Nachrichtenarchiv
31.07.2015
Indien stiftet Gastdozentur am Asien-Orient-Institut
Auf dem „Gundert-Chair“ lehren Dozenten aus dem Südwesten Indiens die Sprache Malayalam
Die Universität Tübingen erhält eine neue Gastdozentur für das Asien-Orient-Institut, gestiftet von der indischen Regierung und der indischen Wissenschaftsorganisation „University Grants Commission“. Dozentinnen und Dozenten der Thunchath Ezhuthachan Malayalam University aus dem Bundesstaat Kerala werden ab Oktober 2015 in Tübingen regelmäßig „Malayalam“ lehren, eine Sprache, die im Südwesten Indiens von ca. 33 Millionen Menschen gesprochen wird. Sie ergänzen damit das bisherige Angebot für Malayalam-Unterricht an der Abteilung für Indologie ‒ ein europaweit einmaliger Schwerpunkt durch den sich die Universität Tübingen seit mehr als zehn Jahren auszeichnet.
Die Gastdozentur ist als „Gundert-Chair“ nach dem Malayalam-Experten Hermann Gundert benannt, der im 19. Jahrhundert in Tübingen promoviert wurde und seinen umfangreichen Nachlass der Tübinger Universitätsbibliothek hinterließ. Die Gastaufenthalte sollen auch dazu genutzt werden, diesen aufzuarbeiten. Im Rahmen des Südindienschwerpunkts am Asien-Orient-Institut, den Privatdozentin Heike Oberlin (Indologie) und Professorin Gabriele Alex (Ethnologie) derzeit ausbauen, wird der jeweilige Gastdozent in Lehre und Forschung eine wichtige Position einnehmen. Die indische Universität ist besonders daran interessiert, Malayalam-Literatur zu fördern und durch professionelle Übersetzungen bekannter und leichter zugänglich zu machen. Auch sollen gemeinsam Unterrichtsmaterialen für das Erlernen der Sprache erstellt werden.
Hermann Gundert war der Großvater des Schriftstellers Hermann Hesse und gehört zu den großen indischen Sprachwissenschaftlern Deutschlands: Während seines Theologiestudiums in Tübingen lernte er Sanskrit, 1835 wurde er in Tübingen zum Dr. phil. promoviert. Ab 1838 war er im Auftrag der Basler Mission im südindischen Nettur im Malayalam-Sprachgebiet tätig. Er gründete dort eine Schule, erarbeitete deutsche Übersetzungen aus dem Malayalam und übersetzte das Neue Testament in die indische Sprache. Krankheitshalber musste er 1859 Indien verlassen. Seine wichtigsten Malayalam-Werke entstanden deshalb in Calw, darunter das Gesangbuch und sein bis dato immer wieder neu aufgelegtes Malayalam-Englisch-Wörterbuch.
Gundert wird in Indien „Luther Keralas“ genannt, da seine Bibelübersetzung nach wie vor im Gebrauch ist. Sein Wörterbuch und seine Grammatik werden als Standardwerke gehandelt und nachgedruckt. Der Nachlass, den er selbst an die Universitätsbibliothek Tübingen spendete, bietet Sprachwissenschaftlern und Indologen einmaliges Material. Die Universität Tübingen ist in Kerala als „Gundert’s University“ bekannt ‒ deshalb schloss die Malayalam University, selbst erst 2012 gegründet, zum 200. Geburtstag des Wissenschaftlers ein Kooperationsabkommen mit Tübingen ab.
Die Universität Tübingen hatte sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem der wichtigen deutschen Zentren der Indologie entwickelt. Eine wesentliche Rolle spielte Rudolf von Roth, der zu einer neuen Vedaforschung beitrug und für den 1856 in Tübingen ein Lehrstuhl für Sanskrit eingerichtet wurde. Zudem wurden Tübinger Beziehungen zu Indien im 19. Jahrhundert durch eine Reihe von Missionaren geprägt, die gleichzeitig wissenschaftlich arbeiteten und durch ihre Tübinger Studienzeit eine Verbindung zur Universität hatten.
Der Start der neuen Gastdozentur wird mit einem Festakt am 9. Oktober 2015 in Tübingen gefeiert, Am Wochenende folgt ein zweitägiges Symposium zum Thema Sprache und Kultur Keralas.
Kontakt:
Privatdozentin Dr. Heike Oberlin
Universität Tübingen
Philosophische Fakultät
Asien-Orient-Institut (AOI)
Geschäftsführerin und Wissenschaftliche Koordinatorin des AOI
Telefon +49 7071 29-74005
heike.oberlin@uni-tuebingen.de
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