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18.07.2017
Laborausrüstung muss nicht teuer sein
Marke Eigenbau: Tübinger Neurowissenschaftler entwickeln kostengünstige Laborelemente
Tübinger Neurowissenschaftler haben ein kostengünstiges Laborsystem für den Selbstbau entwickelt. In der Neurowissenschaft ist die Laborausrüstung oft der größte Kostenfaktor ‒ dabei liefern auch Experimente mit selbstgebauten Setups aus dem 3D-Drucker und mit selbst programmierter Elektronik gute Resultate. Das von André Maia Chagas und Tom Baden entwickelte „FlyPi“-System ist für alltägliche Laborarbeiten wie Licht- und Fluoreszenzmikroskopie, Optogenetik, Thermogenetik und Verhaltensstudien an Kleintieren (Würmer, Fruchtfliegen, Fischlarven) geeignet. Als modulare, preiswerte Lösung ist es in der Forschung, aber auch für Ausbildung und Unterricht einsetzbar. Die Arbeit der Forscher wurde im Fachmagazin PLoS Biology veröffentlicht. Bau- und Bedienungsanleitungen stehen kostenfrei auf Open-Source-Plattformen zur Verfügung.
In der modernen Neurowissenschaft liefern kleine Tiere große Erkenntnisse über Funktionen des Nervensystems. Die durchsichtigen Larven von Zebrafischen, die Fruchtfliege Drosophila, oder der Rundwurm Caenorhabditis elegans können leicht in großer Zahl gehalten werden. Vor allem aber wurde ihr Genom vollständig sequenziert, was genetische Modifikationen ermöglicht, etwa für die Optogenetik: Bei dieser Methode werden Nervenzellen genetisch programmiert, auf Licht zu reagieren. Mit Lichtimpulsen können dann Hirnareale oder einzelne Nervenzellen „an-“ und „ausgeschaltet“ werden – im lebenden Organismus. So können Zellen, die bestimmte Körperfunktionen und Verhalten steuern, genau identifiziert werden. Die aufwändige Einrichtung für solche Experimente umfasst unter anderem Lichtquellen definierter Wellenlänge und regelbarer Intensität, leistungsstarke Kameras und Mikroskope und eine maßgeschneiderte „Arena“ zur Verhaltensbeobachtung: Ein Labor kann leicht zehn- oder hunderttausende Euro für den Erwerb kommerzieller Lösungen ausgeben. Spitzenwissenschaft und die zugehörige Ausbildung bleiben so auf gut ausgestattete Institute in reichen Ländern beschränkt.
In einer gemeinsamen Initiative haben deshalb Neurowissenschaftler des Tübinger Werner Reichardt Centrums für Integrative Neurowissenschaften (CIN) und des Forschungsinstituts für Augenheilkunde sowie der University of Sussex in Brighton den „FlyPi“ vorgestellt. Dessen Design beruht auf einem 3D-gedruckten Rahmen, in dem Computer und eine Kamera der Marke Raspberry Pi sowie günstige LEDs zur Beleuchtung und einfache Linsen verbaut sind. Dazu kommen optische und thermische Kontrollelemente, die auf Arduino basieren, einer Open-Source-Plattform für elektronische Prototypen. Zusammen kosten die Bauteile weniger als 100 Euro. Das Basissystem kann mit weiteren Komponenten ausgestattet werden, die den Preis gerade einmal verdoppeln.
Zwar sind kommerzielle Produkte in mancher Hinsicht höher entwickelt, Fluoreszenzmikroskopie mit FlyPi etwa liefert Auflösungen im Mikrometer-Bereich, während Spitzen-Konfokal- oder 2-Photonen-Mikroskope Zehntelmikrometer erreichen. Jedoch kosten solche zehnmal höher auflösenden Geräte auch bis zum 5.000-fachen eines FlyPi, das viele Standardaufgaben im Labor sehr gut erfüllen kann und sich überdies für Lehrzwecke eignet. Durch seinen modularen Aufbau können einzelne Komponenten auch durch hochwertigere Teile ersetzt werden, um beispielsweise die Auflösung zu verbessern.
