Institut für Erziehungswissenschaft

Beschreibungen zu den Foren am 29.11.2019

 

Forum 1: Partizipation innerhalb der (Sozial-)Psychiatrie

Wie ist es derzeit bestellt um Partizipationsmöglichkeiten von betroffenen Menschen innerhalb und außerhalb des (sozial-)psychiatrischen Behandlungssystems? Welche Herausforderungen an die bestehenden institutionalisierten Angebotsstrukturen stellt die Beteiligung von betroffenen Menschen und inwiefern kann der „andere Blick“ zur kritischen Reflexionsfolie oder gar notwendigen Weiterentwicklung ebengenannter Angebote genutzt werden?
Das Forum möchte jene und weitere Fragen diskutieren und eruieren, weshalb Partizipation als notwendiger Kritikbegriff an bestehenden Verhältnissen begriffen werden kann. Sandro Bliemetsrieder, Josephina Schmidt und Athanasios Tsirikiotis von der Hochschule Esslingen haben zu der Frage der Partizipation in sozialpsychiatrischen Handlungsfeldern geforscht und werden einige Ergebnisse aus ihren Projekten vorstellen. Harald Metzger engagiert sich im Kontext des Landesverbands Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg e. V. zu Fragen der politischen Vertretung und Artikulation von Rechten psychiatrieerfahrener Menschen. Bärbel Nopper ist Mitinitiatorin der offenen Herberge e.V., ein Verein psychiatrieerfahrener Menschen, der neben einem selbstgeführten Angebot ambulant betreuten Wohnens, auch Begegnungs-, Selbsthilfe und EX-IN Ausbildungsangebote schafft. Gerd Keßler arbeitet als ausgebildeter EX-IN Begleiter und hat sich der Weiterbildung (sozial)psychiatrischer Fachkräfte respektive der Notwendigkeit der Einbeziehung der Erfahrungen von psychiatrieerfahrenen Menschen in der alltäglichen psychiatrischen Arbeit verschrieben.
Im Forum werden wir mit allen Beteiligten die oben angesprochenen Fragen diskutieren und versuchen, konkrete Ansatzpunkte für eine notwendige Verbesserung der Beteiligungschancen und -möglichkeiten zu benennen.

ReferentInnen:
Sandro Bliemetsrieder, Josephina Schmidt und Athanasios Tsirikiotis (Hochschule Esslingen)
Harald Metzger (Initiative Psychiatrieerfahrene, Stuttgart)
Bärbel Nopper (Offene Herberge e.V., Stuttgart)
Moderation: Petra Bauer und Moritz Puppel (IfE)

 

Forum 2: Empowerment und Antidiskriminierungsarbeit

Welche Möglichkeiten entstehen, welche Fallstricke bestehen, wenn sozialpädagogische Einrichtungen Selbstorganisation und deren mögliche Adressat_innen stärken möchten? Diese Frage möchten wir anhand konkreter Angebote und Praxis von adis e.V. Tübingen mit ihren Mitarbeiter_innen Maria Kechaja und Lean Haug diskutieren. Die Forumsteilnehmenden werden das adis-Angebot der Antidiskriminierungsberatung und Fortbildungen vorstellen, aber auch aus Projekten wie TALK (Empowerment für Jugendliche durch Rap und Tanz) und dem Café Trans (Community Angebot für trans Menschen) berichten. Zudem wird das Konzept des zukünftigen Projekts „Amplifying Voices“ vorgestellt, welches explizit die Förderung von Selbstorganisation in den Blick nimmt.

ReferentInnen:
Maria Kechaja und Lean Haug (adis e.V., Tübingen)
Moderation: Barbara Stauber und Barbara Schecher (IfE)

 

