attempto online Forschung
24.10.2018
Aus der Universität zu den Burgen der Region
Wissenschaftler des Sonderforschungsbereiches 1070 RessourcenKulturen untersuchen mittelalterliche Burgen und Adel auf der Schwäbischen Alb
Direkt vor der Haustür der Universität erstreckt sich eine der spannendsten Burgenlandschaften Deutschlands: Auf den Höhen der Schwäbischen Alb thronen bis heute zahlreiche Adelsburgen.
Im Mittelalter gab es um einige dieser Anlagen hochadliger Herren, wie dem Hohenstaufen oder der Burg Helfenstein der gleichnamigen Grafen, ganze Netze kleinerer Burgen ihrer Dienstleute. Einigen dieser Dienstmannen gelang im 12. bis 14. Jahrhundert der Aufstieg in den Adel – einige Geschlechter wie die Rechberger, deren Stammsitz Hohenrechberg bei Schwäbisch Gmünd ein beliebtes Ausflugsziel ist, existieren noch bis heute. Ressource dieses sozialen Aufstiegs waren die Burgen: Sie waren Wohn-, Wehr- und Wirtschaftsanlage und ermöglichten herrschaftlichen und administrativen Zugriff auf Personen und Landschaft. Die mittelalterlichen Bauten und ihre Bewohner prägen die Region bis heute maßgeblich. Doch über ihre Geschichte, etwa die der Burg Hohenstaufen und die damals dort ansässigen machtvollen Dienstmannen, liegt noch vieles im Dunkeln.
Das Projekt „Herrschaftsräume und Ressourcenerschließung im Mittelalter“ nimmt deshalb aus historischer und archäologischer Perspektive diese Burgenlandschaft in den Blick. Der historische Aspekt beschäftigt sich mit den Personen und deren Verbindung zu Burgennetzen, wohingegen der archäologische Teil Manifestationen von Herrschaft in der Landschaft, im Siedlungsbild von Dörfern und Gemarkungen, in Burgenbauten und ihnen verwandten Elementen adliger Architektur untersucht. Die Projektleitung liegt interdisziplinär in den Händen von Professorin Dr. Sigrid Hirbodian, Leiterin des Instituts für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften der Universität Tübingen und Professor Dr. Rainer Schreg, Professor für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit in Bamberg. Über die fachübergreifende Entschlüsselung der sozialgeschichtlichen und siedlungshistorischen Prozesse des Mittelalters soll so ein tieferes Verständnis der Region ermöglicht werden.
Will man diese Prozesse verstehen, ist man auf die Expertise vor Ort angewiesen. Im Frühjahr und Sommer diesen Jahres wurde deshalb in einem „Regionalgespräch“ in Tübingen und einem „Expertengespräch“ auf Schloss Filseck bei Göppingen mit Historikern, Bauforschern, Archäologen und Archivaren aus der Gegend diskutiert. Beim Expertengespräch erforschte man gemeinsam zwei touristisch und historisch spannende Anlagen, die Burg Wäscherschloss und die Burgstelle Burren bei Wäschenbeuren in Sichtweite des Hohenstaufen. Wichtigster Kooperationspartner des Projekts der Universität Tübingen ist dabei die Kreisarchäologie Göppingen.
Auch nächstes Jahr wird es ein Expertengespräch geben. Zudem sollen ausgewählte Anlagen geoarchäologisch untersucht werden, damit gezielte archäologische Eingriffe folgen können. Sobald das Laub sich lichtet, sind vielleicht auch ein Drohnenflug und Geländebegehungen möglich – denn nur so kommt man den Burgen in der Region auf die Spur.
Jonas Froehlich