Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2018: Schwerpunkt

Cluster: Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen (CMFI)

Neue Strategien gegen Antibiotikaresistenzen mithilfe des Mikrobioms

Mikrobielle Gemeinschaften, so genannte Mikrobiome, besiedeln die Oberflächen des menschlichen Körpers. Neben Bakterien, die die menschliche Gesundheit positiv beeinflussen, finden sich im Mikrobiom auch potenziell tödliche Krankheitserreger. Gegen diese Erreger wurden in den vergangenen Jahrzehnten oft Breitbandantibiotika eingesetzt. Inzwischen ist klar, dass dadurch nicht nur die Entstehung von Antibiotikaresistenzen gefördert, sondern in vielen Fällen auch das Mikrobiom als Ganzes geschädigt wird. Die Forscherinnen und Forscher des Exzellenzclusters „Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen“ wollen zur Kontrolle von Infektionen nun eine neue Strategie entwickeln.

Ihr Ziel ist es, neue zielgerichtete Wirkstoffe zu entwickeln, die sich positiv auf Mikrobiome auswirken. So ist bekannt, dass nützliche Bakterien ihre gefährlichen Artgenossen in Schach halten können. Um die zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen und nutzbar zu machen, sollen im Rahmen des Exzellenzclusters Forscherinnen und Forscher aus molekularen, bioinformatischen und klinischen Disziplinen zusammenarbeiten. Sprecher des Clusters sind Professor Andreas Peschel und Professorin Heike Brötz-Oesterhelt vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität sowie Professorin Ruth Ley, Direktorin des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie. Beteiligt sind zudem das Universitätsklinikum Tübingen und das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF).

Interview mit Andreas Peschel (Hauptverantwortlicher Sprecher): 

Können Sie in drei Sätzen erklären, was genau im Exzellenz-Cluster erforscht werden soll?

Wir bringen zwei große Forschungsfelder zusammen: das Mikrobiom und antiobiotikaresistente Erreger, von denen die meisten aus dem Mikrobiom kommen. Wir wollen besser verstehen, wie das Mikrobiom funktioniert und wie die Bakterien miteinander interagieren. Das ist die Voraussetzung, um zu erforschen, wie die Bakterien des Mikrobioms auf unseren Körper reagieren und vor allem, wie sie resistente Keime ausschließen können. 

Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich? 

Wir wollen „gute“ Bakterien des Mikrobioms, sogenannte Kommensale, entdecken und verstehen, wie diese verhindern, dass sich resistente Erreger in unserem Körper verbreiten. Der Förderzeitraum ist auf sieben Jahre angelegt – vierzehn wenn die Förderung verlängert wird: Dann werden wir hoffentlich neue Verfahren entwickelt haben, um antiobiotikaresistente Erreger besser zu bekämpfen. 

Welche konkreten Projekte sind geplant?

Ein Projekt, das höchstwahrscheinlich umgesetzt wird, ist die Forschung an dem Bakterium Staphylococcus lugdunensis, das wir vor einiger Zeit in der menschlichen Nase entdeckt haben. Es produziert einen antibakteriellen Wirkstoff namens Lugdunin, der in Versuchen schon erfolgreich gegen den antibiotikaresistenten Erreger Staphylococcus aureus eingesetzt wurde. 

Insgesamt sind wir gerade in der Planungsphase. Das besondere an dem Exzellenzcluster ist, dass wir die Förderung projektunabhängig bekommen. Gerade bei Infektionserregern kann das sehr sinnvoll sein, weil wir sehr flexibel reagieren müssen, wenn neue Erreger und Resistenzen auftauchen.

Was wird die größte Herausforderung sein? 

Wir verbinden zwei große Herausforderungen der Lebenswissenschaften unserer Zeit: die Erforschung des Mikrobioms und Antibiotikaresistenzen. Vor allem bei den Forschungen zum Mikrobiom betreten wir wissenschaftliches Neuland. Das ist ein sehr komplexes System, in dem viele tausend Faktoren und Bakterien zusammenspielen. Deskriptive Mikrobiomforschung machen schon heute viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: das bedeutet, sie analysieren die Mikrobiom-Zusammensetzung bei einzelnen Patienten. Wir wollen das Mikrobiom experimentell und als System erforschen – das ist völlig neu und wir müssen erst die Methoden und Werkzeuge dafür entwickeln. Möglich gemacht haben diesen Ansatz erst neue Entwicklungen der letzten Jahren: dank der Bioinformatik beispielsweise können wir heute riesige Datenmengen verarbeiten und analysieren. Das hilft uns, systematisch nach der Nadel im Heuhaufen, also den „guten“ Bakterien im Mikrobiom, zu suchen. 

Was reizt Sie persönlich an dem Projekt/Thema?

Ich finde es besonders spannend, dass ich eine ganz neue Forschungsrichtung mit aufbauen darf. Hier in Tübingen haben wir eine weltweit einzigartige Ausgangslage: wir haben sowohl in der Forschung am Mikrobiom, als auch an Antiobiotikaresistenzen jahrzehntelange Erfahrung. Einige Neuberufungen, wie beispielsweise Ruth Ley vom Max-Planck Institut für Entwicklungsbiologie oder die Nachwuchswissenschaftlerin Lisa Maier bringen zusätzlich hervorragende Expertise mit. Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist schon gut etabliert, so dass wir die Bereiche von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung abdecken können.