Institut für Sportwissenschaft

ARD Forum Sport

7. ARD Forum Sport beim RBB in Berlin

Die siebte Auflage des ARD Forum Sport am 19. November 2019 in Berlin stellte den Sportverband in den Mittelpunkt: Podiumsgäste und Zuschauer diskutierten zum Thema: „Der Sportverband – zukunftsfähige Organisation oder Auslaufmodell?“. In sieben Gesprächsrunden trafen geladene Gäste aus Führungspositionen deutscher und internationaler Sportorganisationen auf aktive und ehemalige Spitzensportlerinnen und -sportler. Auch in diesem Jahr wurden in diesem besonderen Veranstaltungsformat der ARD die Einzelthemen aus unterschiedlichen Perspektiven kontrovers diskutiert.

Organisiert wurde die Veranstaltung erneut von der ARD-Sportkoordination (Leitung: Axel Balkausky) zusammen mit einer Seminargruppe des Studiengangprofils Sportpublizistik/Medien und Kommunikation des Instituts für Sportwissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen (Leitung: Dr. Verena Burk). RBB-Intendantin Patricia Schlesinger eröffnete die Veranstaltung als Gastgeberin, bevor das Moderatorenduo Jessy Wellmer und Alexander Bommes durch die Gesprächsrunden führten. Die Veranstaltung wurde live bei sportschau.de übertragen.

Partizipation von Athletinnen und Athleten im deutschen Spitzensport

Den Auftakt zum Thema „Partizipation von Athletinnen und Athleten im nationalen Spitzensport“ machten Silke Kassner, ehemalige deutsche Wildwasserkanutin und Mitbegründerin von „Athleten Deutschland e.V.“ sowie Johannes Herber, Geschäftsführer des Vereins. Kassner erläuterte zunächst die Notwendigkeit der Gründung von Athleten Deutschland e.V.: „In der DOSB-Athletenkommission haben wir gemerkt, dass eine rein ehrenamtliche Vertretung der Athletinnen und Athleten nicht möglich ist. Es ist wichtig, ein rechtlich unabhängiges Konstrukt zu haben, das Gelder empfangen kann und feste Stellen möglich macht. Häufig fehlt es den Sportlern auch an Informationen sowie juristischer Beratung.“ Herber machte in diesem Zusammenhang auf die fehlende Mitbestimmung von Athletinnen und Athleten im Spitzensport aufmerksam: „Athleten haben keine Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen auf die Entscheidungen, die ihr Leben und die Rahmenbedingungen ihres Sports betreffen“. Dies wird vor allem bei der Verteilung von Geldern deutlich. „Hohe Summen werden im Sport generiert, aber die Athletinnen und Athleten haben dabei kein Mitbestimmungsrecht. Das muss sich ändern“, so Herber.

Im Anschluss wurde die Diskussionsrunde mit der DOSB-Vorstandsvorsitzenden Veronika Rücker und dem Präsidenten des Deutschen Basketball Bunds Ingo Weiss erweitert. Rücker legte dar, dass dem DOSB eine starke Einbindung der Athletinnen und Athleten wichtig sei. Es werde versucht, die Mitglieder der DOSB-Athletenkommission bei allen relevanten Entscheidungsprozessen einzubeziehen. Dennoch sieht sie Optimierungsbedarf in der Kommunikation: „Unser Versäumnis in der Vergangenheit war sicherlich zu wenig Information, was für die Athletinnen und Athleten im DOSB getan wird. Es gibt bereits viele Beteiligungsmöglichkeiten für die Sportlerinnen und Sportler, die aber teilweise nicht wahrgenommen werden. Wir haben die Herausforderung der Doppelstrukturen, aber wir bleiben im Dialog und werden unsere Kommunikation optimieren.“ Auch Weiss verwies auf bestehende Mitbestimmungsmöglichkeiten von Athletinnen und Athletinnen im deutschen Sport, betonte aber auch die Notwendigkeit einer konstruktiven Kommunikation: „Das Wichtigste ist eine vernünftige Kommunikation. Nach meinem Eindruck ist die Bereitschaft in vielen Verbänden, mit den Sportlern zu reden, groß. Die Stimme des Athletenvertreters wurde im DOSB immer gehört.“

