Aktuelles
23.12.2022
Festschrift und Symposium für Tübinger Zoologie-Professor
Am 17. Dezember 2022, wurde in der Paläontologischen Sammlung des ‚Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment‘ an der Universität Tübingen der aus Horb/Neckar stammende Zoologie-Professor Dr. Wolfgang Maier geehrt. Wolfgang Maier studierte in Tübingen und promovierte bei Prof. Dr. Dietrich Starck in Frankfurt/Main, wo er dann auch selbst Professor für Anatomie wurde. Wolfgang Maier übernahm 1987 den Lehrstuhl für Vergleichende Zoologie in Tübingen. Wissenschaftlich beschäftigt er sich mit verschiedenen Aspekten der Wirbeltiermorphologie, so etwa mit dem Beiß- und Bewegungsapparat und der Ohr- und Nasenanatomie der Primaten und anderer Säugetiere. Seine Arbeiten umfassen Untersuchungen vor- und nachgeburtlicher Entwicklungsstadien bei rezenten Arten, aber auch verschiedene Fossilien. Dabei verwendet er sowohl histologische Schnitte als auch moderne Computertomographie.
Anläßlich seines 80. Geburtstages erschien ein Sonderband in der Dresdner Senckenberg-Zeitschrift Vertebrate Zoology, der bei dieser Veranstaltung überreicht wurde. Die Festschrift wurde durch die Senckenberg-Forscher PD Dr. Ingmar Werneburg (Tübingen) und PD Dr. Irina Ruf (Frankfurt) herausgegeben und umfaßt insgesamt 20 wissenschaftliche Artikel von Kollegen und Weggefährten Wolfgang Maiers. Darin finden sich Arbeiten über Fische, Reptilien und Säugetiere und zahlreiche Organsysteme, die in einer Zusammenschau entwicklungsbiologisch, zoologisch und paläontologisch betrachtet werden. Dieser ganzheitliche Ansatz einer „Vergleichenden Entwicklungsgeschichte der Organismen“ hat eine über zweihundertjährige Tradition. Durch Wolfgang Maier und seine Schüler wurde sie in das 21. Jahrhundert getragen. Die Senckenberg-Gesellschaft und die Universität Tübingen bieten mit ihren wissenschaftlichen Instituten und Sammlungen die notwendige Infrastruktur und eine ideelle Einbettung, um Biodiversitätsforschung – auch mit einem morphologischen Fokus auf den einzelnen Organismus selbst – zu ermöglichen.
Die Festveranstaltung fand im selben Hörsaal statt, in dem Wolfgang Maier 1962, also vor genau 60 Jahren, seine ersten Zoologie-Vorlesungen gehört hatte. An dem Vortragsprogramm beteiligten sich renommierte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland. Sie sprachen über verschiedene Themen der „Vergleichenden Entwicklungsgeschichte“ der Wirbeltiere.
Zunächst stellte Dr. Manfred Drack (Tübingen) „Technomorphe Betrachtungen biologischer ‚Konstruktionen‘ und ihre Evolution“ vor. Prof. Dr. Marcelo R. Sánchez-Villagra (Zürich) sprach dann über die Domestikation von Goldfischen und „andere Themen“, die vor allem einige persönliche Erlebnisse mit dem Jubilar beinhalteten. Prof. Dr. Holger Preuschoft (Bochum) beschäftigte sich in seinem biomechanisch orientierten Vortrag mit der ‚Fortbewegung bei Säugetiervorläufern‘, die von einem Spreizgang hin zu einem Gang mit gestreckten Beinen evolvierten. In der Kaffeepause im Therapsidensaal, in dem man die soeben besprochenen Fossilien betrachten konnte, sprach der aus Mexiko stammende Dr. Omar R. Regalado Fernandez (Tübingen) dann über den kürzlich beschriebenen Dinosaurier Tuebingosaurus maierfritzorum, dessen Knochen derzeit in zwei Vitrinen der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Im zweiten Teil der Festveranstaltung sprach dann zunächst Prof. Dr. Ulrich Zeller (Berlin) über „Das evolutive Plateau Säugetier“ und über seine gemeinsame Zeit mit Wolfgang Maier im Umkreis von Dietrich Starck in Frankfurt/Main im Jahr 1978. Prof. Dr. Robert J. Asher (Cambridge/GB) stellte im Folgenden den Paradigmenwandel unseres Verständnisses der Insektenfresser-Verwandtschaft von 1998 bis 2022 dar und zeigte, wie morphologische Merkmale die mit Molekulardaten generierten ‚nackten‘ Stammbäume sinnvoll auskleiden können. PD Dr. Irina Ruf (Frankfurt) unternahm zum Abschluß einen „Streifzug durch den Säugerschädel: von der Nase bis zum Ohr“ und zeigte, wie sämtliche anatomischen Merkmale in ihrem funktionellen Zusammenhang und in ihrer jeweiligen Umwelt betrachtet werden müssen, um ein ganzheitliches Verständnis der Form zu erhalten. Die Laudationen der Veranstaltung hielten der Leiter des Instituts für Evolution und Ökologie in Tübingen, Prof. Dr. Oliver Betz, und der Kustos der Tübinger Paläontologischen Sammlung, PD Dr. Ingmar Werneburg.
Ingmar Werneburg