Pressemitteilungen
04.08.2016
Grundsätzliches Einverständnis der WADA zur Veröffentlichung der Tübinger Doping- Studie
Warten auf Antwort des Internationalen Leichtathletikverbands (IAAF)
I. Am 20. Mai 2016 teilte der Generaldirektor der World Antidoping Agentur (WADA), David Howman, in einem Schreiben an Prof. Dr. Dr. Sandberger, den Rechtsvertreter der Universität und von Prof. Dr. Rolf Ulrich, dem federführenden Autor der Studie, mit, dass die WADA mit einer Publikation der Studie grundsätzlich einverstanden sei. Allerdings müsse WADA sich noch direkt mit der Internationalen Leichtathletikverband (IAAF) abstimmen und die Übergabe der Rohdaten an die IAAF vereinbaren.
Damit schienen die jahrelangen Verhandlungen über die Publikationsfreigabe zwischen der Universität und der WADA auf der einen Seite, WADA und IAAF auf der anderen Seite im Wesentlichen zu einem positiven Ende gekommen zu sein. Die Chronologie der Ereignisse stellt sich aus Sicht der Universität Tübingen wie folgt dar:
II. Die Studie „Doping in Elite Sports Assessed by Randomized-Response Surveys“ untersuchte mit einem etablierten anonymen Befragungsverfahren der mathematischen Statistik (Unrelated Question Model) die Dopingprävalenz von Hochleistungssportlern bei der Leichtathletikweltmeisterschaft 2011 in Daegu und den ebenfalls 2011 durchgeführten Panarabischen Spielen in Doha, Katar. Anhand der Ergebnisse dieser Studie verfasste eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern unter der Federführung von Prof. Dr. Rolf Ulrich (Eberhard Karls Universität Tübingen) ein Manuskript über die verwendete Methodik und Datenanalyse. Die WADA hatte diese Studie seinerzeit organisatorisch und finanziell unterstützt und es war eine gemeinsame Publikation der Ergebnisse mit der WADA geplant. Nachdem das Ergebnis feststand, veranlasste die WADA die beteiligten Wissenschaftler am 26. 10. 2011 eine Vertraulichkeitserklärung zu unterschreiben. Dabei wurde der Gruppe nicht offengelegt, dass die WADA sich gegenüber der IAAF verpflichtet hatte, nur in Absprache mit der IAAF einer Veröffentlichung der Studie zuzustimmen.
III. Bis zum Sommer 2015 wurden die Verhandlungen der Universität um die Freigabe mit einem von der WADA beauftragten Anwalt geführt, der sich seinerseits in zahllosen Versuchen über zwei Jahre um Zustimmung der IAAF zur Publikation bemühte. Da die IAAF nach Angabe des WADA-Anwalts auf diese Bemühungen keine Antwort gab, wandte sich Prof. Sandberger schließlich im Sommer 2015 unmittelbar an Dr. Pierre-Yves Garnier (Medical & Scientific Senior Manager und Direktor IAAF Medical and Anti-Doping Department), übersandte ihm die Studie und die Antwort der Autoren der Studie auf von Dr. Garnier übermittelte Fragen eines nicht namentlich genannten Gutachters der IAAF.
IV. Am 16. 8. 2015 berichtete die Sunday Times in einem Artikel über den von dem deutschen Journalisten Hajo Seppelt aufgedeckten Dopingskandal in Russland sowie auch über das Publikationsembargo dieser Studie. Darauf führte das Culture, Media and Sport Committee des UK House of Parliament unter der Leitung seines Chairman Jesse Norman im Oktober 2015 eine erste und im Dezember 2015 eine zweite Anhörung durch. Im Herbst 2015 erhielt das britische Parlament eine Kopie des Manuskripts der Dopingstudie und veröffentlichte diese ohne Zustimmung der Autoren im Internet. Allerdings umfasst dieses veröffentlichte Manuskript nur die Zusammenfassung der Ergebnisse. Der Anhang mit mehr als 30 Seiten wurde jedoch nicht veröffentlicht; dieser ist allerdings für eine wissenschaftliche Bewertung der Ergebnisse und der Methodik notwendig. Bei der Anhörung im Oktober erklärte der Generaldirektor der WADA, David Howman, es entspreche der Politik der WADA, die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zu veröffentlichen, WADA benötige aber aufgrund einer Vereinbarung mit der IAAF deren Zustimmung.
V. In einer weiteren Anhörung des UK Parlaments am 2. 12. 2015 wurden der Präsident der IAAF, Lord Sebastian Coe, und der Anti-Doping-Beauftragte des Leichtathletikverbands, Thomas Capdevielle, zur Publikationsblockade der Studie durch die IAAF befragt. Sie blieben in ihren Aussagen jedoch unklar. Zum einen wiederholten sie die Aussage, dass die IAAF kein Vetorecht habe, die Publikation der Studie zu verhindern, aber zum anderen betonten sie, es sei ihr Recht, die Gültigkeit der Studie zu überprüfen, bevor sie einer Publikation zustimmen könnten. Obwohl Dr. Garnier von der IAAF im Besitz aller angeforderten Unterlagen war, unterblieb weiter die von ihm wiederholt in Aussicht gestellte Entscheidung der IAAF.
VI. Daher wandte sich Prof. Sandberger am 4.4.2016 abermals an David Howman und auch an Lord Coe, um sich über den Stand der Verhandlungen zwischen der WADA und der IAAF zu informieren. Diese Email erwiderte am 14.4.2016 IAAF-Generalsekretär Jean Gracia, wobei er geltend machte, dass die Daten der IAAF gehören und diese seit 2012 von der WADA nicht der IAAF zur Verfügung gestellt wurden, obgleich die IAAF mehrmals die Daten von der WADA angefordert habe. David Howman reagierte am 21. 4. 2016 ebenfalls auf das Anschreiben und teilte Prof. Sandberger mit, dass von Seiten der WADA einer Publikation nichts mehr im Wege stünde. Prof. Sandberger bat darauf WADA-Generaldirektor Howman, die im Besitz der WADA befindlichen Rohdaten der Studie an IAAF zu übermitteln und stellte der WADA die Übermittlung der finalen Version des Manuskripts vor Einreichung bei einem Verlag in Aussicht.
VII. Mit Schreiben vom 20. Mai 2016 erklärte schließlich WADA-Generaldirektor Howman sein grundsätzliches Einverständnis zu diesen Modalitäten. Seitdem bemüht die WADA sich nach glaubwürdigem Bekunden in Verhandlungen mit der IAAF darum, die von der IAAF geforderten Voraussetzungen zu erfüllen, hat aber bis heute keine Antwort von der IAAF erhalten.
VIII. Die im Jahr 2011 abgeschlossene Studie hat schon damals eine hohe Dopingbereitschaft von Leichtathleten ermittelt, die sich nach den 2015 von Untersuchungskommissionen der WADA ermittelten Vorgängen innerhalb der IAAF und des russischen Doping- Skandals bestätigt hat.
IX. Die Autoren der Studie und die Universität erwarten deshalb, dass die IAAF in Zusammenarbeit mit der WADA die noch ausstehenden Voraussetzungen schafft, die Studie nach jahrelanger Verzögerung freizugeben. Das gebietet das Ziel, Doping zu verhindern und zu bekämpfen, aber auch der Respekt vor der Wissenschaftsfreiheit.
Kontakt:
Dr. Karl G. Rijkhoek
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