Die Entwickler André Maia Chagas and Tom Baden setzen sich stark für die Verbreitung sogenannter „Open Labware“ ein: So nennt die wachsende Gemeinde, die sich für Open Source, Eigenkreationen und Tüftelei begeistert, solche Projekte. Seit Jahren geben sie – gemeinsam mit Lucia Prieto Godino von der Universität Lausanne – Kurse in 3D-Druck, Programmierung und Laborgeräte-Bau an Universitäten in Kenia, Uganda, Ghana, Nigeria, Südafrika, Sudan und Tansania. „Diese Institutionen haben wenig Geld für teure Laborausstattung“, sagt Baden. „Wir finden es sehr wichtig, dass Studium und neurowissenschaftliche Forschung auch in diesen Schwellenländern für eine größere Zahl von Studierenden und Wissenschaftlern möglich werden. Daher hoffen wir, dass wir dafür mit Open Labware wie unserem FlyPi einen Ansatzpunkt liefern können.“
Publikation:
André Maia Chagas, Lucia Prieto Godino, Aristides B. Arrenberg, Tom Baden: The 100 Euro Lab: A 3-D Printable Open Source Platform for Fluorescence Microscopy, Optogenetics and Accurate Temperature Control during Behaviour of Zebrafish, Drosophila and C. Elegans. PLoS Biology (im Druck). 18. Juli 2017.
Autoren:
André Maia Chagas
Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN), Universität Tübingen
<link>andre.chagas@klinikum.uni-tuebingen.de
Tom Baden
Sussex Neuroscience, School of Life Sciences, University of Sussex, Brighton UK
Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN), Universität Tübingen
Forschungsinstitut für Augenheilkunde, Tübingen
<link>t.baden@sussex.ac.uk
<link http: www.badenlab.org>www.badenlab.org
Links:
Open Labware (betrieben von T. Baden): <link http: www.open-labware.net>www.Open-Labware.net
Open Neuroscience (betrieben von A. M. Chagas): <link http: www.openeuroscience.com>www.Openeuroscience.com
TReND in Africa <link http: www.trendinafrica.org>www.TReNDinAfrica.org
PLoS Open Hardware Collection (kuratiert von A. M. Chagas and T. Baden): <link http: collections.plos.org open-source-toolkit-hardwar>collections.plos.org/open-source-toolkit-hardwar
Kostengünstiges Labor zum Selberbauen: Das Gerüst des FlyPi-Systems lässt sich im 3D-Drucker herstellen und selbst montieren, Elektronik und motorisierte Teile mithilfe von Open-Source-Software selbst programmieren.
Foto: Tom Baden / CIN |
Pressekontakt CIN:
Dr. Paul Töbelmann
Universität Tübingen
Werner-Reichardt-Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN)
Science Communication & Public Outreach
Telefon +49 7071 29-89108
<link>paul.toebelmann@cin.uni-tuebingen.de
<link http: www.cin.uni-tuebingen.de>www.cin.uni-tuebingen.de
Universität Tübingen
Die Universität Tübingen gehört zu den elf deutschen Universitäten, die als exzellent ausgezeichnet wurden. In den Lebenswissenschaften bietet sie Spitzenforschung im Bereich der Neurowissenschaften, Translationalen Immunologie und Krebsforschung, der Mikrobiologie und Infektionsforschung sowie der Molekularbiologie. Weitere Forschungsschwerpunkte sind die Geo- und Umweltforschung, Archäologie und Anthropologie, Sprache und Kognition sowie Bildung und Medien. Mehr als 28.400 Studierende aus aller Welt sind aktuell an der Universität Tübingen eingeschrieben. Ihnen steht ein Angebot von rund 300 Studiengängen zur Verfügung – von der Ägyptologie bis zu den Zellulären Neurowissenschaften.
Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN)
Das Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) ist eine interdisziplinäre Institution an der Eberhard Karls Universität Tübingen, finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern. Ziel des CIN ist es, zu einem tieferen Verständnis von Hirnleistungen beizutragen und zu klären, wie Erkrankungen diese Leistungen beeinträchtigen. Das CIN wird von der Überzeugung geleitet, dass dieses Bemühen nur erfolgreich sein kann, wenn ein integrativer Ansatz gewählt wird.
The University of Sussex’s School of Life Sciences
The University of Sussex’s School of Life Sciences is one of the largest academic schools at the University of Sussex. With 96 per cent of its research rated as world leading, internationally excellent or internationally recognised (REF 2014), it is among the leading research hubs for the biological sciences in the UK. The School is home to a number of prestigious research centres including Sussex Neuroscience, the Genome Damage and Stability Centre and the Sussex Drug Discovery Centre, where academics work with industry to translate scientific advances into real-world benefits for patients.
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