Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung

Studie FIPS+

FIPS+ ist ein tabletbasiertes Messinstrument zur frühzeitigen Lernstandserfassung und Lernverlaufsdiagnostik in der 1. Klasse. Es soll den Lehrkräften zeigen, welche Fähigkeiten und Begabungen ein Kind zu Beginn der 1. Klasse mitbringt und was es in einem Schuljahr alles dazu lernt.

FIPS+ ist eine Weiterentwicklung und basiert auf dem im englischsprachigen Raum seit über 20 Jahren verwendeten und an einzelnen Grundschulen in Hessen und Bayern bereits erfolgreich eingesetzten Instrument FIPS (Fähigkeitsindikatoren Primarschule).

Was war das Ziel der Studie FIPS+

Die Studie FIPS+ untersuchte die Erfassung der Lernausgangslage und Lernentwicklung in der 1. Klasse. Mit der Studie wurde das weiterentwickelte Instrument FIPS+ als Lernstandserfassung erprobt und die praktische Umsetzung in den Schulalltag an baden-württembergischen Grundschulen untersucht.

Welche Fähigkeiten misst FIPS+

Die Aufgaben von FIPS+ erfassen Fähigkeiten in den folgenden Bereichen:

  • Wortschatz (z. B. Objekte benennen)
  • Frühes Lesen (z. B. Buchstabenkenntnis, Silben lesen, Bild-Wort-Zuordnung)
  • Lautbewusstheit (z. B. Reimwörter)
  • Mathematik (z. B. Rechnen mit Bildern, Zahlenkenntnis, Rechnen mit Punkten)
  • Kognitives Potenzial (z. B. Erkennen von Regeln und Mustern in bildhaftem Material)

Ablauf der Studie

Im Rahmen der Studie FIPS+ wurden von 2018 bis 2023 über 2700 Erstklässler*innen an ca. 164 Schulen in Baden-Württemberg über ihre gesamte Grundschulzeit bis zur 4. Klasse begleitet. So lassen sich auch die möglichen langfristigen positiven Einflüsse von FIPS+ untersuchen. Die Kinder wurden dabei in der 1. Klasse zweimal (Schuljahresbeginn und -ende) und in der 2. bis 4. Klasse jeweils am Ende des Schuljahres befragt. 

Um ein umfassendes Bild über die teilnehmenden Kinder zu bekommen, wurden außerdem deren Eltern sowie Lehrkräfte (Klassen-, Deutsch- und Mathematiklehrkräfte) in jedem Schuljahr befragt und Informationen zu den Schulen erhoben.

Wie wurde FIPS+ durchgeführt?

In ihrem ersten Schuljahr bearbeiteten die Kinder die Aufgaben von FIPS+ einmal zu Schuljahresbeginn und einmal am Ende des Schuljahres in Einzelsitzungen an einem Tablet. Eine Sitzung pro Kind dauert mit FIPS+ 20 bis 40 Minuten (Dauer abhängig vom Lernstand des Kindes). Im Rahmen der Studie wurden die Klassen zufällig zwei Gruppen zugewiesen:

  • In Gruppe A bearbeiteten die Kinder FIPS+ unter der Anleitung ihrer Klassenlehrkräfte. Diese erhielten zusätzlich eine individuelle Rückmeldung über den Lernstand jedes Kindes und der gesamten Klasse.
  • In Gruppe B (Kontrollgruppe) bearbeiteten die Erstklässler*innen FIPS+ unter der Anleitung von Forschungsassistent*innen. Die Lehrkräfte erhielten keine individuelle Rückmeldung zum Lernstand der Kinder. Zur Lernstandserfassung nutzten sie die in ihrem Unterricht üblicherweise eingesetzten Methoden. Die Schule konnte FIPS+ aber im nächsten Schuljahr in ihren ersten Klassen einsetzen.

Aufgrund der besonderen Umstände im Zuge der COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden Hygienevorschriften wurden einige Anpassungen am ursprünglich geplanten Studiendesign vorgenommen, um die Erhebungen optimal und sicher fortführen zu können. Gleichzeitig bot sich hier auch die Möglichkeit, einiges über den Fernunterricht zu lernen. 

Wie kann FIPS+ in den Schulalltag integriert werden?

Mit der Studie wurde die Integration von FIPS+ im Schulalltag an baden-württembergischen Grundschulen erprobt. Die Lehrkräfte der Gruppe A wurden daher gebeten, Ideen für den Einsatz von FIPS+ im Schulalltag zu finden und zu dokumentieren. Dafür wurden ihnen im ersten Jahr 0,5 Deputatsstunden pro Woche angerechnet. Ideen für eine gelungene Lernstandserfassung mit FIPS+ parallel zum Schulalltag waren z.B. das Zusammenlegen von Klassen oder die Durchführung in zusätzlichen Randstunden sowie außerhalb der Unterrichtszeit.

Was sagen die Ergebnisse aus

Die Auswertung der Ergebnisse von FIPS+ erfolgt automatisiert. Das Auswertungsprogramm veranschaulicht die Leistung und den Lernzuwachs jeder einzelnen Schülerin bzw. jedes einzelnen Schülers sowie die Leistungsverteilung innerhalb der Klasse in den benannten Aufgabenbereichen. Aus den Ergebnissen wurde für die Lehrkräfte der Gruppe A ersichtlich, ob ein Kind auf dem gleichen Lernstand wie die meisten anderen Kinder in der ersten Klasse ist oder ob es eine unter- oder überdurchschnittliche Leistung zeigt.

