Institut für Sportwissenschaft

ARD Forum Sport

6. ARD Forum Sport beim SWR in Baden-Baden

EM – WM – Olympia: Sportliche Großereignisse zwischen Faszination und Ablehnung

Am 5. Juni 2018 ging das ARD Forum Sport in die sechste Runde. Diesmal drehte sich alles um das Thema „EM – WM – Olympia: Sportliche Großereignisse zwischen Faszination und Ablehnung“. Im historischen E-Werk beim Südwestrundfunk in Baden-Baden trafen sich geladene Gäste aus Wirtschaft, Sport, Medien und Wissenschaft. In sieben Gesprächsrunden wurden verschiedene Facetten des Themas beleuchtet und diskutiert.

Die Veranstaltung wird nun schon seit sechs Jahren von der ARD Sportkoordination in Kooperation mit einem Team aus dem Arbeitsbereich Sportökonomik, Sportmanagement und Sportpublizistik der Universität Tübingen sowie Studierenden des Bachelor-Studiengangs Sportwissenschaft mit dem Profil Sportpublizistik organisiert. SWR-Sportchef Harald Dietz und ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky begrüßten die Gäste im Namen des SWR und der ARD, Moderator Gerhard Delling führte erneut durch die Veranstaltung.

Die Faszination von Sportgroßereignissen für Athletinnen und Athleten

Ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit sportlichen Großereignissen beschrieben in der ersten Gesprächsrunde Britta Heidemann, mehrfache Olympiasiegerin im Fechten und Mitglied der IOC-Athletenkommission, Tabea Alt, Olympiateilnehmerin und WM-Bronzegewinnerin im Turnen, sowie Thomas Hitzlsperger, ehemaliger Fußball-Nationalspieler und ARD-Fußball-Experte. Für alle drei Podiumsgäste sind der Zusammenhalt der Sportlerinnen und Sportler auf und neben der Wettkampffläche sowie Tausende Fans an den Sportstätten bleibende Eindrücke. „Bei Olympia ist einzigartig, was man als Sportler und im Team erlebt. Der Zusammenhalt und der respektvolle Umgang miteinander ist das Schönste“, beschrieb Alt das für sie prägende Erlebnis der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro. Von Protesten und Abneigung gegen sportliche Großereignisse in der Bevölkerung bekommen die Sportler vor Ort kaum etwas mit. Auch Mitbestimmung bei der Vergabe von Sportgroßereignissen haben Athleten nur wenig.

Vergabeprozesse von Sportgroßereignissen

In der Diskussion um Vergabeprozesse bei Sportgroßereignissen zwischen Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International Deutschland und Jörg Schmitt, investigativer Journalist im Wirtschaftsressort des „Spiegel“, fiel vor allem ein Wort häufig: Korruption. Nach Schmitts Meinung liegt das Grundproblem bei den nationalen und internationalen Verbänden. „Weder bei der FIFA noch beim DFB hat sich irgendetwas gebessert, Verbände werden teilweise geführt wie Dorfgemeinschaften. Besonders im Fußball-Bereich ist das öffentliche Interesse groß, trotzdem sollte man mehr hinterfragen, wo das Geld herkommt, das Oligarchen oder Scheichs in den europäischen Fußball investieren“, so der Spiegel-Redakteur. Für Schenk sind die Ursachen in der Verbindung von Sport und Politik zu suchen: „Ich würde nie darüber spekulieren, dass bei einer Vergabe Korruption stattgefunden hat, wenn es keine Fakten dazu gibt. Das Hauptproblem sind meiner Ansicht nach nicht die Verbände, sondern die oft viel zu enge Verknüpfung von politischen mit sportlichen Funktionen, die leider in anderen Ländern oft üblich ist und häufig zu Korruption führen kann. Große Sportveranstaltungen können aber auch Anstöße geben. Wenn man sich zum Bespiel die Entwicklung in Katar ansieht, sind große Fortschritte in dem Bereich des Arbeitsrechts zu verzeichnen“, erläuterte Schenk.

