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15.08.2018
Wirkstoffforschung: BW Stiftung fördert fünf Projekte an der Universität Tübingen
Programm "Wirkstoffforschung" soll die Forschung und Entwicklung an besonders innovativen, neuen Wirkstoffen in Baden-Württemberg stärken
Im Rahmen des Programms "Wirkstoffforschung" fördert die Baden-Württemberg Stiftung künftig fünf Projekte an der Universität Tübingen.
Herstellung neuartiger, resistenzbrechender Wirkstoffe durch Mutasynthese-Verfahren
Antibiotika-resistente Keime stellen vor allem in Krankenhäusern ein immer größer werdendes Problem dar. Die Tübinger Mikrobiologinnen Evi Stegmann und Yvonne Mast arbeiten an einem Verfahren zur Herstellung von neuen, resistenzbrechenden Antibiotika. Im Rahmen eines von der BW Stiftung geförderten Projektes sollen zwei, sich in der medizinischen Anwendung befindende Notfallantibiotika-Gruppen (Glykopeptide und Streptogramine) optimiert werden. Bei beiden Antibiotikagruppen sind die ungewöhnliche Aminosäure Phenylglycin bzw. Derivate davon essentieller Bestandteil und für die Interaktion mit dem jeweiligen Target wichtig. Eine gezielte Veränderung des Phenylglycin-Bausteins soll die Herstellung neuer Antibiotikaderivate ermöglichen. Hierzu werden geeignete Antibiotika-Blockmutanten erzeugt und mit Phenylglycin-Derivaten gefüttert. Ein solches Verfahren nennt sich Mutasynthese. Die Phenylglycin-Derivate werden dabei in einem neuen Biokatalyse-Verfahren vom Projektpartner Jung-Won Youn vom Institut für Mikrobiologie an der Universität Stuttgart hergestellt. Die auf diese Weise modifizierten Antibiotika sollen letztlich verbesserte antibiotische bzw. resistenzbrechende Eigenschaften besitzen.
Pathoblocker gegen Infektionen durch Salmonellen
Der Tübinger Infektionsbiologe Samuel Wagner und sein Team entwickeln einen sogenannten Pathoblocker gegen Infektionen durch Salmonellen. Diese neuartigen Wirkstoffe zielen im Gegensatz zu Antibiotika nicht auf eine direkte Wachstumshemmung oder ein Abtöten, sondern auf ein Herabsetzen der krankmachenden Wirkung dieser Erreger. Durch diesen Ansatz erhofft man sich zum einen eine geringere Anfälligkeit für Resistenzentwicklung sowie weniger Nebenwirkungen durch ein Schonen der humanen Darmflora.
Salmonellen gehören zu den bedeutendsten Erregern von Lebensmittelinfektionen und verursachen weltweit über 100 Millionen Erkrankungen jährlich. Eine sehr hohe ökonomische Last sowie eine insbesondere bei Kindern und immunsuprimierten Patienten hohe Sterblichkeit und eine ansteigende Antibiotikaresistenz begründen eine hohe Relevanz der Entwicklung von neuartigen Präventions- und Therapiemöglichkeiten gegen Salmonellen. Der von Wagner entwickelte Wirkstoff hemmt sowohl die bakterielle Adhäsion an als auch die Invasion in Darmwandzellen sowie die Entwicklung der Salmonellen-induzierten Darmentzündung. Daher besitzt dieser Wirkstoff ein großes Potenzial zum Einsatz als Pathoblocker zur Prävention und Therapie von Infektionen durch Salmonellen.
Im Rahmen des Bewilligten Antrags wollen Wagner und seine Projektpartner Antti Poso (Innere Medizin VIII, Tübingen) Marcus Hartmann (MPI Tübingen) und Mark Brönstrup (HZI Braunschweig) die Struktur-Aktivitäts-Beziehung und den Wirkmechanismus des Wirkstoffs analysieren sowie eine detailierte Validierung der Zielstruktur mittels bakterieller Genetik, Strukturbiologie und Bioinformatik durchführen.
Entwicklung eines Pan-Flavivirus Inhibitors, der effizient unterschiedlichste Viren aus der Familie der Flaviviren blockiert
Das Team um den Tübinger Virologen Michael Schindler treibt die präklinische Entwicklung eines Pan-Flavivirus Inhibitors voran, in Kooperation mit Stefan Laufer (Pharmazeutische Chemie), Thilo Stehle (Biochemie) und Antti Poso (Innere Medizin). Dabei handelt es sich um ein Molekül welches in Zellkultur sehr effizient unterschiedlichste Viren aus der Familie der Flaviviren blockiert. Dazu gehören zum Beispiel das Hepatitis-C-Virus oder die durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningitis. Aber auch Viren die in unseren Breiten noch nicht vorkommen und durch Stechmücken übertragen werden. Diese sind aufgrund der Klimaerwärmung in Deutschland mittlerweile heimisch und in Zukunft ein potentielles Reservoir für die viralen Erreger, wie beispielsweise das Dengue-Virus, welches schwere hämorrhagische Fieber verursachen kann, oder das Zika-Virus.
Ungewöhnlich an dem von Schindler entdeckten Wirkstoff ist die breite Effizienz gegen die diversen Viren. Deshalb soll im Detail der Wirkmechanismus aufgeklärt werden, der vermutlich auf einer konservierten Struktur im viralen Kapsid beruht. Ein weiteres Ziel ist die Optimierung der Substanz für die Testung im Tiermodell und am Menschen.
Die Arbeiten von Schindler und seinem Team könnten somit erstmals zu einem Medikament führen, welches ein breites antivirales Wirkspektrum ähnlich zu einem Antibiotikum bei Bakterien hat. Somit ist das Projekt ein wichtiger Meilenstein im Kampf gegen neu-auftretende und akute Virusinfektionen die schwerwiegende Krankheiten beim Menschen verursachen.
Yvonne Mast
Übersicht über alle fünf Tübinger Projekte:
- Projekt 1: Developing novel cyclic GMP analogues for the treatment of hereditary retinal degeneration (RD-DRUG-DEV)
Projektkoordinator
Prof. Dr. François Paquet-Durand
Universitätsklinikum Tübingen
Forschungsinstitut für Augenheilkunde, Department für Augenheilkunde - Projekt 2: Target validation of HilD, Salmonella’s central regulator of pathogenicity (SALPATHOBLOCK)
Projektkoordinator
Prof. Samuel Wagner, PhD
Universität Tübingen
Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin
Sektion für Zelluläre und Molekulare Mikrobiologie - Projekt 3: Characterization and optimization of C10 - a broadly acting flavivirus assembly inhibitor. (Optimize C10)
Projektkoordinator
Prof. Dr. Michael Schindler
Universitätsklinikum Tübingen
Medizinische Virologie und Epidemiologie der Viruskrankheiten
Arbeitsgruppe Molekulare Virologie - Projekt 4: Potent and sustained inhibition of p38α (Mapk14) for the treatment of advanced colorectal Cancer (IMPROVE-CRC)
Projektkoordinator
Prof. Dr. Stefan Laufer
Universität Tübingen
Pharmazeutische Chemie
Pharmazeutisches Institut - Projekt 5: Herstellung neuartiger, resistenzbrechender Wirkstoffe durch Mutasynthese-Verfahren
Projektkoordinatorin
PD Dr. Evi Stegmann
Universität Tübingen
Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin (IMIT)
Lehrstuhl für Mikrobiologie/Biotechnologie