie vom Beginn des 20. Jahrhunderts im Archiv der Alltagskultur des Ludwig-Uhland-Instituts. Ortrun Vödisch legt ihren Fokus auf die Briefkommunikation der schwäbischen Pfarrfamilie Schlipf mit dem Sohn Ernst, einem jungen Künstler. Sie beschreibt, wie das familiäre Netzwerk, von Erziehungsbemühungen bis zu Praktiken der Fürsorge, über das Medium Brief ausgehandelt und aufrechterhalten wird. Rebekka Schlee nimmt dagegen die Briefe und Fotografien der wohlhabenden Schweizer Migrantin Adrienne Piaget an den Künstler Ernst Schlipf in den Blick. Piaget war 1905 mit ihrem Mann nach Chile ausgewandert. Schlee spürt dem Selbstverständnis der jungen Frau nach und legt koloniale Denkmuster in den Briefen und beigelegten Fotografien frei. Im Anhang des Bandes befinden sich zahlreiche Transkripte der Originalbriefe.

V. LUI TERMINKALENDER

Donnerstag, 28.11.2024, 18 Uhr c.t. 
Vortrag im Rahmen des Institutskolloquiums – Maribel Graf (Tübingen): Die natürlichste Sache der Welt? Zur Bedeutung von sexuellem Begehren in ethischer Nicht-Monogamie.
Ort: LUI-Ausstellungsraum

Donnerstag, 12.12.2024, 18 Uhr c.t. 
Vortrag im Rahmen des Institutskolloquiums – Yeela Lahav-Raz (Be’er Scheva, Israel): Israeli Masculinity, Sex Work, and Consumerism (Online; Informationen finden Sie auf der Institutswebsite).
Ort: LUI-Ausstellungsraum und Online

Donnerstag, 19.12.2024, 18 Uhr c.t. 
Bookshop for Christmas und Winterfest der Fachschaft EKW
Ort: LUI-Ausstellungsraum

Donnerstag, 16.01.2025, 18 Uhr c.t. 
Vortrag im Rahmen des Institutskolloquiums – Damaris Müller (Freiburg): Wie sexy ist Sklaverei? Pornografie, Macht und Moral in Fangemeinschaften.
Ort: LUI-Ausstellungsraum

Donnerstag, 30.01.2025, 18 Uhr c.t. 
Vortrag im Rahmen des Institutskolloquiums – Ursula Probst (Berlin): Prekäre Freizügigkeiten. Sexarbeit im Kontext von Arbeitsmigration aus dem östlichen Europa.
Ort: LUI-Ausstellungsraum