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10.09.2020
Engagierte und querdenkende Lehrtalente gefunden: 3 FundaMINT-Stipendien gehen nach Tübingen
Deutsche Telekom Stiftung und Vector Stiftung fördern angehende Lehrerinnen und Lehrer, die an der Universität Tübingen MINT-Fächer studieren
Für eine gute Schulausbildung werden engagierte und motivierte Lehrer benötigt. Das FundaMint-Stipendienprogramm unterstützt angehende Lehrerinnen und Lehrer in den MINT-Fächern Mathematik, Physik, Technik, Chemie oder Informatik. Seit 2012 fördert die Deutsche Telekom Stiftung mit Unterstützung durch die Vector Stiftung über dieses Programm bis zu 35 Studierende im Master of Education für zwei Jahre. Drei der 35 Stipendiatinnen und Stipendiaten des 8. FundaMINT-Jahrgangs kommen von der Universität Tübingen. Förderungsbeginn ist im Oktober 2020.
Lea Hoenig ist 23 Jahre alt und studiert Mathematik und Biologie im 8. Semester. Begonnen hat sie mit Mathematik und Chemie, bevor sie im 3. Semester auf Biologie wechselte. Gerade hat sie den Bachelor of Education abgeschlossen. Im September startet für sie das Praxissemester an einer weiterführenden Schule, standardmäßig das erste Semester im Master of Education.
Die 22-jährige Xenia Stein schreibt gerade an ihrer Bachelorarbeit in der Mathematik, im Bereich mathematical physics. Sie studiert im 6. Semester auf Bachelor of Education, mit der Fächerkombination Mathematik und Physik. Auch bei ihr steht ab Oktober das Praxissemester an, das sie an einem Gymnasium in Reutlingen absolvieren wird. Sie erzählt, dass für den Fall eines weiteren Lockdowns alle Studierenden im Praxissemester mit einer Lehrkraft ihrer Schule ein Tandem bilden werden, um gemeinsam Online-Unterricht vorzubereiten.
Fabian Häßner (25) studiert im 10. Semester Physik und Wirtschaftswissenschaft. Er hat im 6. Semester den Bachelor of Education gemacht und sitzt jetzt an seiner Masterarbeit in Physik. Seit dem 9. Semester hat er Naturwissenschaft und Technik (NwT) als drittes Fach dazu genommen. Sein Berufswunsch ist Gymnasiallehrer und nach dem Master will er auf jeden Fall zunächst an die Schule gehen. Später kann er sich auch eine Promotion in Fachdidaktik vorstellen.
Wie sind Sie zu MINT-Fächern gekommen?
Lea Hoenig: Mathematische Zusammenhänge und das Lösen von komplexen Problemen fand ich schon in der Schulzeit spannend. Wenn den Schülerinnen und Schülern geniale Lösungswege von Lehrkräften ohne Begeisterung vermittelt wurden, war das enttäuschend.
Ich habe erst den Realschulabschluss gemacht und bin dann auf ein berufliches Gymnasium mit den Schwerpunkten Naturwissenschaften und Biotechnologie gewechselt. Die MINT-Fächer haben mich oft gefesselt, nicht nur in der Schule, sondern auch privat. Etwa wenn es um Themen wie Lösungsansätze für den Klimawandel oder die Postwachstumsökonomie geht. Außerdem bin gerne in der Natur unterwegs – zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
Fabian Häßner: In der Schule war ich sehr an Mathematik interessiert, weniger an Physik, Chemie oder Biologie. Zunächst hatte ich auch vor, Mathematik zu studieren. Aber als ich mich genauer informiert habe, war mir das zu trocken, zu wenig an der Praxis dran. In der Physik gibt es viel mehr Beispiele und Praxisanwendungen. Weil sich meine Pläne für ein Sportstudium infolge einer Verletzung nicht realisieren ließen, habe ich Wirtschaft dazu gewählt – eine gute Entscheidung. Und sowohl in Physik wie auch in der Wirtschaftswissenschaft kommt es viel auf Mathematik an.
