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10.01.2018
Immunantwort auf Bakterien: wie sich friedliche Mitbewohner und Eindringlinge unterscheiden
Mikrobiologen der Universität Tübingen entdecken einen Mechanismus, mit dem Staphylokokken die Alarmierung des Immunsystem dämpfen
In der Bakteriengattung der Staphylokokken gibt es Vertreter, welche die Haut und Schleimhaut des Menschen zu wechselseitigem Nutzen als friedliche Mitbewohner besiedeln, aber auch solche, die fern des Menschen zum Beispiel in Boden und Wasser vorkommen. Beim Kontakt mit Bakterien ist die Aktivierung des angeborenen Immunsystems der erste Schritt zur Abwehr einer bevorstehenden Infektion. Wie nun das Immunsystem zwischen potenziellen Krankheitserregern und friedlichen Mitbewohnern unterscheidet, hat eine Gruppe von Forscherinnen und Forschern unter der Leitung von Professor Friedrich Götz vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen untersucht. Als Unterscheidungsmerkmal konnten sie die unterschiedliche Struktur von Lipoproteinen dingfest machen, die in der Membran von Bakterien verankert sind. Kurz oder lang – die Länge der Fettsäure am Molekül der Lipoproteine entscheidet über die Stärke der Immunantwort. Die neuen Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Die Forscherinnen und Forscher untersuchten als Beispiel für Staphylokokken, die in Wechselwirkung und zum beiderseitigen Nutzen die menschliche Haut besiedeln, sogenannte Kommensalen des Menschen, die Art Staphylococcus aureus. Als nicht-kommensale Art wählten sie Staphylococcus carnosus aus; diese Art wird häufig bei der Produktion von Wurst und Fleischprodukten eingesetzt. Das menschliche Immunsystem erkennt über einen bestimmten Rezeptor die Lipoproteine der Staphylokokken, die nur in Mikroorganismen vorkommen, nicht aber im menschlichen Wirt. Auf die fremden Eindringlinge kann es entsprechend reagieren. „Wir fanden heraus, dass die Antwort des Immunsystems bei Staphylococcus aureus viel niedriger ausfiel als bei Staphylococcus carnosus“, berichtet Götz. Als hauptsächlicher Grund ließen sich Unterschiede in der Struktur des Lipidanteils der Lipoproteinen ausmachen: Bei S. aureus war das Protein durch die langkettige Heptadecanoylfettsäure modifiziert, während S. carnosus an entsprechender Stelle nur eine kurze Acetylgruppe trug. „Der Strukturunterschied ist vergleichsweise gering, hatte jedoch einen enormen Einfluss auf die Immunantwort“, sagt der Mikrobiologe. Die Lipoproteine mit der langen Kette von S. aureus bewirkten eine deutliche Verringerung der Immunantwort, sowohl beim angeborenen als auch beim erworbenen Immunsystem, während die kurzkettigen Lipoproteine von S. carnosus eine fast zehnfache Steigerung der Immunantwort auslösten.
„Wir fanden dadurch unsere These bestätigt, dass krankheitserregende, aber auch kommensale Bakterien in einem Wirtsorganismus nur überleben können, wenn sie es schaffen, dem Immunsystem zu entkommen oder auszuweichen“, sagt Götz. Entweder müssten die Bakterien das Immunsystem ruhigstellen oder ihm entgegenwirken. „Der Mechanismus, dem Immunsystem über den Einbau langkettiger Fettsäuren in den Lipidanker der Lipoproteine zu entgehen, wie wir es bei der kommensalen Art S. aureus entdeckt haben, war bisher nicht bekannt.“
Neben den Kommensalen gibt es auch krankheitserregende Formen von S. aureus, die teilweise lebensgefährliche Entzündungen verursachen können. „Grundsätzlich bleibt daher das alte Rätsel offen, warum es keine wirklich schützende Immunantwort gegen S. aureus gibt, die eine Infektion verhindert“, sagt der Wissenschaftler. Er will im nächsten Schritt untersuchen, welche Enzyme und Gene in den Einbau der Fettsäuren an den Lipoproteinen von S. aureus involviert sind.
Publikation:
Nguyen, M.T., J. Uebele, N. Kumari, H. Nakayama, L. Peter, O. Ticha, A.K. Woischnig, M. Schmaler, N. Khanna, N. Dohmae, B.L. Lee, I. Bekeredjian-Ding & F. Götz, (2017): Lipid moieties on lipoproteins of commensal and non-commensal staphylococci induce differential immune responses. Nature Communications, 8: 2246. DOI: 10.1038/s41467-017-02234-4.
Kontakt:
Prof. Dr. Friedrich Götz
Universität Tübingen
Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin – Mikrobielle Genetik
Telefon +49 7071 29-74128
friedrich.goetzspam prevention@uni-tuebingen.de