attempto online
15.03.2018
Zielgerichtete Herstellung von neuartigen Proteasehemmstoffen
Proteasen sind wichtige Zielstrukturen für die Arzneistoffentwicklung. In einer gerade veröffentlichten Studie konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Tübingen und des John-Innes-Centre in Norwich, UK, die mikrobielle Bildung einer vieluntersuchten Klasse von Proteasehemmstoffen aufklären. Den zu Grunde liegenden Mechanismus machten sie sich dann zu Nutze, um neue nicht-natürliche Varianten dieser Wirkstoffklasse herzustellen.
Proteasen sind Enzyme, die andere Eiweiße spalten, indem sie deren Reaktion mit Wasser begünstigen. Dieser Abbau von Proteinen spielt in einer Vielzahl von biologischen Prozessen eine wichtige Rolle wie zum Beispiel für das Immunsystem und für die Vermehrung von Viren. Als Zielstrukturen von Arzneistoffen dienen Proteasen unter anderem für die Therapie von Blutkrebs, Thrombose, Diabetes, Bluthochdruck und mikrobiellen Infektionen.
Kürzlich untersuchten Tübinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Pharmazeutischen Biologie und der Organischen Chemie die Bildung einer Gruppe von natürlich vorkommenden chemischen Verbindungen, die das Proteasom hemmen. Das Proteasom ist ein überlebenswichtiger Proteasekomplex, der als zelluläre Recyclinganlage funktioniert. Hemmstoffe des Proteasoms werden als Arzneistoffe zur Behandlung des Multiplen Myeloms eingesetzt. "Unsere Untersuchungen zeigten, dass ein einziges bakterielles Enzym, EpnF, dafür verantwortlich ist, in drei Schritten aus einer relativ gewöhnlichen Vorstufe ein hochreaktives Molekül zu formen das spezifisch an das Proteasom binden kann", berichtet Juniorprofessor Leonard Kaysser aus der Pharmazeutischen Biologie der Universität Tübingen, der Leiter der Studie.
In ihrer Doktorarbeit verwendete nun Franziska Leipoldt diese Information, um in öffentlichen Genomdatenbänken nach Mikroorganismen zu suchen, die ein EpnF-ähnliches Enzym besitzen. Diese könnten möglicherweise neue Proteasomhemmstoffe bilden. "Als wir entsprechende Gene aus dem Bakterium Actinomadura atramentaria in einen Wirtsorganismus brachten, produzierte dieser allerdings überraschenderweise keine Proteasomhemmstoffe, sondern eine bekannte Gruppe von Metalloproteaseinhibitoren", berichtet Dr. Leipoldt. Diese Verbindungen, Matlystatine, sind strukturell nicht verwandt mit den Proteasomhemmstoffen, und ihr Wirkungsmechanismus ist ein völlig anderer. "Da die Matlystatine keine reaktive Gruppe aufweisen, war es klar, dass die Funktion des EpnF-ähnlichen Enzyms, MatG, hier eine andere sein musste", ergänzt die Wissenschaftlerin.
Mittels genetischer Studien und Fütterungsexperimente gingen die Tübinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieser Frage nach. "Wir fanden heraus, dass MatG – ähnlich wie EpnF – zwar ebenfalls ein reaktives Molekül bildet, dieses aber sofort mit Verbindungen aus der Umgebung reagiert. Dabei entstehen Strukturvarianten mit unterschiedlicher Aktivität gegen verschiedene Metalloproteasen.", sagt Kaysser, dessen Arbeiten vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt werden. In Zusammenarbeit mit Dr. Andrew Truman vom John-Innes Centre, gelang es den Wissenschaftlern, sich diesen Mechanismus zu Nutze zu machen und durch Fütterung von synthetischen Vorstufen nicht-natürliche Matlystatine herzustellen. Da die Klasse von Proteasehemmstoffen, zu denen die Matlystatine gehören, wichtige pharmazeutischen Leitstrukturen darstellen, besteht die Hoffnung, daraus neue antiinfektive Wirkstoffe zu entwickeln.
Fachpublikation:
F. Leipoldt,* J. Santos-Aberturas,* D.P. Stegmann, F. Wolf, A. Kulik, R. Lacret, D. Popadić, D. Keinhörster, N. Kirchner, P. Bekiesch, H. Gross, A.W. Truman* and L. Kaysser* "Warhead biosynthesis and the origin of structural diversity in hydroxamate metalloproteinase inhibitors." Nature Communications (2017), 8(1):1965.
Felix Wolf
Kontakt:
JProf. Dr. Leonard Kaysser
Universität Tübingen
Pharmazeutisches Institut und
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
Tel: +49 (0)7071 2977671
Email: leonard.kaysserspam prevention@pharm.uni-tuebingen.de
Zurück