Xenia Stein: In der Schule mochte ich alle Fächer. Mein Tutor hatte dieselbe Fächerkombination – Mathe und Physik – wie ich jetzt und war so etwas wie ein Vorbild für mich. Zu diesem Zeitpunkt war mir aber noch nicht klar, dass ich mal auf Lehramt studieren möchte. Ich habe nach der Schule ein FSJ Kultur an der Kunsthalle in Göppingen gemacht. Erst in der Museumspädagogik habe ich gemerkt, dass es mir Spaß macht mit Kindern zu arbeiten und Sachen zu erklären. Während des FSJ habe ich angefangen, Nachhilfeunterricht anzubieten. Die beste Resonanz hatte ich dabei tatsächlich in Mathematik und Physik. Viele meiner Nachhilfeschüler hatten gerade vor diesen Fächern Angst. Mein Eindruck war, dass das auch damit zusammenhängt, wie dieser Stoff präsentiert wird. Deswegen habe ich mich für ein Studium dieser Fächer entschieden, auch um die Vermittlung dieser Fächer etwas anders zu machen.
Wie sind Sie auf das FundaMINT-Stipendium aufmerksam geworden? Was beinhaltet das Stipendium?
Lea Hoenig: Durch eine Rundmail der Fachschaft Mathematik bin ich darauf aufmerksam geworden. Nach weiterer Internetrecherche habe ich mich kurzentschlossen beworben. Neben der hohen finanziellen Förderung gibt es auch eine ideelle Förderung, mit Workshops und Seminaren, bei denen Schlüsselqualifikationen für Lehrer vermittelt werden – beispielsweise Diagnostik und Gesprächsführung.
Fabian Häßner: Mein NwT-Dozent Johannes Bleibel hat mich auf das Stipendium aufmerksam gemacht, weil ich sehr gute Noten habe. Er hat mir gesagt, dass ich mich für das FundaMINT-Stipendium auch in einem höheren Semester bewerben kann, weil ich NwT erst nachträglich als Fach dazu genommen habe.
Xenia Stein: Die Universität hat viel Werbung für das FundaMINT-Stipendium gemacht: wenn man auf die Webseite unseres Lehramtsstudiengangs klickt, findet man dort sehr prominent einen Link zur Telekom-Stiftung. Mein Dozent Philipp Burde, der die Juniorprofessur für Didaktik der Physik innehat, war übrigens selbst vor einigen Jahren FundaMINT-Stipendiat.
Zentraler Teil des Stipendiums ist, dass man Teil „der Community“ ist und an speziellen Seminaren teilnehmen kann. Das erste soll im Oktober in Bonn stattfinden. Dazu kommt die finanzielle Förderung, die in etwa dem BaföG-Höchstsatz entspricht sowie ein monatliches Sachkostenbudget, eine Art Büchergeld. Ich würde damit gerne die Zeitschrift „Naturwissenschaft im Unterricht“ abonnieren. Dort gibt es spannende Anregungen zur Unterrichtsvorbereitung bis hin zu didaktischen Ideen für ganze Schulstunden, zum Beispiel wie man mit Raspberrys Schaltungen aufbaut.
Haben Sie noch Verbesserungswünsche für das reformierte Lehramtsstudium?
Lea Hoenig: Durch die Umstellung auf das Bachelor/Master-System findet das Praxissemester nun später statt, was meiner Meinung nach einen Nachteil darstellt. Es ist besser, frühzeitig Praxiserfahrung zu sammeln.
Daher bin ich seit sechs Jahren im Lehr- und Betreuungsteam der „Sommerschule“, einem Projekt des baden-württembergischen Kultusministeriums, und konnte dadurch bereits Einiges ausprobieren und Unterrichtspraxis sammeln. In den Sommerschulen werden Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten in der letzten Sommerferienwoche gezielt gefördert. An meinem Einsatzort im Nationalpark Schwarzwald steht die Erlebnispädagogik im Vordergrund: in der Natur sein, Bogenschießen, Abseilen, Klettern etc. – alles was zur Stärkung des Selbstbewusstseins und der Motivation beiträgt. Die Kinder erfahren, dass jeder Stärken hat und schwierige Situationen gut gemeistert werden können.
