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10.10.2024
Wider das Artensterben: Ein verbessertes Gehör als Schlüsselentwicklung
Neue Studie aus der Vergleichenden Anatomie: Gemeinsamer Vorfahr aller heutigen Reptilien besaß bereits ein Trommelfell
Ein internationales Team aus Brasilien, den USA und Deutschland zeigt, dass der letzte gemeinsame Vorfahre aller heutigen Reptilien über ein verbessertes Gehör verfügte, da er ein Trommelfell ähnlich dem moderner Tiere besaß. Dies könnte der Gruppe geholfen haben, ein großes Artensterben in der Erdgeschichte zu überleben.
Hintergrund
Der Ursprung eines Gehörs mit Trommelfell bei den Landwirbeltieren ist eines der bekanntesten Beispiele für eine evolutionäre Neuerung, die direkt mit dem Übergang vom Wasser zum Land zusammenhängt. Dies war ein bahnbrechendes Ereignis vor etwa 400 bis 360 Millionen Jahren, das die terrestrischen Regionen der Erde umgestaltete. In der neuen Umgebung sahen sich die Tiere mit mehreren Herausforderungen konfrontiert, unter anderem mit dem Problem des Hörens, da sich Schallwellen in der Luft und im Wasser unterschiedlich ausbreiten. Obwohl die ersten lurchartigen Landwirbeltiere bereits hören konnten, verbesserte die Entwicklung eines Trommelfells das Gehör dieser Tiere immens.
Die wissenschaftliche Debatte über den Ursprung des Trommelfells begann im 19. Jahrhundert, und bisher war nicht bekannt, ob die ersten Reptilien, zu denen heute mehr als 20.000 Arten von Krokodilen, Eidechsen, Schlangen und Schildkröten gehören, bereits ein gesteigertes Hörvermögen besaßen.
Integrativer Ansatz
Die neue Untersuchung dazu fand unter der Leitung von Dr. Mario Bronzati von der Universität Tübingen statt und war eine Zusammenarbeit mit Laboren in São Paulo, Brasilien, in Stony Brook und Downers Grove, USA, sowie dem Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen. Die Autoren gingen die Frage nach dem Ursprung des Hörens über ein Trommelfell bei Reptilien aus der Perspektive der modernen Integrativen Biologie an, indem sie Informationen aus der Paläontologie und der Entwicklungsbiologie kombinierten. In der Studie wurden Entwicklungsdaten von Eidechsen- und Krokodil-Embryonen erhoben. Sie geht damit über frühere Studien hinaus, in denen nur Hühner als biologische Modelle für Reptilien verwendet wurden, da Vögel von Dinosauriern, einer ausgestorbenen Reptiliengruppe, abstammen und leicht zu züchten sind. Aber Vögel sind hochspezialisiert und geben unzureichenden Aufschluss über den Ursprung der Reptilien selbst. Die Autoren entdeckten zudem neue Details, indem sie zahlreiche Fossilien der ältesten Reptiliengruppen untersuchten.
Das Trommelfell
Wenn Schallwellen auf das Trommelfell treffen, fängt es an zu schwingen. Die Informationen aus der Vibration des Trommelfells werden an das Gehirn weitergeleitet, das den mechanischen Impuls als Schall interpretiert. Das Hören mit einem Trommelfell ist bei Tieren weit verbreitet. Tatsächlich ist dies auch die Art und Weise, wie wir Menschen hören. Trotz der Ähnlichkeiten in der Funktion und zwischen den Komponenten des Hörsystems verschiedener Arten haben frühere Studien ergeben, dass sich das Trommelfell bei Säugetieren, Amphibien und Reptilien unabhängig voneinander entwickelt hat. Obwohl also die Strukturen unseres Mittelohrs denen eines Vogels sehr ähnlich sind, haben Biologen gezeigt, dass sich die Hörorgane in diesen beiden Gruppen unabhängig voneinander entwickelt haben. So gibt es beispielsweise Unterschiede zwischen den Genen, in denen die „Bauanleitung“ für das Trommelfell von Säugetieren einerseits und von Reptilien andererseits kodiert ist. Die Paläontologen haben bei Fossilien festgestellt, dass es bei den letzten gemeinsamen Vorfahren der Säugetiere und Reptilien, die vor mehr als 300 Millionen Jahren lebten, noch keine Ohröffnungen gab, welche also in beiden Stammlinien erst später, unabhängig voneinander entstanden sein mussten.
Kontakt
Dr. Mario Bronzati
Universität Tübingen
Humboldt-Stipendiat am Fachbereich Geowissenschaften
mariobronzati, @gmail.commariobronzati @alumni.usp.br
Prof. Dr. Tiana Kohlsdorf
Universität von São Paulo, Brasilien
Departamento de Biologia
tiana @usp.br
PD Dr. Ingmar Werneburg
Universität Tübingen
Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment
Fachbereich Geowissenschaften
ingmar.werneburg @senckenberg.de