Institut für Sportwissenschaft

22.11.2024

Meisterteam mit Traumaktion: Plötzlich ist die Mannschaftskasse wieder im Spiel

Mitte der 90er stellte die Universität Tübingen eine richtig starke Fußballmannschaft. Mit dem Deutschen Hochschul-Titel setzte sie sich 1994 die Krone auf, um dann auf Japan-Reise unter anderem Südkoreas Olympia-Team zu schlagen. Drei Jahrzehnte später leert sie für das Kinderhospiz die Mannschaftskasse.

Erst Vizemeister, dann Deutscher Hochschulmeister: So ein starkes Fußball-Team wie in den Jahren 1993 und 1994 hat die Uni Tübingen höchstens zu heißen Schlaghosenzeiten erlebt. Beim Titelgewinn 1970 unter anderem am Ball: der Schwabenpfeil Dieter Hoeneß und ein gewisser Rainer Willfeld. 

Wie sehr Geschichte verbindet, zeigte sich jetzt in der Länderspielpause, die für ein Wiedersehen nach 30 Jahren für die von Rainer Willfeld von 1993 bis 1996 an die Hand genommenen Spieler genau richtig kam. Die schönste Nachricht hob sich dabei der frühere Kirchentellinsfurter Torhüter Alexander Krist für das Schlusswort auf. Weil er nicht nur ein prima Keeper war, sondern auch ein cleverer Kerl ist, legte er eigenmächtig die Restgroschen aus der damaligen Mannschaftskasse in einen Aktienfonds. 

Drei Jahrzehnte später ist daraus ein satter Betrag geworden, der ausreicht, um für die versammelten Ehemaligen am Sportinstitut eine feine Feier zu finanzieren und darüber hinaus einen vierstelligen Betrag ans Kinderhospiz zu spenden. Die genaue Summe steht erst fest, wenn das Treffen abgerechnet ist. Selten war Geld besser angelegt. Dieses hatten die Tübinger durch unzählige Sponsorengespräche für die Japanreise, aber auch Getränke- und Wurstverkäufen, Hallenturnieren und Arbeitseinsätzen bei Sportlerfesten zusammengetragen. 

Der Termin für das Wiedersehen war nicht zufällig gewählt. Weil die Bundesliga und die 2. Liga die Länderspielpause einlegte, konnte es auch Alexander Zorniger einrichten, mit alten Kumpels alte Zeiten aufleben zu lassen. Der 57-jährige Uefa-Pro-Lizenz-Inhaber trainierte bis vor Kurzem den Zweitligisten Greuther Fürth und davor die Profiteams aus Limassol auf Zypern, Bröndby IF in Kopenhagen, den VfB Stuttgart, RB Leipzig und Sonnenhof-Großaspach. Mitte der 90er war er Schaltzentrale und Kapitän der Tübinger Uni-Mannschaft. Alexander Zorniger: „Es war ein Traum, die Jungs wiederzusehen", sagt er, und meint damit natürlich auch den Trainer. Rainer Willfeld: „Ich wollte Alex unbedingt dabei haben, da er, bevor ich aus Togo zurück war, die Uni-Mannschaft betreut und trainiert hat.“ 

Rainer Willfeld führte die Tübinger 1994 zum Titel. Der große Wurf gelang durch ein 5:0 im Finale gegen die Auswahl der Universität Osnabrück. „Wichtig für einen Erfolg wie Hochschulmeister ist zum einen die Qualität der Spieler, von denen viele höherklassig gespielt haben, und natürlich die menschliche Komponente, wie wir diese auf dem Treffen erlebt haben“, sagt Rainer Willfeld. 

Dass er nach dem Meisterstück 1994 alle Hebel in Bewegung setzte, um die Tübinger auf Fußballreisen zu schicken, passt zu dem Globetrotter in Sachen Fußball. So war er weit mehr als nur Dozent am Institut der Sportwissenschaft, sondern arbeitete über 15 Jahre als Auslandstrainer und Entwicklungshelfer in verschiedenen, vor allem afrikanischen, Ländern. Er coachte die Auswahlteams aus Togo, Vietnam, Burundi und Burkina Faso, dessen Nachwuchs er bei der U-17-Weltmeisterschaft in Nigeria bis ins Achtelfinale. 

Das Fernziel der Uni-Mannschaft lag dann 1995 in Japan, inklusive einer Reihe von Freundschaftsspielen. Unter anderem gab es da einen 2:1-Sieg gegen die Olympiamannschaft von Südkorea. Den Siegtreffer schoss Peter Kovar, der zu diesen Zeiten für den SV 03 Tübingen die Kickstiefel schnürte und bei Weitem nicht der Einzige ist, der im Raum Tübingen und Reutlingen Lokalkolorit versprüht. Zu Meister-Mannschaft oder Japan-Team gehörten unter anderen Gero Sindek und Tobias Wagenblast vom SV 03 Tübingen. Der heutige Schulleiter des Johannes-Kepler-Gymnasiums in Reutlingen, Thomas Moser, spielte für ein Jahr bei der TSG Tübingen, Tim Nagel wirbelte für den TSV Ofterdingen, für den auch Walter Frick das Trikot trug. Jan Müller ging in Hirrlingen auf Torejagd, der spätere Meistertrainer Christoph Schmidt spielte zusammen mit Alex Krist und Bali Cantürk in K'furt. Sven Tröster hielt beim TSV Riederich die Abwehr beisammen, Konrad Barth beim TSV Hirschau den Kasten sauber. Der Böblinger Egbert Schwartz wechselte später zum SSV Reutlingen an die Kreuzeiche, für den auch Marc Heinkelein auflief. 

Von der Idee einer Japan-Reise war der damalige Sportinstitut-Direktor Ommo Grupe begeistert. Über ihn entstand ein Kontakt zu einem japanischen Assistenten, der gerade in Tübingen gearbeitet hatte. Ommo Grupe sagte: „Amerika kann jeder selber machen, wenn er Englisch spricht, Japan ist etwas ganz Besonderes.“

Text und Bild: Jürgen Wegner, Chefreporter der Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung

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