Uni-Tübingen

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29.10.2018

Tübinger Pharmaziestudenten in Malawi

Gemeinsame studentische Forschungsprojekte zur Arzneimitteltherapie in Afrika

Workshop zu traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln in Malawi, unter Beteiligung von Tübinger Pharmaziestudierenden © J. Mponda
Workshop zu traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln in Malawi, unter Beteiligung von Tübinger Pharmaziestudierenden

Im Rahmen des Kurses „Pharmacy in Global Health“ an der Universität Tübingen durften fünf Tübinger Pharmaziestudenten an einem Austausch mit dem Pharmacy Department des College of Medicine der University of Malawi in Blantyre teilnehmen: Annely Kirn, Lina Hoegner, Linda Corbell, Robin Schreiber und Wanda Siewert

Drei aus unserer Gruppe besuchten zunächst einen fünftägigen Workshop zu traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln in Malawi. Anschließend begleiteten und unterstützten wir malawische Pharmaziestudierende vier Wochen lang bei der Datensammlung zu ihrer Bachlorarbeit. Jeder von uns arbeitete mit einer anderen Gruppe malawischer Studenten zusammen, an unterschiedlichen Themen.

Malaria-Medikamente und Selbstmedikation

Eine Gruppe besuchte 24 Health Centres (vergleichbar mit einer ambulanten Praxis), um den Bestand von Malaria-Medikamenten und Antihypertensiva zu dokumentieren und daraus Verfügbarkeit und Verbrauch abzuleiten. Hier fiel auf, dass zwar Malaria-Medikamenten durch die Arbeit internationaler Hilfsprogramme reichlich vorhanden waren. Antihypertensiva waren hingegen nur in geringer Zahl und Auswahl zu finden, meist nur Hydrochlorothiazid und 1-2 Packungen Atenolol. 

Eine andere Gruppe führte eine Befragung der Bevölkerung der Stadt Blantyre zur Selbstmedikation mit Malaria-Medikamenten durch. Tatsächlich wussten viele Patienten sehr gut über die Krankheit bescheid und auch, dass sie mit den Standardmedikament Lumefantrin-Arthemeter therapiert werden kann. Nur ca. 15% gaben an, bei Malaria Selbstmedikation anzuwenden. Die meisten gehen bei einem Verdacht auf Malaria doch in Gesundheitseinrichtungen, wo für die Diagnose auch ein Schnelltest durchgeführt werden kann. 

Asthma- und Diabetes-Therapie

Asthmapatienten im Queen Elizabeth Central Hospital in Blantyre und im Kamuzu Central Hospital in der Hauptstadt Lilongwe wurden von einer weiteren Gruppe zu ihrem Wissen über die Erkrankung und deren Therapie befragt. In Malawi ist die Therapie erster Wahl ein Salbutamol-Inhalator. Dieser wird von der Bevölkerung überraschend kritisch gesehen. Teilweise sind sie der Meinung, dass er abhängig machen und im Ernstfall nicht helfen würde. Auch ist die Schulung der Patienten zur Anwendung des Inhalators nicht optimal. 

Die vierte Gruppe analysierte im Queen Elizabeth Central Hospital und im Kamuzu Central Hospital Patientenakten auf Medikationsfehler in der Insulintherapie von Diabetikern. Im Normalfall sollte dort bei schwerem Diabetes der Blutzucker im Abstand von zwei Stunden kontrolliert werden. Aufgrund von Personalmangel wird dies leider oft nicht eingehalten, was sich auf die Insulintherapie auswirkt. Außerdem wird Insulin nur im Krankenhaus verabreicht. Typ 1 Diabetiker können Insulin mit nach Hause nehmen, wo sich aber meist die Lagerung schwierig gestaltet, da die wenigsten einen Kühlschrank besitzen. Auch die Messung des Blutzuckers ist zu Hause nicht möglich. 

Antibiotika-Einsatz

Meine eigene Gruppe analysierte Patientenakten im Queen Elizabeth Central Hospital. Unser Ziel war es, den Einsatz von Ceftriaxon und Meropenem zu dokumentieren und dabei festzustellen, ob der Einsatz den nationalen Therapierichtlinien entsprach. Es fiel auf, dass Ceftriaxon fälschlich als Mittel erster Wahl eingesetzt wird. Fast jeder Patient mit dem Verdacht auf eine beliebige Infektion erhält zuerst Ceftriaxon. Die Dosierung zumindest entsprach mit ein- bis zweimal täglich 2g i.v., (intravenös) den nationalen Richtlinien. Labortests zur genaueren Erregerbestimmung werden oft angefordert, aber nicht oder nicht rasch genug durchgeführt. Deshalb ist oft eine spezifische Antibiotikatherapie nicht möglich. Hier besteht große Gefahr, der Bildung von Resistenzen Vorschub zu leisten.

Die staatliche Gesundheitsversorgung in Malawi ist für die Bewohner kostenlos. Da die Gesundheitsversorgung aber aus knappen Steuergeldern finanziert wird, reicht oft das jährliche Budget der Krankenhäuser nicht aus, um die Medikamentenversorgung kontinuierlich aufrecht zu halten. 

Reisen und Kultur

Während unseres Aufenthalts durften wir auch an den Wochenenden das Land bereisen und die Kulturen erfahren. In Malawi leben verschiedene ethnische Gruppen. In einem Museum in Mua Mission durften wir die Traditionen der drei größten Gruppen (Chewa, Ngoni und Yao) etwas genauer kennenlernen. Die traditionelle Medizin spielt noch eine große Rolle. Trotzdem ist sie ein Tabu-Thema und kaum jemand spricht über deren Anwendung. Das erschwert oft die Therapie mit der westlichen Schulmedizin in den Krankenhäusern, da natürlich Interaktionen auftreten können. 

Außerdem besuchten wir den bekannten, wunderschönen Malawi-See, das hochgelegene Zomba-Plateau mit seinen seltenen (Arznei-)pflanzen und wir machten gemeinsam mit den malawischen Studenten einen Ausflug zum Mulanje-Massiv. Dieser Ausflug war ein Highlight für die Malawis, von denen viele über extrem wenig Geld verfügen und sich daher Reisen nicht einmal im eigenen Land leisten können. 

„… die Leute sind hier glücklicher“

Uns alle hat der Aufenthalt in Malawi verändert. Wir durften die warme und herzliche Art der Malawis erfahren, haben Freunde gefunden, haben einige Probleme dieses Landes gesehen und auch ein Stück weit uns selbst besser kennengelernt.

Ich möchte ganz herzlich dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) danken, der unseren Aufenthalt finanziert hat, im Rahmen einer von Prof. Lutz Heide beantragten Hochschulkooperation. 

Mit einem Satz von einer Britin, die seit neun Jahren in Malawi lebt, möchte ich abschließen: „Auch wenn es viele Probleme in diesem Land gibt und nicht immer alles so läuft wie geplant, am Ende sind die Leute hier glücklicher als in Europa.“ Und genau das durften wir erfahren und für unser Leben mitnehmen.

Wanda Siewert

Weblinks:

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