Partizipation von Athletinnen und Athleten im internationalen Spitzensport

Die zweite Diskussionsrunde zum Thema „Partizipation von Athletinnen und Athleten im internationalen Spitzensport“ eröffnete neben Johannes Herber der Speerwerfer Thomas Röhler. Röhler wurde als erster deutscher Athlet in die Athletenkommission des Internationalen Leichtathletik-Verbands IAAF gewählt. Herber war vor seiner Tätigkeit als Geschäftsführer von Athleten Deutschland e.V. im Vorstand der internationalen Profibasketballervereinigung „World Players Association“ aktiv. Zu Beginn der Diskussion thematisierte Röhler die Mitbestimmungsrechte von Athletinnen und Athleten bei der Vergabe von Sportgroßereignissen, vor allem bei der Leichtathletik-WM 2019 in Doha. Er äußerte sich kritisch zu den Vergabeprozessen und machte deutlich, dass „bei der Leichtathletik-WM in Doha niemand die Athleten gefragt hatte, ob die klimatischen Bedingungen so in Ordnung sind und noch den Vorgaben des Fair Play entsprechen.“ Er ergänzte: „Häufig erfahren wir drei Tage, bevor es brennt, dass wir etwas zu entscheiden haben. Wir fordern mehr Marketing, mehr Zukunft, mehr Technik, interessantere Gestaltung des Events, aber in Doha ist das an den Sportlern total vorbeigegangen.“

Das Thema um das Mitspracherecht von Athletinnen und Athleten in internationalen Sportverbänden wurde mit dem Schwimmsport fortgeführt. Als dritter Podiumsgast komplementierte der deutsche Schwimmer Philip Heintz die Runde. Heintz nahm an der neu gegründete Wettkampfserie International Swimming League (ISL) teil, die in Konkurrenz zu den Schwimmwettbewerben des Weltverbands FINA steht. Die FINA verbot den Athletinnen und Athletinnen unter Androhung von Strafen zunächst eine Teilnahme an der ISL. „Athleten waren an der Gründung der ISL direkt beteiligt. Wir fühlen uns bei der FINA manchmal wie Marionetten, als Sportler bekommen wir dort 10% der erwirtschafteten Gelder, bei der ISL sind es aktuell rund 40%. Das Finanzielle war aber nicht der einzige Grund, sondern wir haben im Verband Vorschläge gemacht, die zwar angehört, aber nicht umgesetzt wurden“, erklärte Heintz die Situation. „Ein Wettkampfmonopol gehört sich nicht, Sportler sollten sich aussuchen können, an welchen Wettkämpfen sie teilnehmen wollen“, fügte er hinzu.

Die Finals

Beim ersten Podium nach der Mittagspause wurde über die Finals 2019 diskutiert, bei denen im August in Berlin zehn deutsche Meisterschaften gleichzeitig ausgetragen wurden und die insbesondere den Verbänden medialer Randsportarten eine erfolgreiche Innovation für die Zukunft bieten können. Trial-Fahrerin Larena Hees war vom Veranstaltungskonzept, aber auch vom Interesse an ihrer Sportart begeistert: „Für unsere Sportart war die Beteiligung toll. Nach den Finals kamen viele Nachfragen über Social Media, von Journalisten, aber auch von möglichen Sponsoren. Ich selbst habe finanziell von diesem Wochenende profitiert. Unsere Sportart wird vom Verband aber generell noch nicht ausreichend unterstützt.“

Auch der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Schützenbundes, Jörg Brokamp, äußerte sich durchweg positiv über das Event: „Es war eine tolle Veranstaltung, die alle begeistert hat. Die Idee gab es schon seit vielen Jahren, jetzt haben es die Verantwortlichen von ARD und ZDF geschafft, dieses Projekt gemeinsam mit der Ausrichter-stadt Berlin zum ersten Mal umzusetzen. Für uns als Verband wäre wichtig zu überlegen, wie man zukünftig den Behindertensport integrieren kann.“

