29.01.2018
Das Institut für Kriminologie (IfK) der Universität Tübingen (Direktor: Prof. Dr. Jörg Kinzig) wird in einem neuen Forschungsprojekt die „Verständigungspraxis der Gerichte in Strafverfahren“ untersuchen. Gemeinsam mit Lehrstühlen der Universitäten Düsseldorf (Prof. Dr. Karsten Altenhain) und Frankfurt am Main (Prof. Dr. Matthias Jahn) erhielt es nach einem aufwändigen Ausschreibungsverfahren den Zuschlag für das Projekt, das vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gefördert wird. Die Wissenschaftler erhalten dabei für die Dauer von zwei Jahren insgesamt 300.000 Euro.
Bei der sogenannten Verständigung in Strafverfahren, die seit einigen Jahren in der Strafprozessordnung geregelt ist, einigt sich das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten auf den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens, beispielsweise auf eine Ober- und Untergrenze der Strafe im Fall eines Geständnisses des Angeklagten. Eine solche Verständigung dient vor allem dazu, langwierige Strafverfahren abzukürzen. Hintergrund des Forschungsvorhabens ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013 (2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168), in dem die Umsetzung der genannten Regelung in der Praxis überprüft wurde. In seiner Entscheidung bescheinigte das höchste deutsche Gericht zwar die Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Vorschriften. Zugleich forderte es den Gesetzgeber aber auf, die weitere Entwicklung der Verständigungspraxis im Auge zu behalten, um eine defizitäre Umsetzung der Verständigung auszuschließen.
Die am Projekt beteiligten Institutionen werden durch umfassende empirische Erhebungen überprüfen, in welchem Umfang und in welchen Verfahrenssituationen die Gerichte sich des Instruments der Verständigung bedienen und wie die gesetzlichen Vorgaben dabei umgesetzt werden. Das Institut für Kriminologie wird in seinem Teilprojekt eine bundesweite onlinegestützte Erhebung unter im Strafrecht arbeitenden Personen bei Gerichten, der Staatsanwaltschaft und der Strafverteidigung durchführen. Die Ergebnisse der Studie, die im März 2018 beginnen wird, werden im Frühjahr 2020 vorliegen.
Jörg Kinzig
Prof. Dr. Jörg Kinzig, Dipl.-Psych. Barbara Bergmann
Institut für Kriminologie
kinzigspam prevention@jura.uni-tuebingen.de