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04.05.2021

Swabian MOSES: Von Gewittern über Starkregen bis Dürreperioden

Forschungsverbund mit Beteiligung der Universität Tübingen startet Messkampagne zu hydro-meteorologischen Extremen im Bereich der Schwäbischen Alb

Tübinger Teilprojekt: CTD-Turbidity-Sonde an einem Flussufer, sie misst die elektrische Leitfähigkeit, die Wassertemperatur, den Wasserstand und die Trübe.

Extreme Wetterereignisse wie starke Gewitter, Hagel oder Hitzeperioden haben in den letzten Jahren auch in Deutschland zugenommen und verursachen teils große wirtschaftliche und infrastrukturelle Schäden. Die komplexen physikalischen Prozesse, die beim Entstehen dieser Wetterereignisse ablaufen, untersucht die Helmholtz-Initiative MOSES. Ziel der nun startenden Messkampagne „Swabian MOSES“ ist es, die Ursachen, Auswirkungen und Wechselwirkungen hydro-meteorologischer Extreme ganzheitlich zu untersuchen. Im Untersuchungsgebiet in Baden-Württemberg treten sowohl Gewitter als auch Hitze- und Dürreperioden häufig auf. Neben dem federführenden Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sind auch drei Wissenschaftlerinnen vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen daran beteiligt: Prof. Dr. Beate Escher (Umwelttoxikologie), Dr. Stephanie Spahr (Wasser- und Umweltchemie) sowie Dr. Clarissa Glaser(Umweltsystemanalyse). 

Die Messkampagne „Swabian MOSES“, die vom KIT koordiniert wird, startet im Mai im Bereich der Schwäbischen Alb und des Neckartals in Baden-Württemberg und läuft voraussichtlich bis Mitte September. In deren Mittelpunkt stehen zwei hydro-meteorologische Extreme – Trockenheit und Starkniederschlag. So führte die Häufung von mehrwöchigen Trockenperioden in den Jahren 2018 bis 2020 dazu, dass im letzten Jahr der Grundwasserspiegel auf einen historischen Niedrigstand sank und viele Flüsse ein ausgeprägtes Niedrigwasser führten – mit erheblichen Einschränkungen für Schifffahrt, Bewässerung und Kraftwerkskühlung. 

Weitere Projektpartner sind das Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) aus Leipzig, das Forschungszentrum Jülich (FZJ), die Universität Hohenheim, die Technische Universität Braunschweig, das Helmholtz Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie der Deutsche Wetterdienst (DWD).

Tübinger Projektteil: Auswirkungen von Starkniederschlagsereignissen auf Flüsse

Starke Regenfälle führen in Flüssen und Bächen zu hohen Abflüssen und der Mobilisierung von Schwebstoffen und Schadstoffgemischen mit oft unbekannter Toxizität. Die Forschenden der Universität Tübingen und des UFZ Leipzig werden zwei Flüsse untersuchen, die sich in der Landnutzung und dem Grad der Urbanisierung unterscheiden: Ammer und Steinlach. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den gelösten und partikelgebundenen Schadstoffen, die durch Starkregen aus verschiedenen Quellen in Fließgewässer gelangen, und der daraus resultierenden Toxizität. Es werden Wasserproben in zeitlich hoher Auflösung über die Dauer eines Starkniederschlagsereignisses an zwei ausgewählten Stellen an den Einzugsgebietsausläufen (Ammer und Steinlach) gesammelt. Hierbei kommt ein automatisiertes Probenahmeverfahren (Autosampler) zum Einsatz. 

