Institut für Soziologie

Akzeptanz und empfundene Legitimität von politisch beschlossenen Infektionsschutzmaßnahmen

Weitere Befunde aus dem BMAS-FIS-Projekt ‘Corona-Krise und berufliche Anerkennung’

Seit Pandemiebeginn ist die öffentliche Akzeptanz der staatlich geregelten Infektionsschutzmaßnahmen, die teilweise tief in den Alltag und das soziale Leben eingreifen, wichtige Basis zum Gelingen der Pandemiebekämpfung. Mit der Maxime, eine hohe Anzahl an Infektionen und daraus resultierende schwere oder gar tödliche Krankheitsverläufe und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, wurden erstmals seit Bestehen der Bundesrepbulik teils gravierende Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der individuellen Freiheiten verhängt.

Die Untersuchung dieser Fragen bildet einen Kernbestandteil des BMAS-FIS-Forschungsprojekts “Corona-Krise und berufliche Anerkennung”. Erste Ergebnisse auf Basis eines von uns im Februar und März 2021 durchgeführten Onlinesurveys dazu präsentierten wir bereits hier. Im Folgenden stellen wir weiterführende Ergebnisse dar. Die Stichprobe umfasst 3,102 Erwerbstätige und ist repräsentativ für die Erwerbsbevölkerung in Deutschland.

Unsere Erhebung wurde zwischen Mitte Februar und Anfang März 2021 durchgeführt, in einer Phase, die von vielen Seiten als zentral für die weiteren Entwicklungen des Jahres charakterisiert wurde. Einerseits sanken in den Vorwochen erstmals seit Monaten die Inzidenzen; andererseits stagnierte die Belegung der Intensivbetten auf hohem Niveau. Vor diesem Hintergrund forderten daher besonders IntensivmedizinerInnen und VirologInnen eine Verlängerung des Lockdowns, der auch einen Tag vor Beginn der Befragung um weitere Wochen verlängert wurde. Gleichzeitig wurden Schulöffnungen in Hoheit der Länder durchgeführt, was zu einer uneinheitlichen und teilweise unübersichtlichen Entwicklung in diesem Bereich in den Folgewochen führte. Wenige Tage nach Ende unserer Erhebung wurden weitere Öffnungsschritte beschlossen, die unter anderem mit dem Wunsch nach diesen Öffnungen durch eine Mehrheit der Bevölkerung begründet wurden.

In diesem zeitlichen Kontext stehen die Ergebnisse unserer fünften Newsletter-Ausgabe, in der wir untersuchen, ob sich eine Mehrheit der Bevölkerung für Öffnungen ausgesprochen hat, welche Maßnahmen Befragte unterstützen und inwiefern die bisherigen Maßnahmen als legitime Werkzeuge zur Pandemiebekämpfung angesehen wurden. Zudem analysieren wir, welche Auswirkungen berufliche Anerkennung auf die Akzeptanz politischer Infektionsschutzmaßnahmen hat. In Anknüpfung an die bisherigen Newsletterausgaben argumentieren wir, dass Personen, die von der Gesellschaft als Teil ihrer Berufsgruppe Wertschätzung erfahren, eher zu solidarischem Handeln bereit sein sollten: im Gegenzug für die erhaltende Anerkennung also eher bereit sind, Einschränkungen zu akzeptieren und zu befürworten.

Dabei gehen wir davon aus, dass das Vertrauen in Institutionen eine wesentliche Rolle spielt. Frühe Studien zeigen, dass das Vertrauen in Institutionen für eine ganze Reihe von politischen Haltungen, insbesondere in Hinblick auf die Infektionsschutzmaßnahmen während der Pandemie, eine hohe Bedeutung hat. Wir nehmen nun an, dass dieses Vertrauen wiederum in hohem Maße von der erfahrenen Wertschätzung, insbesondere seitens der politischen Akteure, abhängt. Wenn Menschen sich von Gesellschaft und Politik missachtet fühlen, dann können sie auch nicht davon ausgehen, dass gesellschaftliche Institutionen in ihrem Sinne handeln und werden ihnen daher auch nicht vertrauen. Dementsprechend sollte erfahrene Anerkennung das Vertrauen in Institutionen steigern, was sich wiederum positiv auf die Akzeptanz von Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens auswirken sollte.

Werden Freiheitseinschränkungen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens generell als gerechtfertigt wahrgenommen?

