Nachrichtenarchiv
27.05.2019
Neuer Sonderforschungsbereich nimmt ästhetische Perspektiven der Vormoderne in den Blick
Sonderforschungsbereich "Bedrohte Ordnungen" verlängert
Die Philosophische Fakultät der Universität Tübingen erhält einen neuen Sonderforschungsbereich. Wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mitteilte, wird der Forschungsverbund ab 1. Juli für zunächst vier Jahre mit acht Millionen Euro gefördert. Zudem wurde in der gleichen Sitzung der SFB 923 "Bedrohte Ordnungen" für eine weitere und letzte Förderperiode verlängert.
Im Sonderforschungsbereich „Andere Ästhetik“ (SFB 1391) untersuchen Fächer aus den Kultur- und Geisteswissenschaften Akte und Artefakte einer vormodernen, „anderen“ Ästhetik und setzen sich mit Kunstbegriffen, Kunstkonzepten und zugehörigen Praktiken auseinander, die zeitlich in Epochen vor der Begriffsprägung der Ästhetik im 18. Jahrhundert fallen. Sprecherin ist Professorin Annette Gerok-Reiter (Germanistische Mediävistik – Deutsches Seminar), an zwei der insgesamt 18 Forschungsprojekte ist die Universität Stuttgart beteiligt.
„Andere Ästhetik“ (SFB 1391)
Ästhetische Fragen erleben derzeit eine überraschende Konjunktur. Öffentliche, zum Teil heftig geführte Debatten zur Relevanz des Ästhetischen und zur Funktion der Künste lassen aufhorchen. Auch in der Forschung werden diese Fragen mit neuer Intensität diskutiert, sowohl in den Geisteswissenschaften als auch in den Gesellschafts- und Naturwissenschaften. Dabei bleibt man jedoch oft Autonomiekonzepten des 18. und beginnenden 19. Jh.s verhaftet: Kunst wird als autonom betrachtet, ein Kunstwerk folgte nur eigenen Gesetzen. Gerade damit aber droht die Frage wieder aus dem Blick zu geraten, welche Funktion die Künste in sozialer wie anthropologischer Hinsicht haben.
Hier setzt der neue Sonderforschungsbereich an: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen ästhetische Praktiken, Manifestationen und Konzepte in den Blick rücken, die nicht von autonomieästhetischen Positionen ausgehen. Eine solche Andere Ästhetik lässt sich – so die These – in hervorragender Weise in der Vormoderne finden, also vor dem Zeitalter der philosophischen Ästhetik.
Der Tübinger SFB setzt in diesem Sinne bei der Aktualität der Vormoderne an. Sein wissenschaftliches Programm stützt sich auf ein breites Fächerspektrum, das neben den Literatur-, Kunst- und Musikwissenschaften, der klassischen Archäologie und der Rhetorik auch Fächer wie Linguistik, Theologie, Geschichte und Maschinelle Sprachverarbeitung umfasst. Der SFB verbindet so die moderne Debatte um die sozio-anthropologischen Funktionen des Ästhetischen mit einer neuen Grundlagendiskussion über das Verständnis ästhetischer Prozesse. Im Mittelpunkt wird das Modell einer Ästhetik stehen, die die Relation zwischen der Eigenlogik der Künste (autologische Dimension) und ihre sozialen Praxis (heterologische Dimension) ins Zentrum stellt. Von hier aus lässt sich der Beitrag vormoderner ästhetischer Akte und Artefakte für die Ästhetikforschung neu bewerten. Ziel des Forschungsverbundes ist es, auf dieser Basis die gegenwärtigen Debatten um die Relevanz des Ästhetischen historisch zu fundieren und damit auch und gerade aktuelle Fragen von Kunst und Gesellschaft gewinnbringend weiterzuentwickeln.
Kontakt:
Prof. Dr. Annette Gerok-Reiter
Universität Tübingen
Deutsches Seminar
+49-(0)7071-29-72403
a.gerok-reiterspam prevention@uni-tuebingen.de
Kontakt:
SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“
Prof. Dr. Mischa Meier – Seminar für Alte Geschichte
Zweite Verlängerung; Laufzeit: seit 1. Juli 2011
Zur Homepage des SFB 923