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22.10.2024

Forschungspreis der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg geht 2024 an Tübinger Wirbeltier-Morphologen

Die prämierte Arbeit beschäftigt sich mit dem Ursprung der Schläfenöffnungen bei Landwirbeltieren aus biomechanischer Perspektive

PD Dr. Ingmar Werneburg (links) und Prof. Dr. Holger Preuschoft (rechts) mit einem Modell eines Wirbeltierschädels, den verschiedene Spannungsverläufe durch farbige Fäden gekennzeichnet sind.

Am 10. Oktober verlieh die Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg in Stuttgart dem Kustos der Paläontologischen Sammlung an der Universität Tübingen, PD Dr. Ingmar Werneburg, ihren diesjährigen Forschungspreis. Die Auszeichnung wurde 1985 durch den ehemaligen Obergeologierat Dr. Walter Schall ins Leben gerufen und nach ihm benannt. Ingmar Werneburg, der als Evolutionsbiologe am Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment arbeitet, erforscht die vergleichende Anatomie der Wirbeltiere und sieht sich unter anderem in Tradition des Tübinger Zoologie-Professors Wolfgang Maier.

Die mit 1.500 € prämierte Preisschrift erschien kürzlich in der internationalen Zeitschrift The Anatomical Record (siehe Pressemitteilung). In ihrer Begründung schrieb die Gesellschaft, im Namen ihres derzeitigen Vorsitzenden Dr. Klaus Rehfeld, dass Werneburg den Preis für seine „innovative[n] funktionsmorphologische[n] Erklärungen zur Entstehung von Schläfenfenstern bei Landwirbeltieren“ erhalte.

Weiter heißt es in der Begründung: „Seit Jahrzehnten rätseln Fachleute über die wiederholte Entstehung von Fenstern in der Schläfenregion des Schädels bei Landwirbeltieren. Es war zwar klar, dass diese Öffnungen mit der Verankerung von Kiefermuskeln zu tun haben, nur fehlte es an einer konsistenten funktionellen Erklärung, mit der die unterschiedlichen Anatomien nach einem einheitlichen Prinzip erklärt werden können. Ingmar Werneburg hat zu dieser Thematik über viele Jahre Befunde aus der Embryologie, Paläontologie und Funktionsmorphologie zusammengetragen. Auf dieser Basis griff er funktionsmorphologische Ideen des ehemaligen Tübinger und Bochumer Anatomen Holger Preuschoft auf. Zusammen mit ihm entwickelte er einen neuen, rein funktionell begründeten Rahmen, um die Bildung der unterschiedlichen Fensterungen zu erklären. Er verspricht, von genereller Bedeutung für das Verständnis von Schädel- und Skelettbau zu sein.“

Die Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg wurde am 26. August 1844 als „Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg“ in Stuttgart gegründet. Maßgeblich beteiligt an der Gründung war auch der Tübinger Zoologe Wilhelm von Rapp (1794–1868). Erster Präsident war bis 1854 Wilhelm von Urach, Graf von Württemberg (1810–1869). Seit 1845 sind nunmehr 180 Jahreshefte der Gesellschaft erschienen, die über regionale, aber auch internationale Forschungsthemen aus der Naturkunde berichten.

Ingmar Werneburg ist Mitglied der hiesigen Regionalgruppe der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg. Seit dem 19. Jahrhundert entstanden vier regionale sogenannte Vereinszweige: Tübingen ist seit 1891 als damaliger königlicher Verwaltungssitz des „Schwarzwald-Kreises“ Sitz des Schwarzwälder Vereinszweiges, der ursprünglich 1874 in Nagold gegründet wurde. Dessen Vorsitz hatte hier zunächst der Paläontologe Wilhelm Branco (1844–1928), der Nachfolger des berühmten Geologen Friedrich August Quenstedt (1809–1889), inne. Späterer langjähriger Vorsitzender war auch der Tübinger Geologe Frank Westphal (1930–2022), der über Jahrzehnte hinweg die jährlich traditionell immer am 1. Advent stattfindende „Thomas-Tagung“ im ehemaligen Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum der Universität an der Sigwartstraße, in der heutigen Paläontologischen Sammlung, leitete.

Matthias Flegr
Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen & Vorsitzender des Schwarzwälder Vereinszweigs der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg e.V.

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