Auf diesen Annahmen aufbauend, schauen wir uns in einem ersten Schritt an, inwiefern die Befragten Einschränkungen in verschiedenen Bereichen der Freiheitsrechte einschätzen. Dabei fragen wir zum einen nach der Zustimmung zu konkreten Maßnahmen (beispielsweise der Schließung von Schulen oder die Beschränkung von Reisen), zum anderen nach der generell empfundenen Legitimität von Anti-Corona–Maßnahmen (zum Beispiel nach der Einschränkung „demokratischer Rechte“ allgemein). 

Diese Fragen knüpfen an die bereits im Verlauf des ersten Pandemiejahres lauter werdende Diskussion um die Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe an. Besonders (ausbleibende) Demonstrationsverbote im Sommer 2020 waren dabei Gegenstand öffentlicher Debatten. Zugleich wurde vermehrt der Begriff der "Pandemiemüdigkeit" verwendet, der darauf abzielte, dass BürgerInnen nicht mehr lange bereit sein würden, ihre persönlichen Freiheiten oder Lebensgewohnheit zum Wohle der Gemeinschaft hintanzustellen. Daher haben wir TeilnehmerInnen unsere Studie direkt danach gefragt, inwiefern sie solche Einschränkungen gerechtfertigt finden.

Wie Abbildung 1 verdeutlicht, findet eine knappe Mehrheit der Befragten generell eine Einschränkung von demokratischen Partizipationsrechten aus Infektionsschutzgründen in Ordnung - mindestens drei Viertel können solche eine Maßnahme zumindest teilweise nachvollziehen. Weniger eindeutig ist das Antwortverhalten zur Beurteilung der Einschränkung von Freiheitsrechten und Lebensgewohnheiten. Hier geben jeweils etwa 37 Prozent der Befragten an, dass solche Eingriffe zur Eindämmung der Pandemie für sie (eher) vertretbar seien. Etwa in gleicher Größenordnung bewegt sich der Anteil derer, die Freiheitseinschränkungen inakzeptabel finden. Etwas geringer fällt dieser Anteil bei den Einschränkungen von Lebensgewohnheiten aus (etwa 33 Prozent).

Welche Auswirkungen hat berufliche Anerkennung auf die empfundene Legitimität von generellen Freiheitseinschränkungen?

In erster Linie interessiert uns aber, ob eine höhere berufliche Anerkennung einen positiven Einfluss darauf hat, dass Eingriffe in demokratische Grundrechte, Freiheitsrechte und Lebensgewohnheiten eher als gerechtfertigt angesehen werden. Um diese Frage zu erörtern, betrachten wir wie schon in den vorherigen Ausgaben drei Dimensionen beruflicher Anerkennung: das derzeitig wahrgenommene Anerkennungsniveau, die Veränderung der gesellschaftlichen Anerkennung während der Pandemie und die berufliche Anerkennung durch politische Maßnahmen. Sowohl diese drei Variablen als auch die Akzeptanz von Schließungsmaßnahmen werden als Faktorscores dargestellt. Dabei handelt es sich um metrische Indikatoren, die sich aus der Antwortkonstellation der jeweiligen Fragebatterien ergeben. Ein hoher Wert bedeutet demnach ein hohes Maß an Akzeptanz von Maßnahmen bzw. ein hohes Maß an beruflicher Anerkennung.

Um unsere Ausgangsüberlegungen und die verbundene Argumentation eines positiven Effekt von beruflicher Anerkennung auf die empfundene Legitimität von Rechtseinschränkungen durch ein erhöhtes Institutionenvertrauen zu prüfen, berechnen wir vier verschiedene Modelle, die schrittweise aufgebaut sind.

Im ersten Modell (orange) handelt es sich lediglich um eine bivariate Regression, in welche die Anerkennungsdimension als einzige unabhängige Variable zur Erklärung der empfundenen Legitimität der Einschränkung von Rechtsbereichen zu Rate gezogen wird. 

