Uni-Tübingen

attempto online Forschung

12.09.2019

Neues Verfahren zur Proteinherstellung aus Abfall

Versorgung für eine wachsende Weltbevölkerung?

Das neue biotechnologische Verfahren hat das Potenzial eine zukünftige Weltbevölkerung klimaneutral mit Eiweiß zu versorgen, ohne dafür auf konventionelle Landwirtschaft angewiesen zu sein.

Umweltbiotechnologen der Universität Tübingen haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich Abfallprodukte und elektrische Energie in essbares Eiweiß umwandeln lassen. Die so entstandenen Proteine seien als Ernährungsbausteine für Menschen geeignet und könnten dazu beitragen, die wachsende Menschheit zusätzlich zur konventionellen Landwirtschaft mit Proteinen zu versorgen, sagen Professor Lars Angenent und Dr. Bastian Molitor. Nach weiteren Anpassungen sehe die Wissenschaftler sogar das Potenzial, mit dem biotechnologischen Verfahren eine künftige Erdbevölkerung von zehn Milliarden Menschen umweltfreundlich mit Eiweiß zu versorgen.

Übermäßiger Fleischkonsum schadet Tieren und dem Klima. Dies motiviert Wissenschaftler weltweit, an alternativen Strategien zur Produktion von nicht-tierischem Protein zu arbeiten, das als Futtermittel oder Lebensmittel für Menschen geeignet ist. Sie machen sich dabei zunutze, dass Proteine leicht aus Abfällen hergestellt werden können. So auch in dem zweistufigen Verfahren, mit dem das Tübinger Wissenschaftlerteam um Lars Angenent eine Hefebiomasse produzieren kann, die 40 bis 50 Prozent Protein in der Trockenmasse enthält. Diese könnte zu einer Paste und dann wiederum künftig beispielsweise als Fleischersatz in Lebensmitteln verarbeitet werden. Allerdings sei noch ein Stück Weg zu einem marktfähigen Produkt zurückzulegen.

In einem ersten Bioreaktor wandelt zunächst das Bakterium Clostridium ljungdahlii Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid in Essigsäure um. Und dies umweltfreundlich: Der Wasserstoff wird aus regenerativer Energie (beispielsweise Wind- und Solarenergie) durch die Elektrolyse von Wasser gewonnen. Das Kohlenstoffdioxid stammt aus Quellen wie Biogas- oder Bioethanolanlagen. Die Essigsäure wird dann in einen zweiten Bioreaktor geleitet, in dem sie durch Saccharomyces cerevisiae (Bäckerhefe) und zusätzlich zugeführtes Ammonium als Stickstoffquelle in Biomasse umgewandelt wird. Das hier verwendete Ammonium könnte wiederum aus Siedlungsabwässern oder aufbereitetem Urin gewonnen werden und so zur Kreislaufwirtschaft beitragen. 

Dass ein mikrobielles Produkt für den menschlichen Konsum geeignet sein kann und erfolgreich vermarktet werden kann, zeigt Quorn: Der proteinreiche Lebensmittelersatz wird biotechnologisch mit Zucker als Ausgangsstoff hergestellt und ist bereits in vielen deutschen Supermärkten erhältlich. Mit dem neuen Tübinger Verfahren ließe sich auf Zucker aus konventioneller Landwirtschaft als Ausgangsstoff verzichten, so die Wissenschaftler. Auch dies trage dazu bei, den CO2-Fußabdruck des Verfahrens gering zu halten. „Um industrielle Mengen an Protein herzustellen, müsste das Tübinger System allerdings noch eine 18-fach höhere Produktionsrate erreichen“, sagt Bastian Molitor. „Wir müssten uns von momentan 0.07 g/L/h (Gramm pro Liter Bioreaktorvolumen pro Stunde) auf 1.25 g/L/h steigern, dies entspräche der Produktionsrate der Quorn-Herstellung.“

Die Forschungsergebnisse wurden im Fachjournal Energy and Environmental Science veröffentlicht. Weitere Optimierungen seien notwendig, sagen die Wissenschaftler. Zudem brauche es Studien zu politischen, sozialen und ökonomischen Fragen, die ein solches Konzept aufwerfe, wie etwa welcher Preis marktfähig sei, wer von der Vermarktung profitiere oder welche Auswirkungen ein solches Ersatz-Protein auf die Landwirtschaft habe. „Für eine nachhaltige Gesellschaft müssen wir uns von einer fossilbasierten und verschwenderischen Wirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft umorientieren, die sich auf erneuerbare Quellen stützt. Menschliche Abfälle sind hier eine wichtige Quelle für Nährstoffe und Kohlenstoff, die Ressourcenrückgewinnung ist inzwischen eine wichtige Säule der Umwelttechnikforschung“, so Bastian Molitor.

Publikation:

Antje Karbe und Maximilian von Platen

Kontakt: 

Dr. Bastian Molitor
Universität Tübingen
Umweltbiotechnologie
+49 7071 6011310
bastian.molitorspam prevention@uni-tuebingen.de 

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