Dr. des. Barbara Leven
Vom wahren Sammeln: Über die kulturelle Praxis einer Leidenschaft. Privatsammler in der Zeit um 1900
Gegenstand des Dissertationsprojektes bilden bisher wenig beachtete Privatsammler um 1900, ihre Kollektionen und deren Bedeutung für Gesellschaft und Wissenschaften. Beleuchtet wird damit ein kulturelles Phänomen, das seine unzähligen Spuren in vielen Archiven, Museums- und Universitätsdepots hinterlassen hat. Notwendig erscheint diese Untersuchung, da sich die Forschung bisher vornehmlich sammelnden Institutionen und anerkannt wertvollen Sammlungen und/oder berühmten Sammlern gewidmet hat. Kollektionen von Privatsammlern, die diesem Kanon nicht entsprechen, werden lediglich als "narzisstisches und leicht frivoles Amüsement" (Krzysztof Pomian) betrachtet. Dem Typus des eher an der Peripherie der Wissenskultur agierenden Privatsammlers wird nicht selten wegen seiner kauzigen Eigenart "Misstrauen" und die "Überzeugung vom Unzeitgemäßen dieser Passion" (Walter Benjamin) entgegen gebracht.
Ausgegangen wird von der These, dass diese passionierten Privatsammler gerade wegen ihrer Exzentrik zur gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung beigetragen haben. Demzufolge schließt sich die Frage an, in welcher Form sie mit ihren Interessen in der Gesellschaft sowie im Kultur- und Wissenschaftsbetrieb vertreten waren, inwieweit sie versuchten, Einfluss auf diese zu nehmen und ihnen dies gelang. Gezeigt werden soll, dass nicht ausschließlich die Subjektivität des Privatsammlers und sein individuelles Gedächtnis bei seiner Kollektion im Vordergrund standen, sondern dass eine solche private Sammlung auch darüber hinaus auf gesellschaftlich, wissenschaftlich und künstlerisch relevante Positionen einer Zeit verweisen kann. Damit wird das Sammeln als kulturelle Praxis ins Blickfeld gerückt. Anhand zweier Sammler - Anton Maximilian Pachinger und Eduard Fuchs - und ihrer Kollektionen soll exemplarisch untersucht werden, wo und auf welche Weise sich passionierte Privatsammler um 1900 im damaligen kulturellen System einordneten und welches Gewicht sie und ihre Sammlungen für die kulturelle Verfasstheit der Gesellschaft hatten.
Kontakt: leven.barbara[at]yahoo.de