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01.07.2019
Frauen in Chefetagen tun dem Unternehmen gut
Studie der Universität Tübingen untersucht betriebswirtschaftliche Effekte von mehr Frauen in Führungspositionen
Unternehmen mit einem hohen Anteil weiblicher Führungskräfte gelingt es besser, ihre Risiken zu senken und nachhaltigen Erfolg sicherzustellen: Zu diesem Schluss kommen die Wirtschaftswissenschaftler Jan Riepe und Philip Yang von der Universität Tübingen in einer neuen Studie. Dies wird insbesondere deutlich, wenn die Wirkung von mehr weiblichen Führungskräften auf den Wert des gesamten Unternehmens untersucht wird, und nicht nur der Effekt auf den Wert des Eigenkapitals, oft als „Börsenwert“ bezeichnet. Um dies zu zeigen analysierten Riepe und Yang anhand von Marktpreisen börsennotierter Unternehmensanleihen die Wechselwirkung zwischen dem Anteil weiblicher Führungskräfte in Kontrollgremien, dem Unternehmensrisiko und dem Wert der Unternehmensverschuldung. Dabei konnten sie zeigen, dass Unternehmensanleihen an Wert gewinnen, wenn der Anteil von Frauen in diesen Gremien steigt. Mit diesen Erkenntnissen vollzogen sie zudem zwei ältere Studien zum Thema nach und kamen zu einem neuen, positiven Ergebnis, was die Frauenquote betrifft. Die Studie ist im Social Science Research Network abrufbar.
Sind Frauen in Führungspositionen „gut fürs Geschäft“?
Norwegen hat bereits 2006 eine verbindliche Geschlechterquote für mehr Frauen in Leitungsgremien eingeführt. 2018 erließ Kalifornien als erster US-Bundesstaat eine ähnliche Regelung. Der Effekt ist umstritten. Befürworter von Geschlechterquoten-Gesetzen nutzen häufig das „Business Case“ Argument: Geschlechtervielfalt sei gut für die gesamte Wirtschaft wie auch Unternehmen. Auch Bundesfamilienministerin Giffey warb dafür, dass Frauen in Führungsspitzen „gut fürs Geschäft“ seien. Studien scheinen diese Behauptung auf den ersten Blick jedoch nicht zu stützen. Einige dieser Studien stellten fest, dass sich Gremien mit Geschlechterquoten negativ auf die Gewinne von Unternehmen auswirken. In ihrer früheren Studie „Women Directors, Firm Performance and Firm Risk: A causal perspective“ hatten auch Riepe und Yang gemeinsam mit Koautorinnen zumindest kurzfristig einen negativen Effekt auf den Unternehmensgewinn und den Eigenkapitalwert an den Börsen gefunden. Gleichzeitig zeigten die Forscher aber schon damals, dass mit steigendem Frauenanteil im Aufsichtsrat das Unternehmensrisiko sinkt. Dies stärkt die Position der Fremdkapitalgeber, die sich häufig mehr für ein niedrigeres Risiko als für kurzfristig höhere Gewinne interessieren. Die neue Studie von Riepe und Yang konzentriert sich nun auf die Wechselwirkung zwischen Unternehmensrisiko und der Bewertung der Unternehmensverschuldung, zwei wichtige Bestandteile der Unternehmensperformance. Anhand von Daten US-amerikanischer Unternehmen wiesen die Wissenschaftler einen positiven Zusammenhang zwischen mehr Frauen in Führungsgremien und dem Wert von Unternehmensanleihen nach. Die positiven Auswirkungen auf den Wert der Unternehmensverschuldung hatten sich in ihrer früheren Studie bereits abgezeichnet.
Negative Effekte auf Messverzerrungen zurückzuführen
Im zweiten Schritt werteten die Forscher die empirische Literatur aus. Sie stellten fest, dass Studien, die einen Zusammenhang zwischen Frauen in Leitungsgremien und negativer Unternehmensperformance aufzeigten, alle die positiven Auswirkungen von mehr Frauen auf den Wert der Unternehmensverschuldung vernachlässigten. Die negativen Marktwertveränderungen für die Aktionäre aus niedrigerem Risiko werden dort selektiv herausgegriffen, die positiven Auswirkungen auf den Wert der Unternehmensverschuldung werden ignoriert, indem lediglich die Buchwerte des Fremdkapitals betrachtet werden. Diese Vernachlässigung der Wertveränderung der Unternehmensschulden verzerrt die Ergebnisse wesentlich: die so genannte „Book Value Bias of Debt“. Die Buchwert-Verzerrung kann leicht zu falschen statistischen Schlussfolgerungen führen. Mit diesen Erkenntnissen berechneten die Forscher zwei große Studien neu. Nach Bereinigung der Ergebnisse konnten sie keinen signifikanten Zusammenhang mehr zwischen Frauen in Leitungsgremien und einer negativen Unternehmensperformance feststellen.
„Der messbare negative Effekt auf den Börsenwert des Unternehmens ist sehr schwach. Im Hinblick auf die Erkenntnis, dass mit dem Anstieg des Frauenanteils im Aufsichtsrat das Unternehmensrisiko sinkt, kann eher von einem positiven als von einem negativen Effekt auf die Unternehmensperformance ausgegangen werden“, sagt Riepe. „Insgesamt führen wir einen großen Teil des in Studien festgestellten Zusammenhangs zwischen Frauen in Leitungsgremien und negativem Börsenwert auf diese Messverzerrungen zurück. Der Effekt auf eine Senkung des Risikos, der den nachhaltigen Unternehmenserfolg beeinflusst, bleibt jedoch bestehen.“
Publikation:
Empirical Studies on Gender Diverse Boards: Be Aware of the Value Bias in Corporate Debt, Jan Riepe und Philip Yang, https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3329966
Kontakt:
Prof. Dr. Jan Riepe
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