In einem zweiten Schritt wird dieses Basismodell um mehrere soziodemographische und ökonomische Variablen erweitert, um zu überprüfen, ob der Effekt der beruflichen Anerkennung auf die berichtete Legitimität der Rechtseinschränkungen auch nach Hinzunahme dieser zusätzlichen Variablen Bestand hat und signifikant bleibt. Unter diese Kontrollvariablen fallen neben dem Alter, Geschlecht und der Herkunft aus Ost- oder Westdeutschland die Berufsgruppe, die Anzahl der Bildungsjahre, der Status der Systemrelevanz der eigenen Tätigkeit, die Art des Beschäftigungsverhältnisses, die eigene Branche, die berufliche Stellung sowie eine mögliche Arbeitszeitveränderung während der Pandemie (Modell 2, grün).

Modell 3 (blau) erweitert Modell 2 um Variablen zur Einschätzung der eigenen Gesundheit und psychischen Belastung. Dazu zählen die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe, eine überstandene Infektion, die Angst vor einer eigenen Infektion oder vor der Infektion einer Person im sozialen Umfeld, eine mögliche Belastung durch Infektionsschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz sowie persönliche Belastungen durch Einschränkung von Freiheitsrechten und Kontaktbeschränkungen.

In einem letzten Schritt integriert Modell 4 (lila) zusätzlich noch das Vertrauen in verschiedene Institutionen: in die Bundesregierung, in den Bundestag, in die Politik allgemein, in die Parteien sowie in die Wissenschaft. Dies folgt der eingangs erwähnten Argumentationslogik: Erfahrene Anerkennung durch politische Maßnahmen oder die Gesellschaft sollte sich positiv auf Institutionenvertrauen und somit positiv auf die empfundene Legitimität von Einschränkungen bestimmter Rechtsbereiche auswirken.

In der folgenden Abbildung sind die errechneten Koeffizienten der drei Anerkennungsdimensionen sowie die entsprechenden 95%-Konfidenzintervalle dargestellt.

In Abbildung 2 sind nun die Auswirkung der beruflichen Anerkennung auf die generelle Legitimität der Anti-Corona-Maßnahmen dargestellt. Auch hier verwenden wir einen Faktor, der die Zustimmung zu den Fragen nach der generellen Einschränkung der „demokratischen Rechte“, der „Freiheitsrechte“ und der „Lebensgewohnheiten“ zusammenfasst. Hierbei zeigt sich , dass alle drei Anerkennungsdimensionen einen recht deutlichen und statistisch signifikanten Effekt auf die Legitimitätsbeurteilung haben: Je stärker sich die Menschen in Ihrem Beruf durch die Gesellschaft und vor allem durch die Politik anerkannt fühlen, desto eher unterstützen sie die Infektionsschutzmaßnahmen. Auch eine erfahrene Anerkennungssteigerung wirkt sich in dieser Weise aus. 

Auch nach Kontrolle der sozioökonomischen Merkmale in Modell 2 (grün) bleiben diese Effekte stark und signifikant – sie können also nicht dadurch erklärt werden, dass vor allem Menschen in besserer sozioökonomischer Lage (die in der Regel mit höheren Anerkennungschancen verbunden ist), eher den ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens zustimmen. 

Modell 3 (blau) zeigt nun allerdings, dass die Zustimmung zu den Maßnahmen sehr deutlich von der wahrgenommenen Bedrohung durch das SARS-COV-2-Virus abhängt – und diese Bedrohungslage offensichtlich mit dem Niveau der erfahrenen Anerkennung korreliert. Alle Anerkennungseffekte werden geringer, was darauf hindeutet, dass Menschen, die in Berufen arbeiten, in denen sie höhere Anerkennung erfahren, auch weniger Bedrohungsrisiken wahrnehmen. Doch die Effekte der gesellschaftlichen Anerkennung und der Anerkennung durch die Politik bleiben bestehen: Jenseits der wahrgenommenen gesundheitlichen Bedrohung haben diese Anerkennungsdimensionen einen eigenständigen Effekt auf die Unterstützung der Infektionsschutzmaßnahmen.

Nach Kontrolle des Institutionenvertrauens (Modell 4, lila) wird der Effekt der gesellschaftlichen Anerkennung insignifikant und auch die Auswirkung der politischen Anerkennung geht stark zurück. Jenseits des Institutionenvertrauens übt die berufliche Anerkennung kaum einen eigenständigen Einfluss auf die Akzeptanz der Maßnahmen aus. Das entspricht der Erwartung, die in der Einleitung ausformuliert wurde. Nicht die berufliche Anerkennung per se hat einen positiven Effekt auf die empfundene Legitimität von ergriffenen Maßnahmen,  sondern ihr Beitrag zur Vertrauensbildung: Personen, die sich seitens der Gesellschaft und der Politik anerkannt fühlen, vertrauen den gesellschaftlichen Institutionen deutlich stärker, und dieses Vertrauen wiederum ist ausschlaggebend für die Akzeptanz der Maßnahmen.

