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03.07.2019
Wer mit wem: Neue Methode zur Identifizierung von RNA-Protein Komplexen
Boten- oder messenger-RNA (mRNA) dient in allen Zellen der Übertragung der genetischen Information von der DNA im Zellkern zum Cytoplasma, dem Ort der Proteinsynthese. Die Forschung der letzten 25 Jahre hat gezeigt, dass diese mRNAs nicht nur reine Informationsübermittler sind, sondern dass sie vielfachen Kontrollmechanismen unterworfen sind, die ihre Lebensdauer oder ihre Verwertbarkeit bestimmen. Durch Anreicherung von mRNAs an bestimmten Orten innerhalb der Zelle lässt sich sogar kontrollieren, wo sie für die Proteinsynthese verwendet werden und wo nicht. Diese Kontrolle wird häufig von regulatorischen Proteinen vermittelt, die an verschiedenen Stellen der RNA binden und zusammen das Schicksal von mRNA Molekülen bestimmen. Neurologische Erkrankungen wie das Fragile X-Syndrom, Muskuläre Dystrophie oder Amyotrophe Lateralsklerose beruhen oft auf Verlust oder fehlerhaft funktionierenden RNA-bindenden Proteinen.
Hochdurchsatztechniken haben in den letzten Jahren viel zu unserem Wissen über die Vielfalt solcher RNA-bindenden Proteine beigetragen. Allerdings verstehen wir nur sehr wenig, wie diese Proteine zusammenarbeiten oder welche der Hunderte bekannter RNA-bindender Proteine in menschlichen Zellen an welche spezifische mRNA binden. In einer neuen Studie haben Tübinger Wissenschaftler mit der RNA-BioID ("RNA-Biotin Identification”) eine Methode entwickelt, die helfen wird, letztere Frage zu beantworten. Die Studie wurde in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences USA (PNAS) veröffentlicht.
„Das grundlegende Problem ist, dass Komplexe aus Proteinen und RNAs sehr instabil und somit sehr schwierig aufzureinigen sind“, sagt Professor Ralf-Peter Jansen vom Interfakultären Institut für Biochemie, der Leiter der Studie. „Dies haben wir umgangen, indem wir mit RNA-BioID in lebenden Zellen alle Proteine markiert haben, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Nähe der gewünschten RNA befunden haben. Anschließend kann man die Zellen zerstören und die markierten Proteine lassen sich sehr einfach isolieren und identifizieren.”
In Zusammenarbeit mit der Gruppe von Professor Boris Macek vom Proteomzentrum der Universität Tübingen gelang es, die Gesamtheit aller Proteine zu bestimmen, die mit der beta-Aktin mRNA interagieren (ihr sogenanntes “Interaktom”). Diese spezielle mRNA ist weiterverbreitet und kodiert für ein Protein des Zellskeletts mit essentiellen Funktionen in Neuronen und bei der Beweglichkeit von Zellen des Immunsystems. Unter den über Hundert neu identifizierten Proteinen befinden sich neben neuen RNA-bindenden Proteinen z.B. auch molekulare Motoren, die für die korrekte Verteilung dieser mRNA in den Zellen wichtig sind. „Derzeit versuchen wir, die interessantesten Kandidaten unter den gefundenen Proteinen herauszufiltern und zu bestimmen, welchen Aspekt der beta-Aktin mRNA Funktion sie kontrollieren”, sagt Joyita Mukherjee, die Hauptautorin der Studie. „Dabei arbeiten wir eng mit Professor Carolina Eliscovich vom Albert-Einstein College of Medicine in New York zusammen, die eine Expertin in der hochauflösenden Mikroskopie von RNA-Proteinkomplexen ist.“
In Zukunft soll die Methode auf andere Zellen wie Neurone und vor allem andere RNAs übertragen werden, um vergleichende RNA-Interaktome zu erstellen und so die bei allen RNAs wichtigen Schlüsselproteine zu ermitteln. Die Forscher erhoffen sich dabei auch neue Erkenntnisse zur Behandlung neurologischer Erkrankungen.
Orit Hermesh-Raue
Publikation:
Joyita Mukherjee, Orit Hermesh, Carolina Eliscovich, Nicolas Nalpas, Mirita Franz-Wachtel, Boris Maček, and Ralf-Peter Jansen: β-Actin mRNA interactome mapping by proximity biotinylation. PNAS, 2019. DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.1820737116
Kontakt:
Prof. Dr. Ralf-Peter Jansen
Universität Tübingen
Interfakultäres Institut für Biochemie
+49 7071 29-74161
ralf.jansenspam prevention@uni-tuebingen.de