Institut für Sportwissenschaft

ARD Forum Sport

4. ARD Forum Sport – Über Hürden aufs Podest

12.10.2016 – Am 12. Oktober 2016 trafen sich zahlreiche Persönlichkeiten aus Sport, Politik, Medien und Wissenschaft im Rahmen der Veranstaltungsreihe „ARD Forum Sport“ auf dem Podium des Bayerischen Rundfunks (BR) in München. Die bereits 4. Auflage der Veranstaltungsreihe, die in enger Kooperation zwischen der ARD Sportkoordination, einem Team aus dem Arbeitsbereich Sportökonomik, Sportmanagement und Sportpublizistik der Universität Tübingen sowie Studierenden des Bachelor-Profils Sportpublizistik organisiert wurde, stand dieses Jahr im Zeichen des Themas Integration. Unter dem Titel „Über Hürden aufs Podest – Chancen und Grenzen der Integration im deutschen Spitzensport“ wurden verschiedene Facetten der Integration von Migrantinnen und Migranten im und durch Sport thematisiert. Ein Hauptaugenmerk war darüber hinaus auf verschiedene Facetten des Behindertensports gerichtet. Im Anschluss an das Grußwort von ARD Programmdirektor Volker Herres führte ARD-Moderator Gerhard Delling durch die Talkrunden.

„Beim Sport vergisst man, wer man ist, wenn man Spaß hat“, beschrieb Oliver Bierhoff, Manager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Männer, und erklärte die Integrationsmöglichkeiten im Fußballs. Anschließend erörterte Bierhoff gemeinsam mit Eugen Gehlenborg, Vizepräsident Sozial-/Gesellschaftspolitik des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), verschiedene Integrationsmaßnahmen der Vereine. Gehlenborg gab zudem einen Überblick über die Kampagnen und Unterstützungen des DFB speziell bei der Flüchtlingsarbeit.

Dass Fußball nicht das einzige Positivbeispiel hinsichtlich Integration ist, zeigte u.a. der Bronzemedaillengewinner von Rio im Boxen, Artem Harutyunyan. Harutyunyan selbst gibt Flüchtlingen ehrenamtlich Boxunterricht, um sie in die Gesellschaft zu integrieren. Laut Publizist und Philosoph Wolfram Eilenberger gelingt dies in anderen Sportarten wie Handball, Volleyball oder Hockey jedoch nur unzureichend. Thorsten Storm, Geschäftsführer des THW Kiel und Georg Clarke, Vizepräsident des Deutschen Handball-Bunds für Jugend, Schule und Bildung, begründeten dies vor allem mit der fehlenden Verbreitung des Sports in anderen Ländern. Außerdem seien kostspielige Kampagnen zur Integration aufgrund finanzieller Möglichkeiten des Verbands und der Vereine nur begrenzt möglich.

Breschkai Ferhad, ehemalige Integrationsbeauftragte des Berliner Fußball-Verbands, eröffnete die Gesprächsrunde mit der Frage. „Warum können Migrantinnen und Migranten nicht einfach zum Sport ohne ein spezielles Programm gehen?“ Sie forderte außerdem eine differenziertere Betrachtung der Menschen, um weg vom Stereotypen des Migranten oder des Muslims zu kommen. Prof. Dr. Sebastian Braun von der Berliner Humboldt Universität legte sein Hauptaugenmerk auf die Trennschärfe zwischen Integration in und durch Sport. Einig waren sich Ferhad und Braun darin, dass das größte Problem bei der Integration in der sozialen Ungleichheit bestehe, die vor allem durch mehr Bildungsangebote beseitigt werden müsse.

Die zweite Session zum Thema „Integration von Menschen mit Behinderung im deutschen Spitzensport“ begann in einer großen Runde mit den Paralympics-Siegerinnen Kirsten Bruhn (Schwimmen), Anna Schaffelhuber (Monoski) und Edina Müller (Rollstuhlbasketball/Parakanu) sowie Ex-Turner Ronny Ziesmer. „Es hat sich im Alltag viel verändert, aber es muss immer noch viel geschehen“, beschrieb Bruhn die aktuelle Situation. Des Weiteren forderte Bruhn, dass endlich barrierefrei gedacht werden müsse.

Einblicke in eine Sportart, bei der es wie bei kaum einer anderen gelingt, Ängste abzubauen und Behinderte und Nicht-Behinderte gemeinsam Sport treiben zu lassen, boten sich im Gespräch mit Laura Fürst und Sebastian Magenheim. Die beiden Nationalspieler der deutschen Rollstuhlbasketball-Mannschaft und Paralympics-Teilnehmer 2016 lieferten Erkenntnisse über einen Sport, bei dem Integration und Inklusion bereits hervorragend umgesetzt werden. „Der größte Vorteil von uns ist, dass wir dadurch kaum Probleme mit dem Nachwuchs haben“, erläuterte Magenheim, der außerdem dafür plädierte, die Paralympics für nicht-behinderte Rollstuhlbasketballer zu öffnen.

Jörg Frischmann, Geschäftsführer beim TSV Bayer 04 Leverkusen, erläuterte Strukturen, die die Integration aller Sportler im Verein ermöglichen. „In den Köpfen macht es keinen Unterschied, ob man behindert ist oder nicht“, fasste Kugelstoßerin Franziska Liebhardt das Modell „Bayer Leverkusen“ zusammen. Moderator Delling diskutierte auch mit dem Weitspringer Markus Rehm, der trotz Behinderung bis zum deutschen Meistertitel 2014 flog, den aktuellen Sachstand der Kontroverse um seine Prothese. Dabei schilderte er, dass er sich trotz seines Versuchs bei den Olympischen Spielen 2016 zu starten, als paralympischer Athlet sehr wohl fühle. In diesem Zusammenhang bezeichnete Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbands, Rehm als Leuchtturm des Behindertensports, da er „gegen die Barrieren in den Köpfen der Menschen kämpft“. Beucher erklärte auch, dass sich die paralympischen und olympischen Sportarten in der Förderung immer noch unterscheiden, weshalb die Angleichung der Medaillenprämien nur als ein erster Schritt in die richtige Richtung gesehen werden kann. Schließlich gehe es nicht um die Behinderung, sondern um Respekt. Respekt vor dem Menschen und seiner Leistung.

Den Bericht zum 3. ARD Forum Sport finden Sie hier.

Den Bericht zum 2. ARD Forum Sport finden Sie hier.