Leider gibt es auch im reformierten gymnasialen Lehramtsstudium weiterhin zu wenig pädagogische und fachdidaktische Module.
Fabian Häßner: Wir waren der erste Jahrgang im Bachelor of Education. Das hatte zur Folge, dass manches noch nicht so gut geregelt war - zum Beispiel die Frage, welche Module wir belegen müssen. Im fachdidaktischen Bereich ist man meiner Einschätzung nach immer noch nicht ausreichend vorbereitet auf die erste Unterrichtserfahrung im Praxissemester. Die Fachdidaktikprofessur in Physik ist toll, aber ich habe erst im letzten Semester davon profitieren können – vorher gab es diese Professur nicht.
Warum sollte man/frau MINT-Fächer studieren?
Xenia Stein: Weil man es kann! Ich würde dieses Studium keinem empfehlen, der keinen Spaß daran hat, man muss sich da durchbeißen. Wer das schafft, kann durch das Studium viele Einblicke in den Alltag gewinnen, die man sonst nicht hätte
Lea Hoenig: Mit MINT-Fächern lassen sich ganz viele „vermeintliche“ Wunder in unserer Welt erklären. Wir brauchen MINT-Fächer, um den aktuellen An- und Herausforderungen der Welt gerecht zu werden und Lösungen zu finden. Angesichts der Klimakatastrophe brauchen wir jetzt Ideen und Lösungen. Studierende in den MINT-Fächern sind ganz dicht dran an allen diesen Fragen und können deshalb zu ihrer Lösung beitragen.
Fabian Häßner: Ich stimme Lea zu: Bei MINT-Fächern steht die Fähigkeit Probleme zu lösen im Vordergrund. Man lernt nicht stur auswendig, sondern muss um die Ecke denken. Man muss eigene Lösungen finden und kann dabei kreativ sein. In Mathematik kann man zum Beispiel verschiedene Lösungswege einschlagen und kommt trotzdem zum selben richtigen Ergebnis. In der Physik gefällt mir der Ansatz, Probleme aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Ich kann auf das Große der Problemstellung schauen und das mechanisch lösen – ich kann aber auch das kleine, die Atome betrachten, und das Problem quantenmechanisch lösen. Das finde ich total spannend.
Das Interview führte Maximilian von Platen
„Das Besondere an unserem FundaMINT-Stipendium sind die unterschiedlichen – speziell auf das Lehramtsstudium ausgerichtete Workshops und Seminare. Hier erhalten unsere Stipendiatinnen und Stipendiaten spannende Impulse zu Inhalten, die an den Hochschulen bislang noch zu kurz kommen. Sie können sich zudem untereinander austauschen und dabei ihren Blickwinkel auf die bestehenden Lehr- und Lernformen verändern."
FundaMINT-Projektleiter Juliane Heyer und Dietmar Schnelle
FundaMINT - Stipendien der Telekom Stiftung für Lehramtsstudierende
Engagierte und querdenkende Lehrtalente einer weiterführenden Schulform, die mindestens eines der Fächer Mathematik, Informatik, Chemie, Physik, Technik und Naturwissenschaft/Technik (NwT) studieren, können sich um ein Stipendium für ihr Master-/Hauptstudium (bzw. für die letzten vier Semester ihres Studiums) direkt bei der Deutsche Telekom Stiftung bewerben. Auch Bewerbungen von Quereinsteigern im Masterstudiengang sind möglich.
Pro Jahr wählt die Stiftung bis zu 35 Studierende aus und fördert sie für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren. Seit 2017 ist die Vector Stiftung Projektpartner und übernimmt die Förderung von jeweils zehn FundaMINT-Stipendiaten pro Jahrgang.
Am 1. Dezember 2020 startet die Ausschreibung für das Stipendienjahr 2021, die Bewerbungsphase endet am 28. Februar 2021.
Weitere Informationen zu den Bewerbungsvoraussetzungen, zum Programm und den Link zum Bewerberportal finden Sie im Internet unter www.telekom-stiftung.de/fundamint