Während starker Regenfälle tragen verschiedene Zuflüsse zu Wasser- und Partikelfluss und darüber zu Schadstoffeinträgen in die Ammer und Steinlach bei. Ziel des Tübinger Forschungsteams ist es daher auch, die Haupteintragspfade von gelösten und partikelassoziierten Schadstoffen im Einzugsgebiet beider Fließgewässer zu identifizieren und zu unterscheiden. Das Hauptaugenmerk liegt speziell auf dem Abfluss von Autobahnabläufen, urbanen Flächen einschließlich Regenüberläufen aus der Siedlungsentwässerung und landwirtschaftlichen Entwässerungsgräben als Hauptverschmutzungsquellen. An ausgewählten Stellen werden automatische Probenehmer installiert und ergänzend Schöpfproben entnommen. Zusätzlich zu den organischen Verunreinigungen und der Toxizität von Gemischen werden auch quellenspezifische Tracer wie gelöster organischer Kohlenstoff und Schwermetalle gemessen.

Probenentnahme mit Sonden und Autosamplern
Während Hochwasserereignissen verändern sich die hydrologischen und wasserchemischen Parameter innerhalb kürzester Zeit. Um diese Dynamik zu erfassen, sind neun kontinuierlich messende Sonden an drei Standorten in den Flüssen Ammer, Steinlach und Goldersbach installiert. Beispielsweise misst die CTD-Turbidity-Sonde die elektrische Leitfähigkeit, die Wassertemperatur, den Wasserstand und die Trübe. Andere Sonden erfassen die Parameter Sauerstoff, pH-Wert und Chlorophyll.

Für alle Wasserqualitätsparameter, die nicht mit Sonden erfasst werden können, werden automatische Probenehmer, die sogenannten Autosampler eingesetzt. Eine integrierte Pumpe zieht Wasserproben in vorher definierten Zeitintervallen und befüllt Glasflaschen, die sich im Inneren des Geräts befinden. Indem die Autosampler beispielsweise viermal pro Stunde, also alle 15 Minuten, ein Volumen von 250 Millilitern in dieselbe 1 Liter Flasche pumpen, werden Wassermischproben generiert, die Veränderungen in der Wasserchemie bei Hochwasserereignissen zeitproportional widerspiegeln. Zusätzlich zu automatisch generierten Wassermischproben, werden an einigen Standorten händische Stichproben entnommen, vor allem um den Schadstoff-Eintrag durch spezifische Quellen wie urbane Flächen oder Straßenablauf zu entschlüsseln.

Chemische und bioanalytische Methoden
Die während eines Regenereignisses gesammelten Proben werden im Labor des Geo- und Umweltforschungszentrums der Universität Tübingen aufbereitet. Mittels instrumenteller Analytik sollen anschließend komplexe Chemikalien-Gemische im Wasser identifiziert und deren toxische Wirkungen mittels bioanalytischer Verfahren bestimmt werden. Hierbei werden im Wasser gelöste Schadstoffe und an Partikel gebundene Chemikalien durch Filtration voneinander getrennt und separat voneinander untersucht. Analysen an der Uni Tübingen umfassen beispielsweise Nährstoffe wie Nitrat, Partikelgrößenverteilung und die Bestimmung von gelöstem Kohlenstoff. Organische Schadstoffe und deren Mischungstoxizität werden am UFZ mit der bioanalytischen Hochdurchsatzplattform CITEPro untersucht.

Projekte der Partner im Forschungsverbund

Auswirkungen von Gewittern auf Atmosphäre, Klima und Ökosysteme
Das KIT setzt sein mobiles Observatorium KITcube ein. „Der KITcube liefert detaillierte Informationen über den Zustand der Atmosphäre bei der Entstehung und Entwicklung von Gewittern, dem ersten Schwerpunkt der Messkampagne“, so Dr. Andreas Wieser, wissenschaftlicher Direktor des KITcube. „Dies gelingt durch die Kombination modernster Fernerkundungsgeräte und einer Vielzahl im Messgebiet verteilter lokaler Messsysteme.“ Dazu zählen unter anderem ein hochmodernes Wolkenradar, ein Niederschlagsradar, ein Netzwerk aus Lidaren, mit denen atmosphärische Luftströmungen mithilfe von Lasern erfasst werden können, Wetterballons und Wetterstationen. Eine neuartige mobile Wolkenkammer des KIT misst die Menge an eisbildenden Partikeln, die in Gewitterwolken für die Niederschlags- und Hagelbildung mitverantwortlich sind. Erstmalig erprobt das KIT zudem kleine Schwarmsonden, die innerhalb einer Gewitterwolke die Windverhältnisse und damit auch die Bahnen von Hagelkörnern nachbilden, um die Wachstumsprozesse der Niederschlagsteilchen, insbesondere von Hagel, besser zu verstehen. 