Sportgroßereignisse aus der Sicht des organisierten nationalen und internationalen Sports

Die nächste Diskussionsrunde bildeten Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds, Siegfried Kaidel, Sprecher der olympischen und nichtolympischen Spitzenverbände im DOSB und Präsident des Deutschen Ruderverbands, sowie Thomas Weikert, Präsident der International Table Tennis Federation. Hier stand vor allem die Frage im Mittelpunkt, wie nationale und internationale Sportverbände sportliche Großveranstaltungen in der Zukunft organisieren könnten. Dabei spielen sowohl hauptamtliche als auch ehrenamtliche Mitarbeiter eine bedeutende Rolle. Auch wurde über das Konzept der European Championships diskutiert, die in diesem Jahr zum ersten Mal in Berlin und Glasgow ausgetragen wird. Alle drei Diskutanten waren sich einig, dass dieses neue Modell zukunftsträchtig sei. „Die European Championships sind eine hervorragende Idee. Seit Jahren überlegen die Verantwortlichen, wie man das erfolgreiche Wintersport-Konzept auf den Sommer übertragen kann“, sagte Hörmann. Und Kaidel ergänzte: „Für uns ist es ein sehr wichtiges Projekt. Unsere Sportarten werden normalerweise eher selten im Fernsehen gezeigt, doch TV-Präsenz ist für uns sehr wichtig. Sportliche Großereignisse sorgen dafür, dass sich mehr Menschen für unseren Sport interessieren. Bei uns merkt man das immer an einem erkennbaren Mitgliederzuwachs nach den Olympischen Spielen.“

Sportgroßereignisse aus Sicht der Medien

Im Anschluss daran wurde das Thema Medien weiter vertieft. Susanne Aigner-Drews (Geschäftsführerin von Discovery Networks Deutschland) und Axel Balkausky (ARD-Sportkoordinator) tauschten sich darüber aus, welche Wirkung Sportgroßereignisse bei medialen Institutionen erzielen. Balkausky sieht die European Championships nicht nur als Chance für den Sport, sondern auch für die Medien, allen Sportarten gerecht zu werden. Und in der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass die Multiplattformstrategie Früchte trägt – jede Sekunde, jedes Ereignis auf unterschiedlichen Plattformen zu zeigen, lautet die Devise. Eine große Herausforderung sei dabei allerdings die Vermarktung und der Kauf von Übertragungsrechten. Beide Experten stimmten überein, dass die Medienanstalten dabei zukünftig noch näher zusammenrücken und sich abstimmen müssten.

Fußball-WM 2018 in Russland

Der Nachmittag startete mit einer Podiumsrunde, die sich mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland auseinandersetzte. Besonders wurde dabei auf die Pressefreiheit und die Arbeitsbedingungen von Journalisten eingegangen. Evi Simeoni (FAZ) und Hajo Seppelt (ARD) sowie der Geschäftsführer der Organisation „Reporter ohne Grenzen“, Christian Mihr, diskutierten unter anderem über die Gefahren für Journalisten im Gastgeberland der WM. Seppelt, der selbst Anfeindungen und Drohungen aufgrund seiner kritischen Berichte ausgesetzt ist und der zeitweilig ein Einreiseverbot für Russland erhielt, wusste zum Zeitpunkt des Forums noch nicht, ob er zur Fußball-WM reisen wird. „Fest steht, dass die Aggression, die von russischer Seite insbesondere aus dem Netz gegen mich kam, eine ganz andere Qualität hat als die Reaktionen, die ich früher auf meine Berichterstattung bekommen habe“, so Seppelt. Auch Simeoni berichtete über Anfeindungen im Internet aufgrund ihrer Berichte. Christian Mihr hingegen richtete den Fokus auf die inhaftierten russischen Journalisten. Die Fußball-WM könne hier zumindest kurzfristig mehr Aufmerksamkeit und Schutz für die Presse ermöglichen.

