Uni-Tübingen

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05.02.2021

Quantenphysiker identifizieren „Fingerabdrücke“ fundamentaler physikalischer Effekte

Das Forschungsteam bestehend aus (v.l.n.r.) Alessandro Toschi, Patrick Chalupa, Sabine Andergassen, Matthias Reitner, Thomas Schäfer (oben), Daniel Springer (unten) und der entdeckte Fingerabdruck des Kondoeffekts in den Streuprozessen der Elektronen.

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Ein spannender Krimi und die moderne Festkörperphysik haben mehr gemeinsam, als man denken würde: Bei einem Verbrechen müssen am Tatort alle Aspekte genau untersucht werden, in der Hoffnung dadurch mögliche Spuren zu finden. Diese sollen dann helfen die Täter zu identifizieren und den Fall zu lösen. Ähnlich in der Festkörperphysik: Anstelle eines Tatorts lassen hier Vielelektronensysteme die Forscher rätseln. Hierbei handelt es sich um komplexe Quantensysteme bei denen 100.000.000.000.000.000.000.000 (100 Trilliarden) Elektronen miteinander in Verbindung stehen und Energie und Impuls austauschen. 

Im Fachjargon werden diese Prozesse als „Streuprozesse“ bezeichnet. Sie bestimmen unter anderem die Mobilität der Ladungsträger und entscheiden damit, ob das System metallisches, isolierendes oder sogar supraleitendes Verhalten zeigt. Mithilfe aufwendiger Computersimulationen wird versucht, den physikalischen Eigenschaften dieser komplexen Systeme auf die Spur zu kommen. Doch geht es hier nicht um Täter, sondern um die Suche nach Antworten auf grundlegende Fragen der Festkörperphysik, zum Beispiel: „Wie funktionieren unkonventionelle Supraleiter“, oder „Wie gehen quantenphysikalische Phasenübergänge am absoluten Nullpunkt vonstatten“?

Die Arbeitsgruppe von Professorin Sabine Andergassen am Institut für Theoretische Physik der Universität Tübingen hat hier in einer internationalen Zusammenarbeit einen wichtigen Fortschritt gemacht – gemeinsam mit der Technischen Universität Wien (Patrick Chalupa, Matthias Reitner, Dr. Daniel Springer und Prof. Alessandro Toschi) und der École Polytechnique in Paris (Dr. Thomas Schäfer, mittlerweile Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart).Durch eine tiefgreifende Analyse von Streuprozessen und deren Vergleich in verschiedenen physikalischen Situationen konnten eindeutige „Fingerabdrücke“ identifiziert werden. Die Ergebnisse der Studie wurden im Journal Physical Review Letters veröffentlicht.

Ähnlich wie Forensiker am Tatort, versuchten die Forscherinnen und Forscher aus vielen kleinen Details einen größeren Zusammenhang herzustellen. So ist es gelungen, in den komplexen mathematischen Größen, die diese Streuprozesse beschreiben, charakteristische Strukturen zu identifizieren und mit zwei fundamentalen Phänomenen der Festkörperphysik in Verbindung zu bringen. Hierbei handelt es sich um die Bildung lokaler magnetischer Momente, sowie deren Abschirmung im Zuge des sogenannten Kondoeffekts, Phänomene die die Mobilität von Elektronen entscheidend beeinflussen. Durch das Bestimmen der „Fingerabdrücke“ konnte sogar ein neues Kriterium gefunden werden, das eine alternative Berechnung einer fundamentalen Energieskala der theoretischen Festkörperphysik ermöglicht: die Kondotemperatur.

In weiterer Folge könnten diese Erkenntnisse dazu beitragen eine neue Sichtweise auf unkonventionelle Supraleiter zu erlangen - ein seit 40 Jahren ungelöster Krimi der Festkörperphysik. Die korrekte Bestimmung der Quantenfingerabdrücke könnte die Forschung auf die richtige Spur bringen, um diese Systeme grundlegend zu verstehen.

Diese Forschung wurde vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) und der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen eines DACH-Projekts finanziert.

P. Chalupa und A. Toschi, TU Wien und 
S. Andergassen / AG Quantum Many-Body Theory

Publikation:

Patrick Chalupa, Thomas Schäfer, Matthias Reitner, Daniel Springer, Sabine Andergassen, and Alessandro Toschi: „Fingerprints of the local moment formation and its Kondo screening in the generalized susceptibilities of many-electron problems.“ Physical Review Letters, https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.126.056403

Kontakt:

Prof. Dr. Sabine Andergassen
Institut für Theoretische Physik
+49 7071 29-78650
sabine.andergassenspam prevention@uni-tuebingen.de

Prof. Dr. Alessandro Toschi
Institut für Festkörperphysik
Technische Universität Wien
+43 1 58801 13762
toschispam prevention@ifp.tuwien.ac.at

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