Die Universität Hohenheim betreibt während der Kampagne am Land-Atmosphäre Feedback Observatorium (LAFO) ihr Netz aus Bodenfeuchte- und Energiebilanzstationen zur Messung von Energie-, Feuchte- und CO2-Flüssen in Bodennähe, sowie mehrere moderne Lidar-Fernerkundungsgeräte, die gleichzeitig die Verteilung der Luftfeuchtigkeit, der Temperatur und des Windes sowie deren Fluktuationen in der Atmosphäre messen. 

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich lassen Ballonsonden bis in 35 Kilometer Höhe steigen, um unter anderem zu ermitteln, wie sich Gewitter langfristig auf das Klima auswirken. Der DWD führt am Standort Stuttgart-Schnarrenberg zusätzliche Ballonaufstiege durch, sodass Informationen über wichtige Wetterparameter im Vorfeld von Gewittern gewonnen werden. Zwei Forschungsflugzeuge der Technischen Universität Braunschweig sammeln Daten in Gewitternähe während drei Wochen im Juni und Juli. An Bord integrierte Messgeräte erlauben die Bestimmung von Energie- und Feuchteflüssen innerhalb der Atmosphäre. Eingebaut ist zudem ein vom KIT entwickeltes Lidar, das vertikale Windprofile entlang der Flugstrecke erfasst, welche Rückschlüsse auf die Strömung in den Entstehungsgebieten von Gewittern ermöglichen.

Entwicklung von Hitze- und Dürreperioden in der Region
Um die Auswirkungen von Hitze- und Dürrestress auf landwirtschaftliche Flächen der Schwäbischen Alb zu erfassen, werden seitens des KIT an mehreren Standorten Messstationen errichtet, die den Energie- und Stoffaustausch zwischen den betroffenen Ökosystemen und der Atmosphäre quantifizieren. Das GFZ ergänzt diese Messungen aus der Luft über entsprechende an Drohnen befestigte Sensoren. Zusätzlich installiert das KIT mehrere Aerosolmessgeräte, um Zusammenhänge zwischen deren Verteilung und Hitze- und Dürreperioden zu erforschen.  

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des UFZ untersuchen die Dynamik der Bodenfeuchte als eine zentrale Steuergröße für den Abfluss des Regenwassers sowie für die Dürreentwicklung. Dazu installiert das UFZ während der Messkampagne mobile, drahtlose Sensornetzwerke, welche die Bodenfeuchte und -temperatur in verschiedenen Tiefen messen. Um großräumige Variationen der Bodenfeuchte zu beobachten, kommt zusätzlich ein Geländefahrzeug mit speziell entwickelten Neutronensensoren (Cosmic Ray Rover) zum Einsatz. Das DLR erfasst die oberflächennahe Bodenfeuchte zusätzlich mit Radar-Flugzeugmessungen. Die Forschenden setzen hierfür innovative Abbildungsverfahren ein und erproben neue Algorithmen. Um in den Boden einzudringen, verwenden sie langwellige elektromagnetische Wellen, die abhängig von der Bodenfeuchte und der Vegetation ein charakteristisches Signal abbilden. Die Ergebnisse dienen auch dem Vergleich der verschiedenen Messmethoden im Hinblick auf ihre Genauigkeit. 

Pressemitteilung des KIT

Weitere Informationen: 

Swabian MOSES   
MOSES allgemein   
MOSES – zur rechten Zeit am rechten Ort  
Details zum KIT-Zentrum Klima und Umwelt 

Kontakt:

Dr. Clarissa Glaser
Universität Tübingen

Center for Applied Geoscience

 +49 7071 29-74038

clarissa.glaserspam prevention@uni-tuebingen.de

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