Uni-Tübingen

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22.01.2019

Erhebung für Baden-Württemberg: Wie sich Lehrkräfte fortbilden

Tübinger Erziehungswissenschaftler legen eine mehrperspektivische Studie vor

Fortbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer sind in Baden-Württemberg sehr unterschiedlich aufgestellt: Wie eine Studie der Arbeitsgruppe Professionsforschung an der Universität Tübingen zeigt, variiert die Anzahl regional erheblich, viele Fortbildungen sind sehr kurz oder haben keinen expliziten Bezug zu einem Schulfach oder einer Schulart. Auch fehlt bislang eine landesweite systematische Qualitätssicherung. Das Team um den Erziehungswissenschaftler Professor Dr. Colin Cramer hatte erstmals umfassend erhoben, wie Lehrkräfte dabei unterstützt werden, sich während ihres Berufslebens fortzubilden. Auftraggeber der Studie war die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen führten Experteninterviews mit Verantwortlichen für Fortbildungen von Lehrerinnen und Lehrern und analysierten einen Datensatz mit allen 10.588 Fortbildungsangeboten in Verantwortung des baden-württembergischen Kultusministeriums im Zeitraum eines Jahres. Zudem befragten sie 865 Lehrerinnen und Lehrer per Fragebogen zu der von ihnen aktuell besuchten Fortbildung.

Im Ergebnis erwiesen sich die Teilnehmenden als zufrieden mit den besuchten Fortbildungen und als interessiert an den behandelten Themen. Diese Zufriedenheit ist allerdings nicht zugleich Indikator für die Qualität der Fortbildungen: Das Fortbildungssystem verfüge noch über keine systematische Qualitätssicherung und es seien viele unterschiedliche Institutionen und Akteure beteiligt, die auf teils diffusen Wegen miteinander kommunizierten, so das Forschungsteam. „Auch wurde der Bedarf an zentral gesteuerten Fortbildungen und die Fortbildungsbedarfe an Schulen vor Ort bislang nicht systematisch erhoben.“

Die Studie zeige zudem, dass die Anzahl an Fortbildungen in unterschiedlichen Regionen des Landes sich erheblich unterscheide. Die meisten Angebote seien von kurzer Dauer ‒ halbtägige oder eintägige Fortbildungen ‒, dies lasse eine geringe Nachhaltigkeit vermuten. Ob die Fortbildungsinhalte wirklich in den Schulalltag einfließen, ist für die Forscher schwer festzumachen: Vielen Angeboten fehle der konkrete Bezug zu einem Schulfach oder einer Schulart. Auch habe die Befragung ergeben, dass Fortbildungsteilnehmer nur bedingt die Möglichkeit ausschöpften, Inhalte im eigenen Kollegium weiterzugeben.  

Auch die Bezahlung der Fortbildenden unterscheide sich in Abhängigkeit von der Schulart stark, insgesamt seien die finanziellen Mittel für Fortbildungen ungleich auf die Schularten verteilt. Mit Blick auf die erforderliche Qualifikation der Fortbildenden seien sich alle Befragten einig gewesen, die Verantwortlichen sähen hier allerdings noch Handlungsbedarf.

Die GEW hatte die Erhebung beauftragt. Derzeit steht das gesamte Fortbildungssystem für Lehrerinnen und Lehrer auf dem Prüfstand: Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg setzt umfangreiche Reformmaßnahmen im Rahmen eines Qualitätskonzeptes um, die für diesen Bereich Umstrukturierungen und eine zentrale Steuerung vorsehen. 

Der Forschungsbericht zur Studie kann samt einer Kurzzusammenfassung heruntergeladen werden unter: https://www.gew-bw.de/presse/detailseite/neuigkeiten/erste-umfassende-studie-zur-lehrerfortbildung-in-deutschland/

Colin Cramer

Kontakt:

Prof. Dr. Colin Cramer
Universität Tübingen
Tübingen School of Education (TüSE)
Telefon +49 7071 29-72729
colin.cramer@uni-tuebingen.de

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