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09.08.2016
Kupferzeitliche Kreisgrabenanlage in Südspanien entdeckt
Archäologen des Sonderforschungsbereichs RessourcenKulturen an der Universität Tübingen vermuten, dass die Stätte bei Sevilla für kultische Zwecke genutzt wurde
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Sonderforschungsbereichs RessourcenKulturen an der Universität Tübingen haben in Südspanien eine Kreisgrabenanlage entdeckt, die aus der Zeit von 2.600 bis 2.200 v. Chr. aus der sogenannten Glockenbecherkultur stammt. Der Name dieser Periode in der späten Kupferzeit wird von der charakteristischen Form der damals hergestellten Gefäße hergeleitet. Die Stätte könnte rituellen Zwecken gedient haben. Ähnliche Kultstätten waren bislang nur aus Nordeuropa bekannt.
Ein Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs untersucht in Feldstudien, wie die Bewohner Südspaniens in der Kupferzeit (ca. 3. Jahrtausend v. Chr.) mit Ressourcen ihres Lebensraums umgingen und welche Auswirkungen dies auf Gesellschaft, Handelsbeziehungen und Migrationsbewegungen in der Region hatte. Die Region um Valencina de la Concepción bei Sevilla ist als bedeutendes kupferzeitliches Siedlungszentrum bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt. 1860 wurde dort mit dem Dolmen de la Pastora (Archäolog. Erstbeschreibung 1868, F.M. Tubino), einer langgezogenen Megalith-Grabanlage, bereits ein bedeutender kupferzeitlicher Fund gemacht.
Die nahe gelegene Siedlung von Valencina, mit 400 Hektar Ausdehnung die größte kupferzeitliche Siedlung Spaniens, war günstig für Ackerbau und Viehzucht in der fruchtbaren Küstenebene positioniert. Grabfunde aus früheren Untersuchungen zeigten, dass Handelsbeziehungen auch mit weiter entfernten Kulturen stattfanden: Unter den Grabbeigaben fanden sich exotische Luxusgüter wie Elefantenstoßzähne aus Afrika und Bernsteinperlen aus dem Norden. Exportschlager der Region waren vermutlich die Kupfererze aus dem Bergland unweit Valencina. Inwieweit die Siedlung mit dem Hinterland interagiert hat und wie genau die Handelsrouten und Migrationswege der damaligen Bewohner ausgesehen haben könnten, ist bisher noch wenig erforscht. Hier soll die Feldforschung des Tübinger Archäologenteams unter Leitung von Professor Martin Bartelheim neue Erkenntnisse bringen.
Den überraschenden Fund machten die Forscher ca. 50 Kilometer östlich von Valencina, im Hinterland der Region nahe Carmona. Bei einem im August 2015 durchgeführten Geländesurvey entdeckten sie eine kreisförmige Grabenanlage mit einer Ausdehnung von sechs Hektar. Grabungen bestätigten den initialen Fund: Radiokarbondatierungen und die vergleichende Analyse von Scherbenfunden und Schmuck ergaben ein Alter von rund 4.500 Jahren und eine Datierung in die spät-kupferzeitliche Glockenbecherkultur (2.600 bis 2.200 v. Chr.).
Der Zweck der Struktur gibt derzeit noch Rätsel auf. Die Anlage besteht aus mehreren, kreisförmig angeordneten Gräben, die in regelmäßigen Abständen eingangsartige Aussparungen aufweisen. Im Zentrum der Anlage befindet sich ein großes kreisförmiges Loch von etwa 19 Meter Durchmesser. Dort entdeckten die Archäologen große Lehmziegel mit Brandspuren, die einem rituellen Zweck gedient haben könnten. Es wurden jedoch keine Skelettfunde gemacht. Siedlungsschichten, die auf eine durchgängige Besiedlung der Stätte über die Kupferzeit hinaus hindeuten, fehlen ebenfalls. Daraus lässt sich schließen, dass die Anlage eine relativ kurze Hochphase hatte, während der sie intensiv von Menschen genutzt wurde.
Die Forscher vermuten in der für die Region ungewöhnlichen Kreisgrabenanlage eine Kultstätte. Javier Escudero Carrillo, Doktorand des Sonderforschungsbereichs RessourcenKulturen, sagt: „Die Struktur ist für Spanien vollkommen untypisch, ähnliche Kreisanlagen finden sich sonst nur im nördlichen Europa; diese sind allerdings zumeist rund tausend Jahre älter als diese Anlage. Der steinige Boden hier ist für Landwirtschaft eher ungeeignet, die Stätte liegt aber strategisch günstig nahe einer alten Furt des Flusses Guadalquivir in der Nähe der Sierra Morena, in der Kupfer und andere wertvolle Materialien abgebaut wurden. Hirtenwege verbinden die Stätte mit der fruchtbaren Ebene von Carmona, so dass man davon ausgehen kann, dass sie als Durchgangsstation von vielen Menschen besucht wurde. Eine Interpretation als Kultstätte ist daher naheliegend.“
Weitere Untersuchungen sollen zeigen, wie sich die Stätte in die kupferzeitliche Infrastruktur der Gegend eingefügt hat. Dies geschieht durch Gesteinsanalysen, die die Herkunft von bearbeiteten Steinfunden (Mahlsteine, Beile) bestimmt und so Anhaltspunkte liefert, welche Wege die wertvollen Rohmaterialien für Werkzeuge vom Abbaugebiet bis zu ihrem Bestimmungsort zurückgelegt haben. Die Entnahme von Sedimentproben sowie Isotopenanalysen an Tierknochen und Pollenanalysen, mittels derer die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten der frühzeitlichen Bewohner erforscht wer-den können, sollen weitere Daten über die Nutzung der Stätte liefern.
Kupferzeitliche Scherbenfunde. Bilder: SFB 1070 RessourcenKulturen, Javier Escudero Carrillo und Elisabet Conlin |
Großer Lehmziegel mit Brandspuren, der auf dem Grund der Kreisgrabenanlage gefunden wurde – handelte es sich um eine Kultstätte?. Bild: SFB 1070 RessourcenKulturen, Javier Escudero Carrillo und Elisabet Conlin |
Kontakt:
Prof. Dr. Martin Bartelheim
Universität Tübingen
Institut für Ur- und Frühgeschichte
Burgsteige 11
72070 Tübingen
martin.bartelheim[at]uni-tuebingen.de
Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Dr. Karl Guido Rijkhoek
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