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01.07.2021
Förderpreis des Fachverbandes für Medizingeschichte geht nach Tübingen
Laura Dierksmeier vom SFB 1070 RessourcenKulturen erhält den Preis für ihre Publikation Forbidden herbs: Alzate’s defense of pipiltzintzintlis (2020)
In ihrer Studie, die letztes Jahr im Journal Colonial Latin American Review veröffentlicht wurde, zeichnet Dierksmeier den Diskurs um das Für und Wider von medizinischem Cannabis-Konsum im Mexiko des 18. Jahrhunderts nach. Der Priester und Wissenschaftler José Antonio Alzate y Ramírez setzte sich dort für die heilende Wirkung der umstrittenen Pflanze ein – und legte sich dabei mit der spanischen Kolonialmacht und der Inquisition an.
Alzates Belege zum Nutzen von medizinischem Cannabiskonsum reichen von eigenen Erfahrungen, über Berichte von Ureinwohnern und Matrosen bis hin zu medizinischen Enzyklopädien. „Das Spannende ist dabei vor allem die Bandbreite der Quellen des 18. Jahrhunderts, die den medizinischen Marihuanakonsum unterstützten“, sagt Laura Dierksmeier. Alzate nenne hier bekannte Wissenschaftler der damaligen Zeit, wie den Naturforscher Jacques-Christophe Valmont de Bomare, den Mediziner Michael Etmüller, den Arzt und Mitbegründer der Wissenschaftsakademie „Royal Society of London“ Thomas Willis sowie die Ärzte Guy-Crescent Fagon und Engelbert Kämpfer.
In einem Zeitungsartikel von 1772 verteidigte Alzate Cannabis, das er unter dem Namen „Pipiltzintzintlis“ aus eigenen Anbau kannte: Er schrieb ihm einen wertvollen medizinischen Nutzen für die Behandlung von Husten, Gelbsucht, Tinnitus, Tumoren, Depressionen und vielem mehr zu. Zudem hielt er die Hanfpflanze für einen hervorragenden Rohstoff zur Herstellung von Seilen für Segelschiffe. Die Spanische Inquisition betrachtete das Halluzinogen hingegen als ein Mittel, um mit dem Teufel in Verbindung zu treten und hatte es daher verboten ‒ genauso wie viele andere psychoaktive Pflanzen oder Verhaltensweisen, die christlichen Grundsätzen angeblich widersprachen.
„Die Erkenntnisse der Studie können helfen, die gegenwärtige Legalisierungs-Debatte zu bereichern oder zumindest die verhärteten Fronten aufzubrechen“, sagt Dierksmeier. „Denn laut Alzate und den von ihm zitierten Wissenschaftlern überwiegt der Nutzen der Hanfpflanze als Baustoff oder Medizinpflanze die möglichen Nebenwirkungen. Oder wie José Antonio Alzate y Ramírez selbst sagte: ‚Ich glaube, ich habe die Vorteile der Nutzung von Pipilzitzintlis demonstriert, und wie wir in der Sprache der Theologen sagen: Es ist schlecht, weil es verboten ist, nicht verboten, weil es schlecht ist‘.“
Der Fachverband Medizingeschichte e.V. setzt sich seit 1978 für den kollegialen Meinungsaustausch von Medizinhistorikerinnen und -historikern ein und ist so eine wichtige Interessenvertretung des Fachs. Der Förderpreis ist mit 500,- € dotiert und wird einmal im Jahr vergeben.
Mitteilung des SFB 1070 "RessourcenKulturen"