Forum 3: Ombudschaft in der Kinder- und Jugendhilfe

Für die Stärkung der Rechte und Beschwerdemöglichkeiten von Adressat*innen spielt Ombud-schaft seit etwa 15 Jahren eine zunehmend bedeutsame Rolle in der Kinder- und Jugendhilfe. Die bundesweiten Entwicklungen der Ombudschaft in der Jugendhilfe führten bislang dazu, dass im aktuell diskutierten Entwurf der SGB VIII-Reform Ombudschaft von nun an als ‚Kann-Regelung’ ihre gesetzliche Verankerung finden soll. Im Kontext der Leistungsgewährung und -erbringung insb. von Hilfen zur Erziehung wird in Baden-Württemberg seit ca. 13 Jahren ombud-schaftliche Beratung für Familien und junge Menschen angeboten.
Das Projekt Ombudschaft Jugendhilfe Baden-Württemberg hat seit Anfang 2017 daher den Auf-trag, ombudschaftliche Strukturen landesweit auf- und auszubauen. Einen Einblick in diese und zukünftige Entwicklungen wird Esther Peylo, die Leitung des Projekts Ombudschaft Jugendhilfe, im Forum bieten. Michaela Wurzel wird einen Einblick in Ihre ombudschaftliche Beratungsarbeit in der Ombudsstelle Südwürttemberg geben und dabei aufzeigen, wie, von wem und mit wel-chen Themen die Beratung angeboten und genutzt wird. Auf dieser Basis soll es im Forum darum gehen, diese Entwicklungen in ihren Chancen und Schwierigkeiten, nicht zuletzt für die Rechte und Beteiligung von Adressat*innen an Jugendhilfeprozessen, zu diskutieren.

ReferentInnen:
Esther Peylo (Projekt Ombudschaft Jugendhilfe, Baden-Württemberg)
Michaela Wurzel (Ombudsstelle Südwürttemberg)
Moderation: Sandra Landhäußer und Nina Wlassow (IfE)

 

Forum 4: Selbstorganisation organisieren!?

Soll Selbstorganisation von anderen unterstützt und ermöglicht werden oder wird dadurch gerade das Potential verkannt und die Stimme von Betroffen, die sich organisieren möchten, übergangen? Das Forum ‚Selbstorganisation organisieren!?‘ diskutiert, ob es sinnvoll ist, dass sogenannte ‚intermediäre Instanzen‘ – also Vertreter*innen und Institutionen, die Räume für Selbsthilfe eröffnen – Selbstorganisation ermöglichen und wie dies gelingen kann. Katharina Mangold unterstützt als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim den Careleaver e.V. in ihrer Vernetzung und Selbstvertretung auf Bundesebene. Barbara Herzog vom Sozialforum Tübingen bietet in Form einer Kontaktstelle für Selbsthilfe Unterstützung für unterschiedliche Selbsthilfegruppen und Initiativen an.
Gemeinsam mit den beiden Gästen möchten wir im Forum reflektieren, welche Herausforderungen in der Unterstützung von Selbstorganisation bestehen und welche Strategie sinnvoll erscheinen. Welche Möglichkeiten der Beteiligung können intermediäre Instanzen bieten und wie kann eine Partnerschaft zwischen Betroffenen, die für ihre Sache einstehen, und Unterstützungsinstanzen entwickelt werden? Im Forum werden dialogisch Erfahrungen über strukturelle Voraussetzungen sowie Rolle und Auftrag der intermediären Instanzen aufgegriffen und das Erleben von Betroffenen thematisiert.

ReferentInnen:
Katharina Mangold (Universität Hildesheim)
Barbara Herzog (Sozialforum Tübingen e. V.)
Moderation: Mirjana Zipperle und Karl Gschwind (IfE)

 

