Die Verarbeitung von Text- und Sprachressourcen mit digitalen Werkzeugen steht im deutschsprachigen Raum im Fokus der Digital Humanities. Nicht-textuelle Ausprägungen der Kultur und deren Verortung in Raum und Zeit finden hierbei in der Regel nur wenig Beachtung. Gerade an dieser Stelle liegt das besondere Potenzial der Verwendung von neuen digitalen Methoden. Diese bieten nun erstmals die Möglichkeit, sämtliche Ausprägungen des menschlichen Kulturschaffens im miteinander in semantische und analysierbare Beziehungen zu setzen. Zugleich ist es mit derartigen integrierten digitalen Methoden nun möglich, bedrohte Objekte und Räume, aber auch immaterielle kulturelle Ausprägungen präzise zu dokumentieren sowie dauerhaft nachhaltig zu bewahren und der Forschung bereitzustellen. Gerade vor dem Hintergrund der infrastrukturellen Entwicklung sowie der mutwilligen Zerstörung des Kulturerbes wird diese Bedeutung nochmals deutlicher.
Das Projekt „Spacialist“ wurde von Mitte 2016 bis Ende 2018 durch das Förderprogramm „E-Science Baden-Württemberg – Virtuelle Forschungsumgebungen“ durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg finanziert. Ziel des Projekts war es, für die raum- und objektorientierten Wissenschaften ein Werkzeug zur Verfügung zu stellen, das die standardisierte Erfassung und Analyse sowie eine langfristige Archivierung und Nachnutzbarkeit der Forschungsdaten erlaubt. Ein hoher Standardisierungsgrad sowie eine nachhaltige Vorhaltung der Informationen sind gerade im Bereich der Geisteswissenschaften aufgrund der Unwiederbringlichkeit der Daten von besonderer Bedeutung.
Spacialist wurde als modulare erweiterbare Anwendungsplattform implementiert, die für jedes Forschungsprojekt separat instanziiert und angepasst werden kann. Die Anwendungsplattform basiert auf einem Metamodell, das Objekte und deren Eigenschaften und Beziehungen projektspezifisch definierbar macht. Für die Benennung von Objekten und deren Eigenschaften im Datenmodell bietet Spacialist das Erstellen von kontrollierten mehrsprachigen Vokabularen (Thesauri) nach dem XML-basierten W3C-Standard Simple Knowledge Organization System (SKOS). Die Bearbeitung des Projektthesaurus erfolgt mittels des dafür entwickelten Werkzeugs ThesauRex.
Die Kernfunktionalität von Spacialist besteht aus (a) einer hierarchischen Datenorganisation, (b) der Möglichkeit, die Datenobjekte mit anpassbaren Bearbeitungsmasken zu erfassen und kollaborativ zu bearbeiten, sowie (c) aus interaktiven Karten, auf denen Datenobjekte geografisch verortet werden können. Erweiterungsmodule bieten je nach Bedarf zusätzliche Funktionalität, wie beispielsweise Datenanalyse, Literaturverwaltung, Dateiverwaltung und -betrachtung oder ein Geografisches Informationssystem.
Spacialist basiert auf einem rollenbasierten Berechtigungsmodell, das auf die Anforderungen jedes Forschungsprojekts zugeschnitten werden kann. Für die Verwendung der Spacialist-Software ist lediglich ein Web-Browser nötig (siehe rechts den Screenshot des Hauptfensters eines Beispielprojekts zum Weltkulturerbe).
Spacialist ist als Open-Source-Software auf GitHub erhältlich:
Für die Projektkoordination und die Softwareentwicklung war das eScience-Center der Universität Tübingen verantwortlich. Während der Förderphase wurde unter anderem mit folgenden Partnern kooperiert: