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05.02.2018

Schildkrötengehirne sind komplexer als gedacht

Neue Studie wirft Licht auf die Gehirnevolution der Schildkröten und ihre frühen Umweltanpassungen.

Lebend-, Schädel- und Gehirnrekonstruktion von Proganochelys quenstedti, der ältesten Schildkröte (210 Millionen Jahre) mit vollständigem Panzer. Abbildung: Stephan Lautenschlager, Universität Birmingham

Die Gehirne von Schildkröten haben sich im Lauf der Evolution langsam, aber stetig weiterentwickelt. Anders als bislang angenommen, führte dies zu einer Vielzahl und Komplexität von Gehirnen, die mit denen anderer Tiergruppen vergleichbar sind: Zu diesem Schluss kommen Forscher aus Großbritannien, Brasilien und Deutschland in einer Studie, in der sie mit modernen Computeranalysen die Veränderungen der Schildkrötengehirne im Lauf der letzten 210 Millionen Jahre untersuchten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Frontiers in Ecology and Evolution veröffentlicht.

Schildkröten sind eine der ältesten heute noch lebenden Wirbeltiergruppen. Obwohl ihre Ursprünge bis zu 250 Millionen Jahre zurückdatieren, haben sie sich seitdem äußerlich kaum verändert. Fast alle fossilen Schildkröten ähnelten den heutigen modernen Schildkröten. Diese anatomische Konstanz trug womöglich dazu bei, dass sie mehrfache Aussterbe-Ereignisse der Erdgeschichte überlebten.

Dr. Ingmar Werneburg vom Senckenberg Center of Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP) an der Universität Tübingen war Leiter der Studie, die sich auf die Untersuchung von Proganochelys quenstedti konzentrierte. Die älteste Schildkröte mit einem vollständigen Panzer wurde in 210 Millionen Jahre alten triassischen Sedimenten in Deutschland gefunden. Anhand von Computertomografie-Aufnahmen zweier fossiler Schädel rekonstruierten die Wissenschaftler digitale Modelle des Gehirns von Proganochelys und verglichen diese mit Gehirnmodellen moderner Schildkröten.

„Unsere Resultate zeigen, dass Proganochelys, die älteste Schildkröte mit einem echten Panzer, eine sehr einfache Gehirnstruktur aufwies“, sagt Erstautor Dr. Stephan Lautenschlager von der Universität Birmingham. „Sehsinn und Gehör waren wahrscheinlich nicht besonders gut ausgebildet, während der Geruchssinn relativ gut entwickelt war.“ Weitere Resultate der Studie zeigten, dass das Schildkrötengehirn in Bezug auf seine Größe und Komplexität im Laufe der Evolution bis hin zu den modernen Schildkröten zunahm. Moderne Arten zeigen eine weite Spanne an Gehirnformen und -größen, was die vielfältigen Ausprägungen ihrer Sinnesorgane spiegelt.

Ingmar Werneburg ergänzt: „Über einen Zeitraum von über 200 Millionen Jahren stieg die Komplexität der Schildkrötengehirne, wodurch es den Tieren möglich war, sich an verschiedene Umgebungen und Lebensbedingungen anzupassen. Das ist insofern wichtig, als dass wir ähnliche Diversifizierungen auch bei anderen Tiergruppen wie Säugetieren und Vögeln vorfinden.“

„Durch den Vergleich der digitalen Gehirnrekonstruktionen mit denen moderner Schildkröten konnten wir zeigen, dass die ersten Schildkröten mit vollständigem Panzer sehr wahrscheinlich an Land, aber nicht grabend oder im Wasser lebten“, sagt Gabriel Ferreira von der Universität São Paolo in Brasilien, ein weiterer Co-Autor der Studie. „Erst später in der Evolution eroberten sie verschiedene Habitate.“

Publikation:

Stephan Lautenschlager, Gabriel S. Ferreira und Ingmar Werneburg: Sensory evolution and ecology of early turtles revealed by digital endocranial reconstructions”, Frontiers in Ecology and Evolution, https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fevo.2018.00007/abstract

Kontakt:

Dr. Ingmar Werneburg
Universität Tübingen
Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP)
ingmar.werneburgspam prevention@senckenberg.de

Dr. Stephan Lautenschlager
University of Birmingham, England
s.lautenschlagerspam prevention@bham.ac.uk

Gabriel Ferreira
Universität São Paolo, Brasilien
gsferreirabiospam prevention@gmail.com

Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
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Antje Karbe
Pressereferentin
Telefon +49 7071 29-76789
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