Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2020: Uni intern
„Arbeit klingt fast schon negativ“
Ein Interview mit Carsten Witt, Lehrkraft in der Abteilung für Deutsch als Fremdsprache und Digitalisierungsreferent
Sie sind Lehrkraft in der Abteilung für Deutsch als Fremdsprache und Digitalisierungsreferent des Dezernats V. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich habe in Tübingen im Wintersemester 2002/03 mit dem Lehramtsstudium begonnen. Neben dem Studium habe ich bei der Abteilung für Deutsch als Fremdsprache als Hospitant, dann als Tutor und dann als Lehrkraft gearbeitet. Nach dem Examen bin ich für mehrere Jahre in die USA gegangen und habe einen Master in German Studies abgelegt. Als Teil des Stipendiums durfte ich dort auch sehr viel Lehrerfahrung sammeln, hauptsächlich in Sprachkursen. Über die Jahre habe ich immer Kontakt zur Tübinger DaF-Abteilung gehalten und regelmäßig in den Sommermonaten unterrichtet.
Nach meiner Rückkehr aus den USA 2014 habe ich mich als Honorarkraft im DaF-Bereich durchgeschlagen und bin viel an den Universitäten in der Region herumgekommen.
2018/19 war ich als Honorarkraft im Refugee Programm der Uni Tübingen tätig und auch bei einer Sprachschule hier in Tübingen angestellt. Im Refugee Programm wurde dann die Leitungsstelle frei - die Chance habe ich genutzt und bin seitdem Teil der Uni, und ich bin es richtig gerne!
Und wie wurden Sie Digitalisierungsreferent?
In die Position des Digitalisierungsreferenten bin ich peu à peu reingekommen. Bei der Sprachschule habe ich digitale Kurse aufgebaut und im Refugee Programm ab März viel Erfahrungen in diesem Bereich sammeln können. Ich finde es sehr spannend, zu überlegen, wie wir durch digitale Medien Lehrangebote machen können, durch die Studierende flexibler und autonomer lernen können. Und ich finde es sehr spannend, mit verschiedenen Bereichen der Universität in Kontakt zu treten und Menschen zusammenzubringen. Es gibt viele Kollegen und Kolleginnen, die im digitalen Bereich über große Erfahrung verfügen und sehr motiviert sind. Hier einen Austausch hinzubekommen und konkrete Projekte umzusetzen finde ich persönlich sehr bereichernd.
Wie sieht ihr typischer Arbeitsalltag als Lehrkraft aus, wer ist Ihre Zielgruppe?
Mein Alltag ist sehr abwechslungsreich, je nachdem, was anliegt. Mal ist es mehr das konkrete Unterrichten im Klassenraum mit der entsprechenden Vor- und Nachbereitung, dann ist es mehr Kursorganisation und Programmentwicklung. So haben wir zum Beispiel das TÜ-VIPP (Tübinger Virtual Pre Packet) entwickelt, ein Programm im Umfang eines Semesters für internationale Studierende, die im Wintersemester nicht kommen können. Sehr viel zu tun gibt es gerade generell mit der Vorbereitung auf das Wintersemester.
Unsere Hauptzielgruppe sind natürlich internationale Studierende und Postdocs, für die wir Verschiedenes anbieten, etwa studienvorbereitende oder semesterbegleitende Kurse. Hinzu kommt auch noch die DSH-Prüfung (Deutsches Sprachdiplom für den Hochschulzugang) als universitäre Sprachprüfung, die zweimal pro Jahr durchgeführt wird. Internationale Studierende, die sich in einen deutschsprachigen Studiengang einschreiben wollen, müssen entsprechende Sprachkenntnisse durch eine solche Prüfung nachweisen. Und schließlich bieten wir deutschen Studierenden die Möglichkeit, im Bereich Methodik und Didaktik von Deutsch als Fremdsprache Qualifikationen zu sammeln.
Was will Ihre Abteilung erreichen?
Unser direktes Anliegen ist es natürlich, Sprachkurse und German Studies Seminare (landeskundliche Kurse, interkulturelle Kurse) auf hohem Niveau anzubieten. Damit verknüpft ist aber auch die Tatsache, dass ein breites Angebot unserer Abteilung ein Faktor ist, um ausreichend Austauschplätze für Tü-Studis im Ausland zu generieren. Austausch und Sprachenlernen sind eng miteinander verknüpfbar.
