Psychologisches Institut - Aktuell
09.12.2020
Förderung von Dr. Victor Mittelstädt im Eliteprogramm für Postdocs der Baden-Württemberg Stiftung (Arbeitsbereich Biologische Psychologie, Prof. Dr. Leuthold)
Automatische und kontrollierte Informationsverarbeitung in Konfliktsituation
Die Forschung von Dr. Mittelstädt wird mit mindestens 138.000 Euro im von der Baden-Württemberg Stiftung getragenen Eliteprogramm für Postdoktorandinnen und Postdoktoranden gefördert. Dieses Programm zielt auf die Unterstützung exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs und die Stärkung transnationaler Mobilität.
Tagtäglich sind Menschen einer riesigen Anzahl verschiedener Reize ausgesetzt. Doch dieser Vielzahl an zum Beispiel auditiven und visuellen Reizen wie der Ton einer Hupe oder die Farbe einer Ampel sind sie normalerweise in der Lage, genau jene Reize auszuwählen, welche für das Erreichen situationsabhängiger Handlungsziele notwendig sind. Um zielgerichtete motorische Handlungen ausführen zu können (zum Beispiel Bedienen das Betätigen der Bremse), müssen somit sensorische, kognitive und motorische Systeme koordiniert werden.
Ein zentrales Ziel der kognitiven Psychologie ist es zu verstehen, wie die in Zusammenhang mit der Informationsverarbeitung stehenden mentalen Prozesse ablaufen, um ein zu jeder Zeit adaptives Verhalten zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wird häufig die zeitliche Dauer einfacher Handlungen in experimentellen Konfliktsituationen mittels der Messung der Reaktionszeit (RZ) untersucht.
Die bisherigen Untersuchungen der RZ weisen darauf hin, dass insbesondere automatisch ablaufende Prozesse durch handlungsirrelevante Umweltreize ausgelöst werden und dadurch kontrolliert ablaufende Prozesse basierend auf handlungsrelevanten Umweltreizen beeinträchtigen können („RZ-Konflikteffekte“). Dabei ist derzeit jedoch noch unklar, welche Stufen der sensomotorischen Informationsverarbeitung daran beteiligt sind, wenn Menschen dem Einfluss irrelevanter Reize ausgesetzt sind.
Genauer gesagt ist nicht bekannt, ob automatische und kontrollierte Aktivierungsprozesse während a) modalitäts-spezifischen (frühen sensorischen, späten motorischen) Verarbeitungsstufen und/oder während b) einer zentralen, abstrakten (modalitätsunspezifischen) Verarbeitungsstufe interagieren.
Das übergeordnete Ziel dieses Projektes ist es deshalb, den Entstehungsort der beobachtbaren RZ-Konflikteffekte in Bezug auf diese Verarbeitungsstufen zu lokalisieren.
Um die spezielle zeitliche Dynamik der beteiligten Informationsverarbeitungsprozesse zu berücksichtigen, werden hierzu Vorhersagen eines kürzlich eingeführten mathematischen Modells berücksichtigt (Diffusion Model for Conflict tasks, Ulrich et al., 2015).
Die Spezifizierung und Erweiterung des Verständnisses der diesen Konflikteffekten zugrundeliegenden beteiligten mentalen Prozesse stellt einen wichtigen weiteren Schritt dar, um die Architektur des menschlichen Informationsverarbeitungssystems zu präzisieren. Dies verspricht ein besseres Verständnis darüber, wie es beispielsweise zur Ausführung impulsiver und unwillentlicher Handlungen kommen kann, wenn störende Reize nicht unterbunden werden können.
In gleicher Weise lässt sich mit einem solchen Wissen genauer spezifizieren, welche Prozesse im Alter oder durch die Einnahme von Medikamenten beeinträchtigt werden (zum Beispiel frühe sensorische oder späte motorische Prozesse).
Dem Verständnis der menschlichen Informationsverarbeitung kommt in einer zunehmend technologisierten Welt eine tragende Rolle zu. Beispielsweise müssen Beschränkungen der menschlichen Informationsverarbeitung bei der Entwicklung von Mensch-Maschine-Schnittstellen im Bereich der künstlichen Intelligenz berücksichtigt werden.
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