Die Deutschen Meisterschaften in der Leichtathletik, die im Berliner Olympiastadion ausgetragen wurden, wurden in den Medien häufig als Zugpferd der Finals 2019 bezeichnet. Thomas Röhler, der in Berlin mit 82,70m den 3. Platz im Speerwurf belegte, hob vor allem die Bedeutung des Events für die Zuschauer und Fans hervor: „Für uns Sportler hat sich bei der Veranstaltung eigentlich nicht so viel geändert, aber die Menschen haben es wahrgenommen wie ein Mini-Olympia. Den Austausch der Fans fand ich schön.“ Der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands, Jürgen Kessing, war ebenfalls von der Zuschauerkulisse bei den Leichtathletik-Wettkämpfen begeistert: „Wir hatten an beiden Tagen zusammen über 60.000 Zuschauer im Olympia-Stadion, das war absoluter Rekord.“ Zum Abschluss der Gesprächsrunde resümierte Brokamp: „Das Feedback der Veranstaltung war uneingeschränkt positiv, es hat alle überzeugt und begeistert.“

Vermarktungsverträge im europäischen Handball

In der darauffolgenden Gesprächsrunde sprachen Michael Wiederer, Präsident der European Handball Federation, Bob Hanning, Clubmanager der Füchse Berlin, Mark Schober, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Handballbunds und Thorsten Storm, ehemaliger Geschäftsführer des THW Kiel, über den 2018 abgeschlossenen Vermarktungsvertrag der europäischen Wettbewerbe, der für die Jahre 2020 bis 2030 der EHF und den Klubs mehr als 500 Millionen Euro an Einnahmen garantiert.

Als einen „richtigen Schritt, um den Handball auch international besser zu positionieren“ bezeichnete Wiederer die Partnerschaft. Besonders die gemeinschaftliche Zusammenarbeit zwischen der EHF als Dachverband und der einzelnen Klubs habe die erfolgreiche Umsetzung des finanziellen Großprojekts erst möglich gemacht, betonte Thorsten Storm: „Wichtig war, dass die Vereine und die Föderation gemeinsam nach einer Lösung gesucht haben. Die Kommunikation zwischen den Klubs und der Föderation funktioniert im Handball hervorragend.“ Das Miteinander von Verbänden und Vereinen sieht auch Mark Schober als Schlüssel zur Stärkung des Handballs. Dies verhindere Abspaltungsprozesse innerhalb der Ligen, führte der DHB-Vorstandsvorsitzende weiter an. Doch nicht nur finanzielle Vorteile sprechen für eine Zusammenarbeit zwischen Verband und Vereinen – auch eine Stärkung des Handballs in der Konkurrenz mit anderen populären Sportarten lässt sich durch eine Zusammenarbeit erreichen. „Wir haben dann auch verstanden, dass wir besser werden, wenn Liga und Verband miteinander arbeiten und alle mehr in den Topf einzahlen als sie sich selbst rausnehmen“, stimmte Bob Hanning mit den anderen Podiumsgästen überein.

Konflikt im Basketball: FIBA Europe – Euroleague

Beim letzten Podium der Veranstaltung wurde über den Dauerstreit zwischen FIBA Europe und Euroleague diskutiert. Kamil Novák, Generalsekretär der FIBA Europe, fasste das vorhandene Problem folgendermaßen zusammen: „Aktuell haben wir vier europäische Wettbewerbe, das ist definitiv zu viel. Wir müssen einen Weg finden zu kooperieren und damit zu koexistieren.“ Ingo Weiss, Präsident des Deutschen Basketball-Bunds und Schatzmeister in der FIBA, sieht das Problem vorwiegend bei Spielen der Nationalmannschaften. Zwar habe FIBA Europe Nationalmannschaftsfenster eingeführt, die Euroleague verhindere aber ein Abstellen der Nationalmannschaftsspieler der Euroleage-Klubs: „Wir haben ein Problem damit, dass eine kommerzielle Liga, wie es die Euroleague ist, uns die Nationalspieler nicht zu Verfügung stellt. Das ist nicht zum Wohle des Sports.“ Neben Novák und Weiss saß Marco Baldi, Geschäftsführer von Alba Berlin, auf dem Podium. Für Baldi steht fest: „Die Qualität des Basketballs, der in der Euroleague gespielt wird, ist nicht nur in Europa die Beste.“ Er gab aber auch zu bedenken: „Solange wir alle in unseren Mustern bleiben, wird es sehr schwierig eine Lösung zu finden.“

Die Veranstaltung wurde im Livestream auf sportschau.de gezeigt und ist in der Mediathek abrufbar.