Wie hat sich diese Arbeit mit Corona verändert?
Es war für uns eine Herausforderung die Kurse in digitaler Form anzubieten, und das mitunter recht schnell. Am Freitag, 13. (!) März wurden alle Präsenzunterrichte ausgesetzt. Ich hatte allerdings bereits vor meiner Zeit an der Uni digital unterrichtet und daher eine klare Vorstellung davon, wie ich den digitalen Unterricht in meinem Programm haben wollte. Was mich dabei sehr bewegt hat, war, dass die Lehrkräfte und Tutoren sofort aktiv mit dabei waren und dadurch das Programm in seiner digitalen Form getragen haben. Auch das Zentrum für Datenverarbeitung hat sehr schnell reagiert.
Um das Semesterprogramm auf die Beine zu stellen, hat unsere Abteilung wirklich Gas gegeben, wie alle anderen an der Uni ja auch. Im nun kommenden Wintersemester sind viele Dinge noch unklar. So können wir zum Beispiel noch nicht genau sagen, wie viele internationale Studierende letztendlich tatsächlich in Tübingen erscheinen werden oder wie wir konkret damit umgehen, wenn Studierende Erkältungssymptome haben und nicht mehr am Präsenzunterricht teilnehmen dürfen. Dann entsteht nämlich ein Mischformat: Studierende sind in den Klassenräumen und Studierende kommen online dazu. Hier sind wir mit Enthusiasmus dabei, Lösungen zu erarbeiten.
Aus der Corona-Erfahrung, und vor allem aus dem Digitalisierungsprozess, nehmen wir viel Positives mit: Digitale Formate, Kurse, Seminare, Beratungsangebote und Buddy-Programme bieten die Möglichkeit, einen umfangreicheren Service für die Studierenden und internationalen Gäste liefern zu können. So können wir zum Beispiel Studis schon vor ihrer Ankunft in Tübingen digital willkommen heißen.
Und was genau macht eigentlich ein Digitalisierungsreferent?
Im Moment geht es vor allem darum, anstehende Lehrveranstaltungen digital zu ermöglichen. Ich koordiniere was konkret an Hardware und Software gebraucht wird. Auch für das oben beschriebene Mischformat in den Kursen entwickeln wir ein Konzept.
Mittelfristig geht es darum, Arbeits- und Organisationsprozesse, wo es Sinn macht, zu digitalisieren, besser zu vernetzen und dadurch effizienter und angenehmer zu gestalten. Ich finde das besonders spannend, da viele Personen mit ihrem jeweiligen Bedarf unter einen Hut gebracht werden wollen. Hier gibt es viele Ängste, Ressentiments, positive und negative Vorerfahrungen und auf das alles einzugehen und am Ende Projekte umzusetzen, finde ich sehr bereichern für mich.
Was ich mir langfristig vorstelle, ist, Drittmittel an die Uni zu holen, mittels derer die Digitalisierung der Uni weiter voran gebracht werden kann.
Warum kommen Sie gerne zur Arbeit?
Das finde ich eine schöne Frage! Zum einen komme ich gerne, da mir die Arbeit mit jungen, internationalen Menschen viel Freude macht. Wenn ich Deutsch als Fremdsprache unterrichte, dann sehe ich sehr schnell, besonders bei Anfängern, unglaubliche Fortschritte. Ich gehe auch immer gemeinsam mit den Kursteilnehmenden auf Sprachentdeckung. Wussten Sie zum Beispiel, dass Worte im Deutschen, die mit “Kn” beginnen eher rund sind? Knie, Knäuschen, Knubbel. So etwas entdeckt man dann. Auch die verschiedenen Kulturen und verschiedenen Sichtweisen auf eine Situation finde ich sehr spannend.
Es besteht gerade eine sehr kreative Atmosphäre, in der wir neue Dinge ausprobieren können. Ich freue mich wirklich täglich auf die Zeit an der Uni – Arbeit klingt hier fast schon etwas negativ.
Was machen Sie nach Feierabend?
Wenn ich nach Hause komme, dann versuche ich nicht mehr zu arbeiten. Ich habe jahrelang als freiberuflicher Dozent zuhause meine Kurse vorbereitet. Das möchte ich nicht mehr machen. Meistens klappt das auch. Ich mache Sport, koche, plane Reisen, treffe mich mit Freunden und Kollegen und spreche dann vielleicht doch noch über digitale Themen.
Das Interview führte Simona Steeger