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17.12.2021
Vielfalt an Wassernutzungsstrategien von Pflanzen machen Wälder resilienter gegen extreme Dürren
Tübinger Forschende beteiligt: Projekt untersucht im künstlichen Regenwald „Biosphere 2“ wie Wasser und Kohlendioxid durch dürregestresste Pflanzen und Böden fließen – Ergebnisse können helfen, Wälder widerstandsfähiger zu machen und Klimamodelle zu präzisieren
Wie genau reagieren der tropische Regenwald und seine Pflanzen auf extreme Dürre? Solche Prozesse zu verstehen ist maßgeblich, um Wälder widerstandsfähiger gegen Trockenheit im Klimawandel zu machen und um Klimamodelle weiter zu präzisieren. Tübinger Wissenschaftlerinnen sind an einem Projekt um Professorin Christiane Werner von der Universität Freiburg beteiligt, das zu dieser Frage das bislang umfassendste Experiment durchgeführt hat. Dafür setzte das Team im US-Forschungszentrum Biosphere 2 einen künstlichen Regenwald 9,5 Wochen Dürre aus und beobachtete, welche Strategien unterschiedliche Pflanzen gegen die Trockenheit anwendeten.
Insgesamt wurde ein komplexes Zusammenwirken von unterschiedlich dürreresistenten Bäumen und Pflanzen sichtbar, das ausschlaggebend dafür war, die Stabilität des gesamten Waldsystems so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Zudem ergab das Experiment weiteren Aufschluss, wie sich Dürre auf die CO2-Speicherung des Waldes auswirkt und wie Gasemissionen von dürregestressten Pflanzen die Atmosphäre und das Klima beeinflussen können. Zu dem internationalen Team aus Hydrologen, Ökophysiologen, Mikrobiologen, Ökologen, Bodenwissenschaftlern, Biogeochemikern und Atmosphärenforschende gehörte Michaela Dippold, Professorin für Geosphären-Biosphären-Wechselwirkungen an der Universität Tübingen. Die Studie wurde im Magazin Science veröffentlicht.
Pflanzen arbeiteten durch komplementäre Strategien zusammen
Die Forschenden identifizierten vier Pflanzentypen mit unterschiedlichen Reaktionen auf die erzeugte Dürre: trockentolerante und trockenheitsempfindliche und in diesen beiden Kategorien große, kronenbildende Bäume sowie Unterwuchsarten. „Erstaunlich war die Reaktion zwischen den großen, trockenheitstoleranten und -empfindlichen Bäumen“, erläutert Christiane Werner. Die empfindlichen verbrauchen generell am meisten Wasser, besonders aus dem Oberboden. Da dieser auch am schnellsten austrocknete, litten sie am intensivsten am Wassermangel.
Entgegen der Vermutung zapften sie aber nicht umgehend Wasserressourcen im tiefen Boden an. „Stattdessen drosselten sie ihren Wasserverbrauch drastisch und griffen erst unter extremer Dürre auf ihre Tiefwasserreserven zurück“, sagt Werner. Damit schonten sie möglichst lange tiefliegende Wasserreserven, auch für die trockenheitstoleranten Bäume.“ Diese hingegen erhielten durch ihren ohnehin geringeren Wasserdurchfluss länger ihr Blätterdach, was wiederum längere Feuchtigkeit im Unterwuchs unterstützte – ein geschonter Unterwuchs wirkt der Austrocknung im Oberboden entgegen, von dem die trockenheitsempfindlichen Bäume stark abhängen. Das Wasser blieb durch das komplexe Zusammenwirken also länger im gesamten System. „Damit zeigt sich“, so Werner, „dass Pflanzen in einem Waldsystem unterschiedliche und gleichsam komplementäre hydraulische Strategien evolutionär entwickeln können – und mit diesem Zusammenspiel die Widerstandsfähigkeit des gesamten Waldes gegen Trockenheit erhöhen.“
Für ihre Erkenntnisse untersuchten die Forschenden die Flüsse von H2O und CO2. Sie gaben markiertes 13CO2 und 2H2O in die Biosphere 2 und verfolgten, wie sich diese Stoffe durch die Bäume, Pflanzen und Böden verteilten. So konnten sie unter anderem beobachten wie intensiv Wasserverbrauch und -durchfluss der Pflanzen war, aus welchen Bodenregionen diese Wasser entnahmen und, wie und wo CO2 in den Pflanzen und Böden gespeichert und in die Atmosphäre abgegeben wurden. Erstmals wurde ein solches Markierungsexperiment in einem ganzen Wald durchgeführt, was nur innerhalb des abgeschlossenen Systems der Biosphere 2 möglich ist.
Veränderungen beeinflussen Bodenmikrobiom
So ließ sich bei der Speicherung und Emission von CO2 unter anderem beobachten, dass die Kohlenstoffspeicherung des Waldsystems sich um circa 70 Prozent verringerte. Das Team der Universität Tübingen um Michaela Dippold und Postdoktorandin Lingling Shi beschäftigte sich vor allem damit, wie sich dies auf die Kohlenstoffvorräte und -umsätze im Boden auswirkt. „Die Pflanzentypen, die sich anhand ihrer oberirdischen Reaktion auf Dürre unterscheiden lassen, reagieren auch unter der Oberfläche äußerst verschieden auf Wasserstress“, erklärt Michaela Dippold. „Manche erhöhen ihren Feinwurzelanteil, andere bilden neue Wurzeln in der Tiefe und wieder andere erhöhen die Wurzelausscheidungen in den tiefen, noch feuchten Bodenhorizonten um von dort Wasser- und Nährstoffaufnahme sicherzustellen.“
Solche Veränderungen von Wurzel und wurzelnahem Raum – der sogenannten Rhizosphäre – beeinflussen das Bodenmikrobiom und darüber alle Prozesse des Bodenkohlenstoffkreislaufes. Das Tübinger Team klärte veränderte Interaktionen von Wurzel, Boden und Mikroorganismen unter Trockenstress auf und untersuchte auf Basis der Kombination beider eingesetzter Isotope die komplexe Interaktion von Wasser- und Kohlenstoffkreislauf in der Rhizosphäre von Bäumen.
„All diese Erkenntnisse sind insofern auch wichtig für die Klimaforschung“, so Christiane Werner. „Welche Wassernutzungsstrategien Pflanzen gegen Dürre einsetzen und wie sie dabei mit anderen Pflanzen, mit den Böden und der Atmosphäre interagieren – all das kann Modellierungsstudien zum Klimawandel künftig präziser machen“, sagt Christiane Werner.
Publikation:
Ecosystem fluxes during drought and recovery in an experimental forest, Science, doi: https://www.science.org/doi/10.1126/science.abj6789
Weitere Informationen:
Video: Projektleiterin Professorin Dr. Christiane Werner erläutert die Forschungsarbeiten
Science Perspective: Ecosystem effects of environmental extremes
Mitteilung der Universität Freiburg / Antje Karbe
Kontakt:
Jun.-Prof. Michaela Dippold
Zentrum für angewandte Geowissenschaften, Geo-Biosphären-Wechselwirkungen
+ 49 7071 29-74796
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