22.03.2021
Arbeiten für die UNO: Mentale und räumliche Flexibilität unabdinglich
Jennifer Hahn arbeitet seit 2012 für die Vereinten Nationen (UNO). Zuerst war sie in Genf für UNITAR tätig, das Ausbildungs- und Forschungsinstitut der UNO, und im Anschluss für die ILO, die Internationale Arbeitsorganisation. Seit Juni 2019 arbeitet sie für UNICEF Indonesien. Jennifer Hahn hat an der Universität Tübingen Slavistik und VWL studiert und anschließend den trinationalen Erasmus-Mundus-Masterstudiengang „Crossways in European Humanities“ an den Universitäten Tübingen, St Andrews und Perpignan absolviert.
Frau Hahn, was hat Sie motiviert, für eine internationale Organisation zu arbeiten?
Ich habe mich schon immer sehr für Sprachen interessiert – mit jeder Sprache, die man lernt, entdeckt man eine neue Kultur und entwickelt neue Perspektiven auf sich selbst und die eigene Kultur. Mich fasziniert die Tatsache, dass bei der UNO 193 Länder zusammenkommen und versuchen, die Perspektive der anderen zu verstehen, um grenzüberschreitende Probleme zu lösen und die Welt gerechter zu machen. Durch die Teilnahme am Simulationswettbewerb National Model United Nations über die Tübinger Politikwissenschaft hatte ich während meines Studiums schon die Möglichkeit, die Arbeitsweise der UNO besser kennenzulernen. Als ich nach dem Studium, gefördert durch das Carlo-Schmid-Stipendienprogramm, ein Praktikum in UNITAR’s Multilateral Diplomacy Programme absolviert habe, hat sich mein Interesse an der UNO sowie an der Arbeit in einem internationalen Team noch verstärkt.
Jakarta
Heute arbeiten Sie für UNICEF Indonesien. Was sind Ihre Aufgaben?
Als Donor Relations Specialist koordiniere ich die Mobilisierung von Ressourcen für das UNICEF-Länderbüro in Indonesien und ich bin für die Beziehungspflege mit bestehenden und potenziellen privaten und öffentlichen Geldgebern verantwortlich. Im Gegensatz zu den meisten anderen UNO-Organisationen bekommt UNICEF keine Pflichtbeiträge von UNO-Mitgliedsstaaten und ist daher auf freiwillige Beiträge von privaten und öffentlichen Geldgebern angewiesen. Dies ist natürlich eine Herausforderung, führt jedoch meiner Meinung nach zu mehr Kreativität und erlaubt eine sehr gute Kommunikation über erreichte Resultate. Besonders wichtig ist meine Position im Krisenfall. Indonesien befindet sich auf dem „Pacific Ring of Fire“ und allein in den ersten 19 Tagen des neuen Jahres ereigneten sich 154 verschiedene Naturkatastrophen – von Überschwemmungen und Vulkanausbrüchen bis hin zu Erdbeben.
Die Corona-Pandemie hält die Welt in Atem. Wie unterstützt UNICEF die Regierung in Indonesien?
Auf verschiedene Weisen. UNICEF stellt beispielsweise Hygieneartikel, Waschgelegenheiten und Schutzausrüstung für medizinisches Personal bereit und sorgt dafür, dass Kinder weiterhin lernen können und geschützt sind. Zudem arbeitet UNICEF mit der indonesischen Regierung daran, die Bevölkerung über COVID-19 aufzuklären und Fehlinformationen entgegenzuwirken.
Straßen-Graffiti in Jakarta.
Warum haben Sie sich nach dem Abitur für Tübingen als Studienstandort entschieden?
Ich hatte Russisch in der Schule, auch als Abiturfach, und habe mich mit großer Begeisterung mit der russischen Sprache und Kultur auseinandergesetzt. Ein Schulaustausch mit einer Schule in Dimitrov bei Moskau hat mein Interesse an dem Fach zusätzlich verstärkt. Nach Abschluss meines Abiturs stand für mich fest, dass ich mich mit den Sprachen, Literaturen, der Kultur und der Geschichte verschiedener slavischer Länder eingehender beschäftigen würde. So entschied ich mich, Slavistik im Haupt- und VWL im Nebenfach zu studieren. Da die Universität Tübingen für beide Fächer einen sehr guten Ruf genießt, habe ich mein Studium dort begonnen. Ich habe sehr gute Erinnerungen an meine Studienzeit und erinnere mich gerne an die vielen inspirierenden Veranstaltungen zurück. Ich empfinde es noch immer als sehr bereichernd, dass ich während meines Studiums Menschen aus vielen verschiedenen Ländern kennenlernte. Besonders gerne denke ich daran zurück, wie ich im Sommer auf der Neckarmauer saß und das Treiben um mich herum beobachtete.
Wie hat Ihre Tübinger Studienzeit Sie auf das Berufsleben vorbereitet?
Die Studienzeit in Tübingen hat meinen Horizont erweitert und es mir ermöglicht, einen Einblick in sehr diverse Themenfelder zu bekommen. Neben Pflichtveranstaltungen in der Slavistik und VWL habe ich auch politikwissenschaftliche Vorlesungen sowie Vorlesungen des Studium Generale besucht, an Veranstaltungen des Career Centers teilgenommen und als studentische Hilfskraft in einem SFB-Projekt zur Sprachforschung mitgearbeitet. Für die UNO zu arbeiten, erfordert ein gewisses Maß an Flexibilität – sowohl mental als auch räumlich. Durch mein Studium an der Universität Tübingen sowie den trinationalen Erasmus-Mundus-Masterstudiengang „Crossways in European Humanities“ in Deutschland, Frankreich und Schottland habe ich beides bereits während meiner Studienzeit gelernt.
Was raten Sie den heutigen Studierenden in Hinblick auf Studium und Berufswahl?
Studiert, was Euch wirklich interessiert und tut das mit Begeisterung. Es lohnt sich, über Praktika oder Mentoringprogramme schon während des Studiums Einblicke in verschiedene Berufe zu bekommen – doch da sich die Berufswelt tagtäglich ändert, muss man sich nicht zu früh festlegen.
Das Interview führten Maximilian von Platen und Rebecca Hahn
Ursprünglich veröffentlicht im Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2021: Alumni Tübingen