Die Akzeptanz von Schließungen verschiedener Einrichtungen

Nachfolgend geht es nun um die empfundene Akzeptanz von konkreten Maßnahmen, die einen unmittelbaren Einfluss auf das Infektionsrisiko haben sollten, da sie die Kontakthäufigkeit mit anderen Menschen reduzieren.

Zunächst werfen wir einen Blick auf die Einstellungen der Befragten zu Schließungen verschiedener Einrichtungen des öffentlichen Lebens. Dabei konzentrieren wir uns auf die vier, die auch in der öffentlichen Diskussion vorwiegend genannt wurden: Kindergärten/Kindertagesstätten, Schulen, Gastronomie (Kneipen und Restaurants) sowie den Einzelhandel (ausgenommen sind hier Apotheken/Drogerien und Lebensmittelgeschäfte). Auf die Frage danach, ob sie eine Schließung dieser Einrichtungen zum Zweck des Infektionsschutzes richtig finden, konnten die Befragten ihre Einschätzung auf einer fünfstufigen Skala angeben.

Die Meinungstendenzen zur Schließung von Kindergärten, Schulen und Gastronomie ähneln sich (vgl. Abbildung 3). Jeweils zwischen 42 und 44 Prozent der Befragten geben an, dass sie Schließungen (eher) befürworten, wohingegen sich jeweils zwischen 31 und 34 Prozent der UmfrageteilnehmerInnen eher gegen Schließungen aussprechen. Angesichts dieser Ergebnisse lässt sich das Argument, dass eine Mehrheit der Bevölkerung Öffnungsschritte verlange, vorerst nicht halten. 

Allerdings war besonders die Öffnung des Einzelhandels zentraler Bestandteil aufgeladener öffentlicher Diskussionen, was sich wiederum im Antwortverhalten unserer Befragten abbildet. Knapp 31 Prozent befürworten diese Schließungen, während etwa 45 Prozent mit den Schließungen nicht einverstanden sind. In der Tat positionieren sich also mehr Person (eher) für Öffnungen als dagegen. Jedoch: Fast ein Viertel der Erwerbstätigen unserer Stichprobe zeigt sich in dieser Frage unentschlossen, weswegen also auch hier nicht davon gesprochen werden kann, dass eine Mehrheit Öffnungen (eher) bevorzugen würde.

Welche Auswirkungen hat die berufliche Anerkennung auf die Akzeptanz der Schließungen von öffentlichen Einrichtungen?

Auch an dieser Stelle gehen wir der Frage nach, ob eine höhere berufliche Anerkennung einen positiven Einfluss auf die Akzeptanz der Schließung von öffentlichen Einrichtungen hat. Wieder wurden die Antworten zu den vier Fragen zu einem gemeinsamen Faktor zusammengefasst und als abhängige Variable betrachtet. Die nachfolgende Abbildung folgt dem gleichen Schema wie zuvor: Die drei Dimensionen beruflicher Anerkennung werden jeweils entweder als einzige erklärende Variable (Modell 1, orange) oder im Zusammenspiel mit den sozio-ökonomischen Kontrollvariablen (Modell 2, grün), Gesundheits- und Belastungsindikatoren (Modell 3, blau) sowie dem Institutionenvertrauen (Modell 4, lila) verwendet.

Ein Blick auf Abbildung 4 ergibt ein völlig anderes Bild als noch Abbildung 2, in der es um die Auswirkungen beruflicher Anerkennung auf die empfundene Legitimität genereller Einschränkungen von Rechten ging. Die gesellschaftliche Anerkennung der Berufe und eine Veränderung der erfahrenen beruflichen Anerkennung spielen kaum eine Rolle. Zwar zweigen diese beiden Dimensionen der Anerkennung im Modell 1 noch einen knapp signifikanten Effekt, der verschwindet aber spätestens mit der Berücksichtigung der wahrgenommenen Bedrohung durch das Corona-Virus. Für die konkreten Schließungsmaßnahmen scheinen also die eigene sozioökonomische Position und gesundheitliche Risiken weit wichtiger zu sein als die erfahrene Anerkennung.

