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30.07.2021
Tübinger Wissenschaftler erhält den Gips-Schüle-Nachwuchspreis 2021
Tobias Merkle siegt in der Kategorie Lebenswissenschaften mit einer Methode zur ortsgerichteten RNA-Manipulation
Dr. Tobias Merkle vom Interfakultären Institut für Biochemie der Universität Tübingen hat den Gips-Schüle-Nachwuchspreis 2021 der gleichnamigen Stiftung in der Kategorie Lebenswissenschaften für seine Dissertation zur ortsgerichteten RNA-Editierung erhalten. Er hat eine Methode zur Manipulation der RNA in Körperzellen zur therapeutischen Anwendung zum Beispiel bei schweren genetischen Erkrankungen weiterentwickelt. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung fand am 27. Juli 2021 an der Universität Tübingen statt.
Durch den mit insgesamt 20.000 Euro dotierten Gips-Schüle-Nachwuchspreis honoriert die Gips-Schüle-Stiftung jährlich herausragende MINT-Doktorarbeiten (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) aus Baden-Württemberg. In diesem Jahr wurde er zum ersten Mal in den beiden Kategorien „Lebenswissenschaften“ und „Technikwissenschaften“ verliehen. In der Kategorie Lebenswissenschaften ging außer dem Preis an Merkle eine Ehrenurkunde an Dr. Richard Bruch von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Den Preis der Kategorie Technikwissenschaften erhielt Dr. Matthias Künzel für seine Promotion zu nachhaltigen Hochspannungskathoden für Lithium-Ionen-Batterien am Helmholtz-Institut Ulm. Die Ehrenurkunde erhält Dr. Markus Feifel für seine Arbeit am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg.
Weiterentwicklung der ortsgerichteten RNA-Editierung zur therapeutischen Anwendung
Spätestens seit der Entwicklung und Zulassung der mRNA-Impfstoffe gegen das Corona-Virus ist das therapeutische Potenzial von RNA der Öffentlichkeit bekannt. Die ortsgerichtete RNA-Editierung bietet zudem klare Vorteile: Im Gegensatz zum Eingriff in die DNA mittels einer Genschere sind bei einem therapeutischen Ansetzen an der Boten-RNA dauerhafte, ungewollte Schäden am Erbgut ausgeschlossen – zugleich können aber sehr viele Krankheiten, die durch genetische Mutationen ausgelöst werden, behandelt werden. Allerdings benötigten alle bisher entwickelten Ansätze für die ortsspezifische RNA-Editierung zusätzlich zu RNA-Antisense-Molekülen auch die künstliche Expression eines Proteins. Außerdem gab es Schwierigkeiten, die Editierung auf den Zielbereich zu begrenzen.
Der Preisträger Tobias Merkle verfolgte einen neuartigen Ansatz und entwickelte chemisch modifizierte Antisense-Moleküle, kurz „RESTORE“ genannt, durch die bei der Methode körpereigene Proteine genutzt werden können. Diese Proteine können, durch die Information der Antisense-Moleküle gesteuert, krankheitsursächliche Mutationen reparieren. Mehr als 15.000 krankheitsursächliche Mutationen kämen möglicherweise für eine Behandlung mit dieser Technologie in Frage.
Merkle verbesserte die Editierungsausbeute in humanen Primärzellen auf bis zu 80 Prozent. Er wies die Wirksamkeit der neuartigen Editierung bei pathogenen Mutationen, ursächlich für schwere genetische Erkrankungen wie dem Rett-Syndrom oder dem Hurler-Syndrom, nach. Zudem arbeitete er an der weiteren Verbesserung der Antisense-Moleküle, um die Anwendbarkeit des RESTORE-Ansatzes als Therapeutikum zu steigern: Die Stabilität der Moleküle konnte erhöht und damit eine deutlich höhere Effizienz erreicht werden. Dadurch wurde der Grundstein für eine neue Klasse von Nukleinsäure-Therapeutika gegen schwere genetische Erkrankungen gelegt. Bereits mehrere Start-ups und auch etabliertere Biotech-Firmen weltweit versuchen mittlerweile, mit diesem Ansatz neue Therapien zu entwickeln.
Neuerungen bei der Preisvergabe
Den Gips-Schüle-Nachwuchspreis verlieh die Stiftung 2021 zum sechsten Mal. In diesem Jahr schuf sie gleich zwei Neuerungen: Statt in allen Bereichen der MINT-Forschung die Platzierungen eins bis drei zu vergeben, werden zwei erste Preise in den Kategorien Lebens- und Technikwissenschaften verliehen. Außerdem erhalten zwei weitere herausragende Arbeiten jeweils eine Auszeichnung in Form einer Ehrenurkunde. „Jedes Jahr erreichen uns zahlreiche Dissertationen aus allen Bereichen der MINT-Forschung, die sehr divers und deshalb nur schwer vergleichbar sind. Um diese Arbeiten besser würdigen zu können, haben wir unseren Nachwuchspreis weiterentwickelt und die Kategorien Lebens- und Technikwissenschaften ins Leben gerufen“, so der Stiftungsvorstand Dr. Stefan Hofmann. Die Kriterien, nach denen die Gewinnerprojekte ausgewählt werden, sind weiterhin Innovationspotenzial und Anwendungsbezug im Bereich Technik für den Menschen. 2021 wurden insgesamt 28 Arbeiten eingereicht.
Über die Gips-Schüle-Stiftung
Die Gips-Schüle-Stiftung fördert Forschung, Nachwuchs und Lehre in Baden-Württemberg. Der Fokus liegt dabei auf den MINT-Fächern sowie auf interdisziplinären Projekten. In ihrem Wirkungsraum Baden-Württemberg arbeitet die Stuttgarter Stiftung eng mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusammen und ermöglicht die Durchführung zukunftsweisender Forschungsprojekte. Sie finanziert Stiftungsprofessuren, vergibt Stipendien, unterstützt Studienbotschafter zur Anwerbung von Abiturienten für MINT-Fächer und fördert Projekte zur Lehreraus- und -fortbildung. Alle zwei Jahre verleiht die Stiftung ihre mit 65.000 Euro dotierten Forschungspreise sowie jährlich den mit insgesamt 20.000 Euro dotierten Gips-Schüle-Nachwuchspreis.
Webseite der Gips-Schüle-Stiftung
Pressemitteilung der Gips-Schüle-Stiftung/Janna Eberhardt, Hochschulkommunikation