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05.07.2021
Künstliche Intelligenz als gesellschaftliche Herausforderung: das neue RHET AI Center
Neues Zentrum untersucht, wie gesellschaftliche Diskussion über KI gelingen kann
Künstliche Intelligenz (KI) stellt unsere Gesellschaft vor enorme soziale, kulturelle und ethische Herausforderungen. Aber wie funktionieren (selbst-)lernende Systeme und wie können sie genutzt werden? Mit welchen Risiken und Chancen ist der Einsatz von KI verbunden? Welche Systeme interagieren wirklich intelligent? Und wie verändern autonome algorithmische Entscheidungssysteme öffentliche Diskurse? Renommierte KI-Forschende wie Prof. Dr. Bernhard Schölkopf vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme sprechen von einer KI-Revolution, die die Welt verändern wird. Während die KI-Forschung schnell voranschreitet, treffen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung Faszination und Begeisterung, aber auch Zweifel, Skepsis und Ängste aufeinander. Zugleich beginnt die Politik auf nationaler und europäischer Ebene, die Regulierung von Anwendung und Forschung in diesem Bereich zu diskutieren.
Die Universität Tübingen hat nun den Zuschlag für ein Zentrum für Wissenschaftskommunikation erhalten, in dem unter anderem diese Fragen untersucht werden sollen. Die VolkswagenStiftung fördert künftig das neue Tübinger Center for Rhetorical Science Communication Research on Artificial Intelligence (RHET AI) mit 3,9 Millionen Euro.
Im Zentrum arbeiten dabei Partner mit unterschiedlichen Expertisen unter Leitung von Prof. Dr. Olaf Kramer (Seminar für Rhetorik der Universität Tübingen) zusammen. Durch die Kooperation mit dem Institut für Medienwissenschaft (Prof. Dr. Susanne Marschall), dem Zentrum für Medienkompetenz der Universität Tübingen (ZFM), dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Department für Wissenschaftskommunikation (Prof. Dr. Annette Leßmöllmann) sowie den KI-Forschungseinrichtungen des Cyber Valley Ökosystems und dem Praxispartner Wissenschaft im Dialog (WiD) in Berlin soll so der Stand der gesellschaftlichen Debatte umfassend analysiert werden, um auf dieser Basis neue Wege zu finden, wie Forschende mit unterschiedlichen Akteuren und Interessengruppen in Austausch treten können. Aus dem Cyber Valley Ökosystem sind Prof. Dr. Bernhard Schölkopf und Prof. Dr. Matthias Bethge für das TÜ AI Center sowie Prof. Dr. Ulrike von Luxburg und Prof. Dr. Philipp Berens für den Exzellenzcluster „Maschinelles Lernen für die Wissenschaft“ an dem Forschungsvorhaben beteiligt. Darüber hinaus gehören die beiden Postdoktoranden Dr. Markus Gottschling (Rhetorik) und Dr. Erwin Feyersinger (Medienwissenschaft) zu dem Zentrum für Wissenschaftskommunikation RHET AI.
Neue Kommunikationsformate werden entwickelt und erprobt
„Uns interessiert, wie eine gesellschaftliche Debatte rund um KI gelingen kann. Wir untersuchen, wie wir zu einer informierten kritischen Debatte über künstliche Intelligenz beitragen können, die ihrer enormen gesellschaftlichen Bedeutung Rechnung trägt“, sagt Kramer. Dabei geht es dem Zentrum zunächst darum, die aktuellen Diskurse zu verstehen und die rhetorischen, linguistischen und audio-visuellen Elemente der kursierenden KI-Narrative (in der Gesellschaft, in den Medien, in der Kunst) mit den Mitteln der Geistes- und Kulturwissenschaften zu untersuchen. Darüber hinaus sollen neue Kommunikationsformen und Formate entwickelt sowie regional und überregional erprobt werden. Dazu gehört auch die konstruktive Auseinandersetzung mit Konflikten, kollidierenden Interessen und einer allgemeinen Verunsicherung. Dazu kommt ein wachsendes Informationsbedürfnis der Menschen, auf deren Lebensumstände die bereits aktiven Systeme der künstlichen Intelligenz bereits heute und oftmals unbemerkt Einfluss nehmen.
„Wie sprechen Menschen über KI, wie drücken sie ihre Einstellungen dazu aus und wie gehen sie sprachlich mit der Forschung zu KI um? Diese Fragen wollen wir erforschen und damit auch Anstöße für die Entwicklung neuer Kommunikationsformate geben“, ergänzt Leßmöllmann.
Für die Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Susanne Marschall von der Universität Tübingen, die im Projekt das Thema Visuelle Kommunikation erforscht, spielen in dem Prozess der Entstehung von Vorstellungs- und Denkbildern zur künstlichen Intelligenz nicht zuletzt auch fiktionale Darstellungen aus Science-Fiction-Filmen eine Rolle. „Uns interessieren Formen der Selbstdarstellung und Promotion von KI-Entwickler:innen im Bereich der Robotik, die eine Beeinflussung durch Narrative literarischen oder filmkünstlerischen Ursprungs verraten“, sagt Marschall.
In Kooperation mit der Max Planck Research School for Intelligent Systems (IMPRS-IS) entwickelt das Zentrum spezielle Angebote, um Nachwuchsforschende in gesellschaftsorientierter Kommunikation rhetorisch weiterzubilden. Eine zusätzliche internationale Perspektive zur sozialen Reflexion von KI-Forschung bringt ein Austauschprogramm mit dem International Observatory on the Societal Impacts of AI and Digital Technology (OBVIA) ein.
Interdisziplinär und enger Austausch mit der Praxis – Journalist-in-Residence-Programm wird weitergeführt
Die Forschung des Zentrums wird in fünf Research Units stattfinden, die interdisziplinär geleitet werden und im engen Austausch mit der Praxis stehen. So sollen zum Beispiel nicht nur regionale Dialoge angestoßen, sondern auch Methoden der partizipatorischen Wissenschaftskommunikation fortentwickelt und in AI-Cafés und in der „I am a scientist“-Reihe bundesweit eingesetzt werden. „Uns war es wichtig, Angebote für diejenigen zu machen, die in Zukunft vor allem mit den Möglichkeiten und Auswirkungen von KI leben werden: Kinder und Jugendliche. Die langjährigen Erfahrungen von Wissenschaft im Dialog in diesem Bereich werden uns dabei helfen, schnell und großflächig mit vielen Schülerinnen und Schülern über die Chancen und Herausforderungen, die in der KI liegen, ins Gespräch zu kommen. So sollen sie dazu befähigt werden künftig informierte Entscheidungen über KI zu treffen“, so Christian Kleinert vom Praxispartner Wissenschaft im Dialog aus Berlin.
Für Cyber Valley ermöglicht die Kooperation mit dem RHET AI nicht nur die innovative Weiterentwicklung des Austauschs von Wissenschaft und Gesellschaft mit neuen Formaten, sondern auch die Weiterführung des bereits im Pilotprojekt sehr erfolgreichen Journalist-in-Residence Programms KI und Journalismus. „Das Zentrum ist ein weiterer wichtiger Baustein, um verschiedene fachliche und gesellschaftliche Perspektiven in die Forschung zu KI und in den Transferprozess zur Anwendung einzubeziehen“, so Cyber Valley Public Engagement Manager Patrick Klügel.
Pressekontakt:
Lennart Schmid
Pressereferent Cyber Valley
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