28.02.2024
Stellungnahme des IfE zur Kentler-Studie 2024
Das Institut für Erziehungswissenschaft reagiert auf die im Februar veröffentliche Kentler-Studie der Universität Hildesheim
Stellungnahme des Tübinger Instituts für Erziehungswissenschaft zum Ergebnisbericht zu „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes“:
In einer am vergangenen Freitag vorgestellten Studie der Universität Hildesheim wurde herausgearbeitet, dass die Berliner Senatsverwaltung, insbesondere das Landesjugendamt Berlin, während der Heimreform der 1970er Jahre die Unterbringung männlicher Jugendlicher in Wohngemeinschaften und Pflegestellen bei pädosexuellen Männern nicht nur geduldet hat, sondern dass sie diese teilweise auch in Fallverantwortung der Senatsverwaltung initiiert und begleitet hat. Hierbei spielte das konzeptionelle und praktische Wirken des Sozialpädagogen Helmut Kentler eine zentrale Rolle.
Im Zusammenhang mit den Aktivitäten Kentlers und des Berliner Jugendamtes werden auch Mitglieder des Tübinger Instituts für Erziehungswissenschaft genannt. Sie haben die 1974 begonnene Einrichtung von sozialtherapeutischen Wohngruppen, die ab 1976 von Martin Bonhoeffer geleitet wurden, begleitet. Der Bericht legt nahe, dass zwischen dem wissenschaftlichen und praktischen Engagement der betreffenden Institutsmitglieder für eine grundlegende Reform des Heimwesens eine Verbindung besteht. Diese habe letztlich eine institutionell ermöglichte Form der sexualisierten Gewalt gegenüber Jugendlichen durch ihre wissenschaftlichen Arbeiten zur Heimreform indirekt legitimiert und auch tabuisiert.
Die Verantwortung, die auch die Erziehungswissenschaft hinsichtlich der Legitimierung und Tabuisierung von sexualisierter Gewalt trägt, wird seit längerem in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft diskutiert. Das Tübinger Institut für Erziehungswissenschaft sieht den Bedarf nach Aufklärung gleichfalls. Die Frage nach der möglichen Verantwortung einzelner ehemaliger Mitglieder des Instituts für die Geschehnisse sexualisierter Gewalt in den betreffenden Tübinger Jugendhilfeeinrichtungen ist und wird Gegenstand der weiteren wissenschaftlichen Aufarbeitung durch das Institut für Erziehungswissenschaft sein.
Das Tübinger Institut schließt sich damit den in der Studie formulierten Forderungen nach lückenloser Aufarbeitung und Klärung der institutionell-historischen und fachwissenschaftlich-systematischen Rolle der Erziehungswissenschaft wie auch des Tübinger Instituts an.
Ergebnisbericht „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes (Universität Hildesheim)
Kontakt:
Prof. Dr. Barbara Stauber (Direktorin)
Universität Tübingen
Institut für Erziehungswissenschaft
barbara.stauberspam prevention@uni-tuebingen.de
Thorsten Zachary (Geschäftsführer)
Universität Tübingen
Institut für Erziehungswissenschaft
thorsten.zacharyspam prevention@uni-tuebingen.de