Allerdings spielt die erfahrene politische Anerkennung durchaus eine wichtige Rolle. Wer glaubt, dass seine Berufsgruppe bei der pandemischen Lage von der Politik übergangen worden ist, lehnt auch solche konkreten Maßnahmen eher ab - auch nach Kontrolle der sozioökonomischen Position und der gesundheitlichen Bedrohung. Aber auch hier spielt das Institutionenvertrauen die entscheidende Rolle: Eine wahrgenommene Nicht-Beachtung durch politische Maßnahmen beschädigt das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen, was die Akzeptanz der Maßnahmen deutlich beeinträchtigt.

Werden Freiheitseinschränkungen jenseits der Schließung von Einrichtungen befürwortet?

Besonders entlang der Einschränkung individueller Freiheiten - wie Auslands- und Inlandsreisen - sowie der Verpflichtung des Individuums zu bestimmten Geboten - wie Maskenpflicht und Pflicht zum Home-Office - entbrannten immer wieder Diskussionen. Daher stehen diese Diskussionspunkte auch im Zentrum unserer Fragen:

In Abbildung 5 sind die Antworten der Befragten abgebildet. Besonders die Einführung von Freiheitsbeschränkungen war in den Monaten vor der Befragung ein heiß diskutiertes Thema. In unseren Daten zeigt sich, dass es unter den Befragten weder eine klare Mehrheit für, noch gegen solche Einschränkungen gibt. 

Allerdings zeigt die Tendenz, dass sich ein etwas höherer Anteil der Befragten (eher) gegen Freiheitsbeschränkungen (38 Prozent) als (eher) dafür (32 Prozent) ausspricht. Sehr eindeutig wird hingegen eine Einschränkung von Auslandreisen befürwortet - fast drei Viertel der Stichprobe stimmen dieser Maßnahme (eher) zu. Nicht ganz so deutlich, aber in der Tendenz ähnlich, werden auch Verbote von Inlandsreisen (eher) befürwortet (45 Prozent) als abgelehnt (29 Prozent).

Hinsichtlich einer Ausweitung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum - wie sie stellenweise ohnehin schon galt - und einer Pflicht zum Arbeiten im Home-Office, die ebenfalls zwei Wochen vor Beginn der Befragung in abgeschwächter Form (Arbeitgeber mussten, sofern es die Möglichkeit dazu gab, die Arbeit im Home-Office anbieten) beschlossen wurde, zeigt sich wiederum ein relativ einheitliches Bild. Mit 62 Prozent (Maskenpflicht) bzw. 77 Prozent (Home-Office Pflicht) gab jeweils eine Mehrheit der Befragten an, eine solche Entscheidung (eher) zu begrüßen.

Welche Auswirkungen hat die berufliche Anerkennung auf die Akzeptanz von spezifischen Rechten?

Auch für diese Art politischer Maßnahmen blicken wir auf ihren Zusammenhang mit beruflicher Anerkennung. Wie zuvor wurden die Antworten auf die fünf obenstehenden Fragen in einem Faktorscore zusammengefasst und als abhängige Variable in linearen Regressionsmodellen verwendet. Im Folgenden sind die Ergebnisse dieser Berechnungen mit Blick auf den Einfluss beruflicher Anerkennung dargestellt. Wie auch schon in Abbildung 2 und 4 werden dazu die Koeffizienten der drei Anerkennungsvariablen sowie die entsprechenden 95%-Konfidenzintervalle graphisch dargestellt. Während Modell 1 (orange) den isolierten Effekt der jeweiligen Dimension beruflicher Anerkennung berechnet, werden in den weiteren Modellen jeweils Kontrollvariablen zu demographischen und sozioökonomischen Informationen (Modell 2, grün), zu Gesundheit und persönlicher Belastung (Modell 3, blau) sowie zum Institutionenvertrauen (Modell 4, lila) der Befragten berücksichtigt.

Abbildung 6 ähnelt stark Abbildung 4 (abhängige Variable war hier die Akzeptanz von Schließungen verschiedener Einrichtungen) und enthält die gleiche Grundbotschaft:

Die gesellschaftliche Anerkennung und eine wahrgenommene Steigerung der beruflichen Anerkennung spielen kaum eine Rolle. Wichtig ist insbesondere die Anerkennung durch die Politik, und zwar vor allem deshalb, weil sie das Vertrauen in die gesellschaftlichen Institutionen stärkt.