Forum 5: Selbstbestimmung in der Behindertenhilfe

Was können aktuelle Ansätze und Verfahren der Beteiligung und Mitbestimmung überhaupt leisten? Inwiefern gelingt es ihnen, Adressat*innen eine Stimme zu geben, diese auch zu hören und wirksam werden zu lassen? Was befähigt Menschen in schwierigen Situationen und belasteten Lebenslagen für sich selbst zu sprechen und sich selbst zu organisieren?
Vor diesem Hintergrund werden im Workshop zwei Projekte vorgestellt, die innovative Impulse zu geben versprechen: Judith Rapp und Steffen Kinbacher stellen die Arbeit des Vereins „46PLUS Down-Syndrom Stuttgart“ vor, der Familien dabei unterstützt, dass ihre Kinder mit Down-Syndrom aktiv und selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Durch Angebote wie Beratungen in Entbindungskliniken, Themenabenden, Krabbel-, Spiel- und Sportgruppen, versucht der Verein eine öffentliche Stimme und damit auch einen Abbau über bestehende Vorurteile und Berührungsängste rund um das Down-Syndrom zu schaffen.
Reiner Fritz von der BruderhausDiakonie Ermstal ist Bereichsleiter im Unterstützungszentrum Dettingen/ Metzingen, das Wohnen und Assistenz für Menschen mit Behinderung und Menschen mit psychischer Erkrankung anbietet. Gemäß dem Motto der Einrichtung „Teil haben. Teil sein“, bietet die BruderhausDiakonie in ganz Baden-Württemberg unterschiedlichste Wohnformen sowie Betreuungsmöglichkeiten an, die an die individuellen Bedürfnisse der Menschen anknüpfen und die Selbstbestimmung fördern.
Das Forum soll zu einem (kritischen) Dialog zwischen den Perspektiven von Selbstorganisationen und professionellen Perspektiven anregen. Leitend werden die Fragen sein, ob klare Abgrenzungen zwischen Selbstorganisation und Sozialer Arbeit fest zu machen sind und/ oder möglicherweise gemeinsame Ziele in der Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung manifestiert werden können.

ReferentInnen:
Judith Rapp und Steffen Kinbach (46PLUS Down-Syndrom Stuttgart e.V.)
Reiner Fritz (BruderhausDiakonie Behindertenhilfe, Ermstal)
Moderation: Eva Maria Lohner, Sina Yvonne Ziuber und Linda Stiefel (IfE)

 

Forum 6: Migrant*innenselbstorganisationen als Akteure der Kultur- und Bildungsarbeit

Seit den 1990er Jahren ist (wieder) eine vermehrte Gründung von Migrant*innenselbstorganisationen (MSO) in Deutschland zu verzeichnen. Parallel dazu lässt sich ein Interesse der Politik und Verwaltung konstatieren, diese Organisationen vermehrt in die sog. politische Interessenvermittlung und die Übernahme sozialstaatlicher Leistungen einzubeziehen. Eine steigende Relevanz haben hierbei Initiativen für Kinder, Jugendliche und Frauen sowie Aktivitäten in der Kultur- und Bildungsarbeit. Auch etablierte Träger der Sozialen Arbeit sind auf die Potentiale von MSO aufmerksam geworden, da sie als ideale Vermittler und Multiplikatoren den Zugang zu der Zielgruppe der Mirgant*innen zu ebnen versprechen. Doch die ungleiche Ressourcenverteilung und die häufig paternalistische Haltung in Kooperationsbeziehungen zwischen etablierten Trägern und MSO, aber auch die mangelnde Öffnung von Institutionen gegenüber lokalen MSO können als Hindernisse der Zusammenarbeit identifiziert werden.
Die Diskussion über Chancen und Hürden in der Zusammenarbeit von MSO und etablierten Trägern der Sozialen Arbeit steht im Zentrum dieses Forums. Um sich diesem Verhältnis zu nähern, möchten wir mit zwei Vertreter*innen von Bildungsprojekten ins Gespräch kommen, die sich zum Ziel gesetzt haben, durch die Vermittlung von Sprachkompetenzen für Kinder und Jugendliche das Zusammenleben und die gesellschaftliche Interaktion zu fördern. Wir fragen danach, welche Erfahrungen diese MSO in der Kooperation mit Wohlfahrtsorganisationen oder kommunalen Institutionen machen. Was versprechen sie sich von der Zusammenarbeit? Worin bestehen Schwierigkeiten? Oder woran scheitert sie sogar? Gibt es vielleicht konkrete Forderungen an die Träger, die Verwaltung oder die Politik? Aufbauend auf den Berichten und Erfahrungen aus diesen Projekten möchten wir im Forum so das Verhältnis von MSO und Sozialer Arbeit näher ausloten.

ReferentInnen:
Galina Lerner (dialog e.V. Integrations- und Bildungszentrum, Reutlingen)
Sabrina Fellous (FoedeM, Bildungsprojekt zur Förderung des deutschsprachigen Muslimseins)
Moderation: Christiane Bomert und Nils Klevermann (IfE)