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28.09.2018
Neue Forschungsgruppe zum Stoffwechsel der Cyanobakterien
Wissenschaftler der Universität Tübingen untersuchen mit Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, wie die einzelligen Vorläufer der grünen Pflanzen den Schalter zwischen Fotosynthese und Kohlenhydratabbau umlegen
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet an der Universität Tübingen eine neue Forschungsgruppe zur Untersuchung des Stoffwechsels von Cyanobakterien ein, die als Vorläufer der Chloroplasten in Pflanzenzellen gelten. Für das Ökosystem Erde sind die mikroskopisch kleinen, aber in gewaltigen Massen auftretenden Cyanobakterien selbst von großer Wichtigkeit. Daneben bieten sie auch ein Modell für die stammesgeschichtlich eng verwandten Fotosynthese treibenden grünen Pflanzen, welche die Lebensgrundlage für eine Vielzahl an Organismen auf der Erde – wie auch den Menschen – bilden. Die DFG-Forschungsgruppe „The Autotrophy-Heterotrophy Switch in Cyanobacteria: Coherent Decision-Making at Multiple Regulatory Layers“ – „Der Autotrophie-Heterotrophie-Schalter in Cyanobakterien: Geregelte Entscheidungsfindung auf vielen Ebenen“ – soll Anfang 2019 ihre Arbeit aufnehmen mit einer Laufzeit von zunächst drei Jahren mit der Option auf Verlängerung um weitere drei Jahre bis Ende 2024. Sprecher der Forschungsgruppe ist Professor Karl Forchhammer vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen.
Cyanobakterien können – wie grüne Pflanzen – Fotosynthese betreiben. Mithilfe der Energie des Sonnenlichts setzen sie Kohlendioxid aus der Luft und Wasser zu Kohlenhydraten um und erzeugen dabei Sauerstoff. In der Nacht oder in bestimmten Stresssituationen schalten sie ihren Stoffwechsel um und bauen die Kohlenhydrate unter Sauerstoffverbrauch ab, um die freiwerdende Energie für ihre Lebensfunktionen zu nutzen. In der neuen Forschungsgruppe wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie der Schalter zwischen beiden Stoffflüssen umgelegt wird. „In den Bakterien läuft eine Vielzahl ineinander verschachtelter Stoffwechselwege gleichzeitig ab. Uns interessiert, wie der Wechsel zwischen den beiden Stoffwechseltypen, der Kohlendioxidfixierung im Licht zum Atmungsstoffwechsel mit Abbau der Kohlenhydrate und umgekehrt, bewerkstelligt wird, ohne dass in der Zelle Chaos entsteht“, erklärt Karl Forchhammer. Da auch die grünen Pflanzen ständig zwischen Licht und Dunkelheit einen solchen Wechsel vollziehen müssen, seien die Ergebnisse von weitreichender Bedeutung.
Die einzelligen Cyanobakterien besiedeln die gesamte belichtete Biosphäre. „An Standorten, wo sich Pflanzen nicht ausbreiten können, sind sie es, die am Anfang der Nahrungsketten stehen, zum Beispiel in den Ozeanen, aber auch in Wüsten, in arktischen Gebieten oder im Hochgebirge“, sagt Forchhammer. „Cyanobakterien haben darüber hinaus eine Fähigkeit, die Pflanzen nicht haben: Sie können den Stickstoff aus der Luft fixieren um daraus Zellmaterial zu machen. Sie tragen damit entscheidend zur Bodenfruchtbarkeit bei und sind häufig die Erstbesiedler auf kahlen Oberflächen wie Felsen oder Beton.“ Neuerdings werde vermehrt versucht, Cyanobakterien als „grüne Zellfabriken“ zur Herstellung von Wertstoffen zu nutzen.
Von der Universität Tübingen ist außer Karl Forchhammer auch Professor Boris Maček vom Proteom Centrum an der Forschungsgruppe beteiligt. Die Tübinger Forscher arbeiten mit Kolleginnen und Kollegen der Universitäten Freiburg, Duisburg-Essen und Rostock sowie dem Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam zusammen.
Janna Eberhardt