Fazit

In den bisherigen Newsletter-Ausgaben ging es insbesondere um Veränderungen im Berufsleben - sei es durch die Einteilung von Berufen anhand des Kriteriums der Systemrelevanz, die Veränderungen am Arbeitsplatz oder auch die berufliche Anerkennung - und die Akzeptanz von Infektionsschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz. Dieses Mal rückte die Akzeptanz politischer Infektionsschutzmaßnahmen in den Vordergrund, mit der Idee, dass auch hier die berufliche Anerkennung einen förderlichen Impuls für empfundene Akzeptanz und Legitimation politischer Entscheidungen setzt. 

Hierbei war die Vermutung im Vorhinein, dass berufliche Anerkennung das Institutionenvertrauen steigert, welches wiederum essentiell für die Akzeptanz politisch beschlossener Maßnahmen ist. Diese Annahme wurde für alle drei der hier Betrachteten Aspekte der Unterstützung der Coronamaßnahmen bestätigt.

Bei der Zustimmung zu den Anti-Corona-Maßnahmen lässt sich allerdings erstens eine Unterscheidung zwischen einer generellen Legitimität der Maßnahmen, die eher grundlegende Wertvorstellungen wie das Verlangen nach Freiheit und Grundrechten betrifft, und der Zustimmung zu eher praktischen Maßnahmen zur Reduktion des Infektionsrisikos wie Schließungen von Einrichtungen und Einschränkungen sozialer Kontakte vornehmen. 

Dies bedeutet konkret zweitens: Während die erfahrene Anerkennung der Berufe im Sinne einer als adäquat wahrgenommenen Berücksichtigung durch die Politik in allen drei Bereichen bedeutsam ist, spielt eine wahrgenommene Anerkennungssteigerung und eine erfahrene gesellschaftliche Anerkennung der Berufe nur für die „abstrakte“ Legitimitätsbeurteilung eine Rolle. Die Unterstützung konkreter Maßnahmen wie Schließungen oder Reisebeschränkungen hängt eher von der wahrgenommenen Bedrohung durch das SARS-COV-2-Virus ab.

Drittens kann konstatiert werden, dass die getroffenen Infektionsschutzmaßnahmen mehrheitlich auf Akzeptanz stoßen. Eine Mehrheit der Befragten hält bespielsweise auf einer generellen Ebene Einschränkungen demokratischer Freiheiten vertretbar, solange sie dem Infektionsschutz dienen. 

Bei generellen Freiheitsrechten sind die Anteile derer, die eine Einschränkung dieser Rechte legitim finden, und derer, die eine solche Einschränkung nicht gerechtfertigt finden, etwa gleich groß (jeweils etwa 37 Prozent). Bezüglich der Einschränkung von Lebensgewohnheiten sind die Befragten tendenziell eher der Meinung, dass Eingriffe seitens des Staates aus Infektionsschutzgründen gerechtfertigt sind (37 Prozent), als dass diese nicht gerechtfertigt sind (33 Prozent).

Hinsichtlich der Diskussionen um konkrete Öffnungen bzw. Schließungen von Einrichtungen ist es so, dass in der Tendenz die Schließungen von Kindergärten, Schulen und Gastronomie eher befürwortet als abgelehnt werden. Eine Ausnahme bildet der Einzelhandel, wobei sich auch hier keine Mehrheit der Erwerbsbevölkerung eindeutig gegen Schließungen positioniert. Damit lässt sich nicht - wie zum Teil von politischer Seite behauptet - belegen, dass eine Mehrheit der Erwerbsbevölkerung in der Phase zwischen Mitte Februar und Anfang März für Öffnungen plädiert hätte.

Die Akzeptanz der Einschränkungen von konkreten Freiheiten oder Verfügung von ebenso spezifischen Pflichten divergiert je nach Bezugspunkt. Stoßen Maskenpflicht im öffentlichen Raum, Verpflichtung zur Arbeit im Home-Office und das Verbot von Auslandsreisen weitgehend auf Akzeptanz als Infektionsschutzmaßnahme, sind sich die Befragten bei Freiheitsbeschränkungen uneins. In der Tendenz neigen sie jedoch eher dazu, diese abzulehnen.