Bewerbung um die Fußball-EM 2024

Auch Dr. Friedrich Curtius, Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bunds, äußerte sich zur Austragung der Fußball-WM in Russland und hier vor allem zur politischen Rolle des DFB. Man stehe im regen Austausch mit dem russischen Fußball-Verband, auch in politischen Fragen. Er selbst erhoffe sich verbesserte Bedingungen in puncto Presse- und Meinungsfreiheit während der WM. Curtius, der entscheidend an der Bewerbung Deutschlands um die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2024 beteiligt ist, erklärte: „Wir haben eine exzellente Bewerbung abgegeben. In Gesprächen mit der UEFA haben wir dargelegt, dass eine Vergabe an Deutschland das Beste für Europa ist“, sagte er. Die Türkei sei jedoch ein starker Mitbewerber, gerade weil sie sich schon zum vierten Mal bewerbe. Auf die Frage nach mangelnder Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei und einem möglichen Nachteil bei der Vergabe betonte Curtius, nicht auf die Türkei zeigen zu wollen. Man wolle stattdessen mit der eigenen Bewerbung überzeugen.

Bewerbung für Sportgroßereignisse – Olympische Spiele in Deutschland

Sportmanager Michael Mronz, Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel und DOSB-Präsident Alfons Hörmann diskutierten im Anschluss über deutsche Bewerbungen für weitere Sportgroßereignisse. Für Hörmann wäre dabei eine Ausrichtung der Fußball-EM 2024 ein gutes Aushängeschild für Deutschland als Sportnation. Mronz und Geisel arbeiten momentan daran, die Olympischen Spiele in die Rhein-Ruhr-Region zu holen. „Ich finde unser Konzept sehr gut, weil es nachhaltig ist. 80 Prozent der Sportstätten existieren schon. Ich glaube, das wird die Menschen überzeugen“, erklärte Mronz. Laut ihm muss man die Vorteile einer Ausrichtung für die Bevölkerung hervorheben, die auch im Anschluss an die Spiele bestehen. „Wir wollen andere Themen in den Vordergrund stellen wie vernetzte Mobilität, Digitalisierung, die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Zukunft.“ Insgesamt seien alle Oberbürgermeister begeistert von der Idee. „Es ist eine Chance für alle Städte und die Region Rhein-Ruhr, sich zu zeigen“, so Geisel.

Blick in die Zukunft

Die abschließende Diskussionsrunde nutzten Tabea Alt, Alfons Hörmann, Dr. Friedrich Curtius und Thomas Weikert, um den Blick auf die Zukunft des Sports und von Sportgroßveranstaltungen zu richten. Curtius legte hierbei das Augenmerk auf die Zusammenarbeit mit Bundesregierung und Städten, um eine gute EM-Bewerbung zu gewährleisten. Auch für ITTF-Präsident Weikert spielt die Bundesregierung eine wichtige Rolle. Er wünschte sich mehr Aufmerksamkeit, sowohl für den Tischtennissport als auch für andere Randsportarten: „Der Zuspruch für Fußball-Großveranstaltungen ist naturgemäß höher als für andere Sportarten. Es wäre nur schön, wenn es diesen Rückhalt auch für andere internationale Sportereignisse in Deutschland gäbe – zum Beispiel auch was Steuererleichterungen betrifft. Die manchmal fehlende Unterstützung für andere Sportarten durch die Bundesregierung ist teilweise respektlos.“ DOSB-Präsident Hörmann hingegen zeigte sich sehr zufrieden: „Der Bundespräsident und auch der Innenminister waren bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang oft vor Ort.“ Dennoch stehe der Fußball im Rampenlicht. Turnerin Tabea Alt will deswegen die Heim-WM nächstes Jahr in Stuttgart dafür nutzen, die Bekanntheit der eigenen Sportart zu steigern.

Das ARD Forum Sport 2018 auf Sportschau.de

https://www.daserste.de/specials/ueber-uns/ard-forum-sport-2018-100.html

Den Bericht zum 5. ARD Forum Sport finden Sie hier.

Den Bericht zum 4. ARD Forum Sport finden Sie hier.

Den Bericht zum 3. ARD Forum Sport finden Sie hier.

Den Bericht zum 2. ARD Forum Sport finden Sie hier.