Was passiert mit den Ergebnissen von FIPS+

Die Klassen-, Deutsch- und Mathematiklehrkräfte der Gruppe A erhielten durch die FIPS+ Ergebnisse zeitnah nach der Durchführung einen Einblick in den Lernstand der Kinder. Um die Lernstandserfassung optimal für die Förderung der Kinder zu nutzen, konnten die Lehrkräfte die Ergebnisse mit den entsprechenden Fachlehrer*innen austauschen und gemeinsam überlegen, welche unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Maßnahmen zur Förderung der Kinder notwendig und sinnvoll sind. Die Gruppe B (Kontrollgruppe) erhielt in diesem Schuljahr keine Rückmeldung, da nur im Vergleich beider Gruppen der Nutzen von FIPS+ zuverlässig untersucht und überprüft werden konnte. Für die Wissenschaftler*innen waren und sind die Ergebnisse anonym und keinem Kind zuordenbar. 

Datenschutz und Freiwilligkeit

Die Teilnahme an der Studie war selbstverständlich zu jedem Zeitpunkt freiwillig und konnte jederzeit ohne die Angabe von Gründen beendet werden. Die Studie wurde nach datenschutzrechtlicher Begutachtung durch das Kultusministerium und nach ethischer Prüfung durch die Ethikkommission des DIPF genehmigt.

Aktuelles aus der Studie

Die erste Kohorte startete im Schuljahr 2018/19 und endete im Sommer 2022. Die Kinder der zweiten Kohorte, die ein Schuljahr später 2019/2020 starteten, schlossen die Studie im Sommer 2023 ab. 

Wir möchten uns herzlich bei den teilnehmenden Familien, Lehrkräften und Schulleitungen für die Teilnahme an der FIPS+ Studie bedanken! 

Nach Studienende wurden die Antworten der Kinder, Lehrkräfte, Eltern und Schulleitungen systematisch aufbereitet. Hierbei arbeiteten wir mit der IEA Hamburg (International Association for the Evaluation of Educational Achievement) zusammen. 

Zurzeit werden die aufbereiteten Daten ausgewertet und es wird an Veröffentlichungen gearbeitet. Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, werden detaillierte Studienergebnisse bekannt gegeben. 

Einige erste Ergebnisse werden im Folgenden kurz vorgestellt: 

  • Das Programm FIPS+ wurde sowohl von den teilnehmenden Kindern als auch von den teilnehmenden Lehrkräften insgesamt als sehr positiv beurteilt. Fast allen Kindern bereiteten die Aufgaben von FIPS+ Spaß und die Lehrkräfte schätzten das Programm im Mittel als nützlich und die Ergebnisse als relevant und verständlich ein.
  • Die Lehrkräfte konnten durch den Einsatz von FIPS+ die Fähigkeiten ihrer Schüler*innen am Anfang und am Ende der 1. Klasse genauer einschätzen als ohne FIPS+.
  • Einen kleinen positiven Einfluss hatte der Einsatz von FIPS+ auf die Leistung in Mathematik und im Lesen. Das fachspezifische Interesse und Selbstkonzept (Rechnen, Lesen und Schreiben) sowie die wahrgenommene Unterrichtsqualität wurden kaum beeinflusst.
  • Lehrkräfte, die FIPS+ durchführten, nominierten mit höherer Wahrscheinlichkeit Kinder, die zu den oberen 10% in mathematischen Kompetenzen oder Lesefähigkeiten gehörten, für das Programm der Hector Kinderakademien als Lehrkräfte, die FIPS+ nicht durchgeführt haben.
  • Zur COVID-19 Pandemie: Vorläufige Ergebnisse weisen vor allem auf einen negativen Effekt des Unterrichtens während der Pandemie im Vergleich zum regulären Unterricht auf das fachspezifische Interesse und Selbstkonzept (Rechnen, Lesen und Schreiben) hin. 

Die Ergebnisse sind vielversprechend. Allerdings muss bei Fragen der Implementation in den Schulalltag berücksichtigt werden, dass die Lehrkräfte den hohen zeitlichen Aufwand von FIPS+ als kritisch bewerteten. Die Mehrzahl sprach sich für effizientere Testungen beispielsweise in Kleingruppen aus. 

Aus diesem Grund wurde mit den Erkenntnissen von FIPS+ ein neues Messinstrument (PINGUIN) zur Lernstandserfassung in Kooperation mit den Hochschulstandorten Berlin, Kassel, Ulm und Würzburg entwickelt. PINGUIN wird in Gruppen am Tablet durchgeführt. Die Instruktionen erhalten die Schülerinnen und Schüler über Kopfhörer. Weitere Informationen zum Messinstrument und zur Studie finden Sie hier.

Als Fortsetzung der Studie FIPS+ möchten wir außerdem die Kinder, die bei der FIPS+ Studie teilgenommen haben und deren Eltern erneut befragen. So soll untersucht werden, wo die Kinder heute stehen und wie sie sich in Bezug auf verschiedene Merkmale entwickelt haben. Angestrebt wird eine Online-Befragung, in der der Werdegang der Kinder, ihre (beruflichen) Interessen und die Wahl schulischer Schwerpunkte sowie weitere Merkmale wie z.B. ihre schulischen Leistungen, MINT-Erfolge, Kreativität oder auch ihre Motivation und ihr Freizeitverhalten erhoben werden. 

Die neusten Entwicklungen der FIPS+ Studie sowie die Studienergebnisse werden zukünftig über den FIPS+ Newsletter bekannt gegeben. Möchten Sie informiert bleiben? Dann melden Sie sich gerne über eine E-Mail an fipsplus@hib.uni-tuebingen.de mit der Bitte um Aufnahme in den FIPS+ Newsletter an!