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12.02.2016
Größe der Keimzellen erklärt klassische Geschlechterrollen im Tierreich
Tübinger Evolutionsbiologen bestätigen Darwins Theorie der sexuellen Selektion
Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen finden sich in fast allen Organismengruppen des Tierreichs, bezüglich des Verhaltens, des Stoffwechsels oder der äußeren Erscheinung. Typisch männlich, typisch weiblich – doch was sind die Ursachen für derartige Grundmuster? Die Frage nach der Existenz und den evolutionären Wurzeln solcher sogenannten Geschlechterrollen ist seit mehr als einem Jahrhundert Gegenstand kontroverser Diskussionen. Eine in der Zeitschrift Science Advances veröffentlichte Studie von Ines Häderer und Dr. Nils Anthes vom Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit Dr. Tim Janicke von der Universität Montpellier (Frankreich) und Dr. Marc Lajeunesse von der Universität Tampa (USA) untermauert nun, dass klassische Geschlechterrollen im Tierreich auf einem ganz ursprünglichen Geschlechterunterschied basieren.
In einer umfassenden vergleichenden Studie haben die Autoren an 66 Tierarten Unterschiede zwischen den Geschlechtern im Zusammenhang mit deren Paarungsverhalten untersucht. Über das gesamte Tierreich hinweg betrachtet zeigte sich, dass Männchen meist deutlich stärker von einer höheren Anzahl von Verpaarungen profitieren als Weibchen. „In diesen Fällen unterliegen Männchen einem stärkeren Selektionsdruck hinsichtlich des Paarungserfolgs als Weibchen“, erklärt Erstautor Tim Janicke. Zudem habe sich herausgestellt, dass die Stärke dieses Geschlechtsunterschieds mit der Ausprägung zweier weiterer Merkmale sich geschlechtlich fortpflanzender Tiere einhergeht: Einer auffälligeren äußeren Erscheinung bei Männchen und einer stärker ausgeprägten Brutpflege durch die Weibchen.
„Unsere Befunde untermauern die Vorhersagen der von Charles Darwin etablierten Theorie der sexuellen Selektion“, ergänzt die Tübinger Ko-Autorin Ines Häderer. Die bereits von Darwin beschriebenen konventionellen Geschlechterrollen werden dabei nach heutiger Lesart als Konsequenz des grundlegendsten Geschlechterunterschieds angesehen, nämlich der Größe der Keimzellen. Männchen produzieren in der Regel viele kleine Spermien, Weibchen hingegen wenige, aber meist erheblich größere Eizellen. Die Vielzahl winziger Spermien der Männchen fördert demnach eine erhöhte Rivalität um die vergleichsweise geringe Anzahl weiblicher Eizellen. Dies geht einher mit der Ausprägung auffallenderer sekundärer Geschlechtsmerkmale für die Balz und einer geringeren Beteiligung an der Brutpflege.
In einer zu Darwin alternativen Theorie wird die Entwicklung von Geschlechterrollen durch sogenannte soziale Selektion erklärt. Deren Verfechter gehen davon aus, dass Geschlechterrollen ausschließlich durch Umwelt- beziehungsweise soziale Einflüsse entstehen. „Damit hätten sich Geschlechterrollen unabhängig von der Stärke der sexuellen Selektion und der Größe der Keimzellen entwickelt. Für diese Vermutung haben wir in unserer Studie keine Belege gefunden“, sagt Häderer.
Gleichwohl zeigten die Befunde der Wissenschaftler aber auch, dass die in der Größe der Keimzellen begründbaren Geschlechterrollen durch Einflüsse der Umwelt geschwächt oder verstärkt werden können. Belege hierfür finden sich beispielsweise bei Vögeln und Fischen mit vertauschten Geschlechterrollen: Hier unterliegen die Weibchen einer stärkeren sexuellen Selektion, konkurrieren also um die wählerischen Männchen, und überlassen auch den Vätern den Großteil der Brutpflege.
Insgesamt bestätigt die Studie die Vorhersagen der Darwin’schen Selektionstheorie. Sie gibt zudem Ansatzpunkte für gezielte Untersuchungen darüber, wie Umwelt- und Sozialfaktoren die evolutionären Geschlechterrollen weiter ausdifferenzieren können.
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Ein Rothirsch in seinem Rudel. Foto: Oliver Krüger |
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Originalpublikation:
Tim Janicke, Ines K. Haederer, Marc J. Lajeunesse and Nils Anthes: Darwinian sex roles confirmed across the animal kingdom. Tim Janicke, Ines K. Haederer, Marc J. Lajeunesse and Nils Anthes: Darwinian sex roles confirmed across the animal kingdom. Science Advances, 2:e1500983 (2016). <link https: dx.doi.org sciadv.1500983>dx.doi.org/10.1126/sciadv.1500983
Kontakt:
Dr. Nils Anthes
Universität Tübingen
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<link>nils.anthes[t]uni-tuebingen.de
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Hochschulkommunikation
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